Der Kaufmann von Venedig
Großbritannien/Italien 2004, Laufzeit: 131 Min., FSK 12
Regie: Michael Radford
Darsteller: Al Pacino, Jeremy Irons, Joseph Fiennes, Lynn Collins, Zuleikha Robinson, Kris Marshall, Charlie Cox, Heather Goldenhersh, Mackenzie Crook, John Sessions, Gregor Fisher,Ron Cook, Allan Corduner, Anton Rodgers, David Harewood, Antonio Gil-Martinez
Großes Schauspielerkino
Colonia (683), 19.02.2006
Ein großer Kostümfilm ist diese Shakespeare-Verfilmung. Eigentlich gilt "Der Kaufmann von Venedig" als Komödie und es kommen sogar die üblichen Shakespeare'schen Frau/Mann-Kostümierungen zum Einsatz. Aber ansonsten ist Michael Radfords Werk tief-düstere (etwas überlange) Tragödie mit hervorragenden Darstellern. Nur Jeremy Irons bleibt in seiner Rolle etwas blass.
Standing Ovations
Marylou (161), 29.06.2005
Wundern tuts mich, das bisher nur zwei Leute was zu diesem großartigen Film geschrieben haben.
Doch diese beiden Meinungen stellen schon perfekt heraus, worum es in dem Film geht.
Antisemitisch finde ich den Film weiß Gott nicht. Er spiegelt sehr gut die Gegebenheiten der Zeit dar, ohne sich auf die eine oder andere Seite zu schlagen.
Pacino spielt zum Niederknien, ebenso wie Irons und Mademoiselle Collins, die ich bis Dato nicht kannte, aber sehr positiv hervorheben muß.
Ich hatte eher den Eindruck, das die Religionen nur Plattform waren, ein großes Gefühlskino zu zeigen. Geht es doch um das Ertragen jahrelanger Schmach und Demütigung, Bitternis und Trauer auf der einen Seite, große Liebe auf der anderen, Großmut, Klugheit und Hochmut und zuletzt um die Frage, was ist Gut, und was ist Böse, und warten die Guten denn wirklich so gut, wie sie glaubten?
Natürlich ist Shylock kein Typ, den man jetzt vor Symphatie in die Arme schließen will. Aber sein Leid und seine Verbitterung sind gut zu verstehen.
Selbst seine Unerbittlichkeit und Grausamkeit sind nur Zeugnis seiner tiefen Verletzungen.
Sein Fall ist tief und ihm bleibt nichts, was mich ein wenig wunderte. Denn Barmherzigkeit, die man von ihm erwartet, wird ihm nicht wirklich gezeigt.
Was soll mir das sagen? An keiner Stelle wird Shylock Verständnis entgegen gebracht, selbst, als er noch nicht von Rachedurst geplagt war. Seine Strafe fand ich furchtbar.
Ich muß auch Kinokeule zustimmen, die bemängelte, das eben dieses für Shakespeare typische Versteckspiel und die Geschlechterkämpfe unangenehm aufstießen. Immer das gleiche, und immer wieder doof: wer erkennt bitte schön nicht seine eigene Frau?
Ansonsten schließe ich mich voll Othello an: ein großartiger Film, weit weg von Kitsch, sehr fesselnd und spannend bis zum Ende. Dringend jedem zu empfehlen, bisher der beste Film, den ich im vergangenen Jahr gesehen habe.
Eben
otello7788 (554), 27.04.2005
Eben genau das war es, was den Film so gut machte: In der Gerichtsverhandlung haßt man Shylock. Daß er bestraft wird, empfindet man als Recht. Wie er bestraft wird, aber als großes Unrecht. Und wieder verschwimmt Gut und Böse. Diesem Stück hängt zu Unrecht der Vorwurf des Antsemitismus an. Dies ist aber wohl eine Frage der Inszenierung.
Shakespeare ein Nazi?
Kinokeule (541), 27.04.2005
Grundsätzlich ist alles was Otello 7788 hier schreibt richtig. Es sollte jedoch nicht verschwiegen werden, dass diesem Shakespeare Stück häufig Antisemitismus vorgeworfen wird.
In allen Interviews sehen sich die Macher des Filmes bemüht, diesen antisemitischen Hintergrund des Stückes zu leugnen und sehen viel eher einen aufklärerischen Aspekt. Diese Sichtweise setzt jedoch einen halbwegs gebildeten Zuschauer voraus. Das auch eine andere Interpretation nicht abwegig ist, zeigt sich darin, dass dieses Stück von Hitler vereinnahmt wurde und auf vielen Bühnen aufgrund seiner Problematik nicht gespielt wird.
Sicherlich. Die Christen werden hier nicht unkritisch gezeigt. Dem Film werden dazu einige Texttafeln vorangestellt und die Ghettoisierung und Verunglimpfung der Juden wird nicht verschwiegen. Aber der Jude Shylock, großartig von Al Pacino dargestellt, wird hier dermassen negativ dargestellt, dass es schmerzt. Geldgierig und unbarmherzig will er dem Christen Antonio das Herz herausschneiden. Persönliche Schicksalsschläge lassen Shylock verbittert und voller Hass werden, so dass seine Motive nicht in seiner Religiosität gesucht werden müssen. Erst durch windige und lächerliche juristische Tricks wird er zur Strecke gebracht und am Ende gedemütigt. Diese Demütigung endet erst mit der erzwungenen Konvertierung des Juden zum Christentum, wodurch die religiöse Dimension des Stückes nochmals deutlich wird.
Ich muss zugeben, dass ich diesen Aspekt des Films am Anfang sehr bedenklich fand, der Film aber hier gerade noch die Kurve kriegt. Außerdem ist die Maskerade in der Gerichtsverhandlung total lächerlich. Das zwei Ehemänner ihre als Anwälte verkleideten Frauen nicht erkennen, glaubt doch wohl keiner. Und das hier im 16.Jahrhundert die Juristen schon solche Wortspalter waren als wie ich sie heute oft empfinde, trägt auch nicht zu meiner Beruhigung bei. Die zum Abschluss für Shakespeare typischen Geschlechterkämpfe mit Intrigen und Erniedrigung des eigenen Partners finde ich ebenfalls furchtbar. Für mich schwankt der Film somit zwischen Genie und Ärgernis (3 Sterne)
Gold das glänzt
otello7788 (554), 22.04.2005
In den ersten Minuten kommt mir die "alte" Sprache bei Shakespeare immer befremdlich vor. Aber wie bei Untertiteln hat man sich nach 10 Minuten daran gewöhnt. Dann geschieht das Unglaubliche: In einer Sprache, in der eigentlich niemand redet oder geredet hat, wird eine großartige Geschichte erzählt, bei der die Grenzen zwischen Gut und Böse ständig wechseln. 2h wird man spannend, intelligent und berührend unterhalten.
Dazu tragen eine, bei aller Pracht, zurückhaltende Regie und die auserlesenen Darsteller bei. Nicht genug loben kann man die beiden Großmeister Irons+Pacino. Joseph Fiennes musste hauptsächlich gut aussehen, was seine Hauptqualität als Darsteller ist. Die Entdeckung ist Lynn Collins als Portia, die das Spagat zwischen gehorsamer Tochter und gerissener Drahtzieherin meisterhaft bewältigte.
Wer sich durch Schönheit von Sprache berauschen lassen möchte, dem sei dieser Film wärmstens empfohlen. Grosses Theater auf großer Leinwand.
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