Love & Mercy
USA 2014, Laufzeit: 121 Min., FSK 6
Regie: Bill Pohlad
Darsteller: Paul Dano, John Cusack, Elizabeth Banks
>> www.loveandmercy.de/
Porträts von großen Musikern auf der Leinwand gibt es viele - im Gedächtnis haften bleiben sie vor allem dann, wenn sie in ihrer Erzählstruktur die konventionalen Pfade verlassen - wie etwa im Dylan-Porträt „I’m not here“. Bill Pohlands hinreißende Hommage an Mastermind Brian Wilson von den Beach Boys reiht sich in letztere Kategorie ein. Was zu einer reißerischen Abhandlung über Aufstieg und Fall einer durch Drogen dem Wahn verfallenen Musiklegende hätte werden können, gerät unter seiner Regie zu einer sensiblen Studie über einen Künstler auf der Suche nach der eigenen Identität – gespiegelt an zwei prägenden Lebensphasen, den sechziger und den achtziger Jahren.
Dabei erzählt er nicht chronologisch, sondern springt zwischen diesen sich gegenseitig spiegelnden Phasen hin und her und lässt seinen Protagonisten von zwei unterschiedlichen Schauspielern verkörpern. So begegnen wir Wilson, großartig gespielt von Paul Dano, in den Sechzigern - schon sehr erfolgreich mit den Beach Boys - kurz vor einer Japan-Tour. Geplagt von Stimmen in seinem Kopf, überzeugt dieser seine Brüder, alleine auf Tour zu gehen, er selbst wolle im Studio an seinem geplanten Konzeptalbum „Pet Sounds“ tüfteln, ein Werk, das nicht nur eine Ansammlung von Hits, sondern ein Gesamtkunstwerk werden soll. Er heuert Studiomusiker an und nimmt die Zuschauer mit auf eine bemerkenswerte Reise in den Entstehungsprozess eines musikalischen Meisterwerks.
Zwanzig Jahre später schneit Wilson in ein Autohaus. Die Verkäuferin Melinda ahnt nicht, wen sie da vor sich hat. Wilson, jetzt gespielt von John Cusack, lädt die junge Dame nach erfolgreichem Kauf eines Cadillacs zum Essen ein, und bald wird ihr klar, dass ihr neuer Kunde und Verehrer ein hochkarätiger Star ist. Doch sie merkt auch bald, dass Wilson einen ständigen Begleiter hat: seinen Therapeuten Dr. Eugene Landy (Paul Giamatti). Dieser ist gleichzeitig sein Vormund, denn Wilson ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Drogenkonsum und Angstpsychosen haben ihn zu einem psychischen Wrack gemacht. Aber Melinda wird auch mehr und mehr klar, dass Dr. Landy seinen Schützling manipuliert und als reine Geldquelle missbraucht. Entschlossen nimmt sie den Kampf gegen ihn auf und stellt dabei fest, dass Wilsons Ausfälle Ursachen haben, die tief in seiner Kindheit verborgen liegen.
Immer wieder springt der Film zwischen diesen entscheidenden Lebensphasen hin und her, wirft ein Schlaglicht auf das schwierige Verhältnis Wilsons zu seinen Eltern. Statt „Love and Mercy“ erntet er dort nur Gleichgültigkeit und Verachtung, sein Vater schlägt ihn, so dass er auf einem Ohr fast taub wird, später verkauft dieser die kompletten Rechte am Werk seines Sohnes ohne dessen Wissen. Eindrucksvoll schildert Pohlad den Kampf des jungen Musikers gegen seine inneren und äußeren Dämone. Obwohl megaerfolgreich mit dem eingängigen Surfersound , der eine ganze Epoche prägte, sehnt sich Wilson nach etwas Größerem, will sich weiterentwickeln, stößt dabei aber auf Unverständnis sowohl bei seinen Band-Kollegen wie auch bei seinem Vater.
Heute hat es Brian Wilson geschafft, erst im April wurde sein neues Album „No Pier Pressure“ veröffentlicht, auf der Berlinale war er bei der Deutschland-Premiere persönlich mit seiner Frau Melinda anwesend und freute sich über den Erfolg. Er selbst hat den Film über sein bewegtes Leben mitproduziert.
(Anne Wotschke - biograph)