Manderlay
Deutschland/Dänemark 2005, Laufzeit: 139 Min.
Regie: Lars von Trier
Darsteller: Bryce Dallas Howard, Isaach De Bankolé, Danny Glover, John C. Reilly, Jeremy Davies, Lauren Bacall, Chloë Sevigny, Jean-Marc Barr, Udo Kier, Willem Dafoe, Michaël Abiteboul, Virgile Bramly, Ruben Brinkmann, Doa Croll, Llewella Gideon, Fredric Gildea, Mona Hammond, Andrew Hardiman, Aki Hirvonen, Ginny Holder, Emmanuel Idowu
Besser als Dogville
nothing (53), 05.12.2005
Während Dogville mich aufgrund seines vollständigen Verzichts auf filmische Mittel und der Geschichte, die außer des für Lars von Trier üblichen nicht nachvollziehbaren Martyriums der Hauptdarstellerin nicht viel Neues bot, eher ermüdet hat, hat mich Manderlay von Anfang an gefesselt. Das mag zum einen daran liegen, dass von Trier hier tendenziell wieder gegen seine eigenen Regeln verstößt, auf pantomimische Elemente weitgehend verzichtet und weniger abstrakte, ästhetisch ansprechendere Bilder darbietet als in dem Vorläufer. Zum anderen liegt es sicherlich auch an dem bösen Humor, der viel häufiger und offener zutage tritt als in Dogville. Manderlay gewinnt auch nicht zuletzt durch den Wechsel der Hauptdarstellerin. Nichts gegen Kidman, sie ist großartig, aber der neuen Grace nimmt man die guten Absichten jederzeit ab, während die alte Grace immer unnahbar und undurchschaubar wirkte. Bei Bryce Dallas Howard ist die Arroganz dieser Figur viel weniger offensichtlich.
Das Phänomen, dass man über die Reaktionen der anderen Zuschauer auf einen Film von Lars von Trier irritiert und verärgert ist, kenne ich seit ?Idioten?. Szenen, die für einen selber nur schwer erträglich sind, reizen andere Zuschauer zu ?fröhlichem? Gelächter. Aber ich denke, so hat wohl jeder seine eigene Strategie, mit den Provokationen eines Herrn von Trier umzugehen.
Fazit: Manderlay ist zynisch, böse, ungerecht, eine Zumutung, eine Katastrophe. Ein Film, ohne den die Welt besser dran wäre? Vielleicht doch eher: Spannendes Kino, das einen nicht unbeteiligt lässt. Gute Unterhaltung!
... ohne den die Welt besser dran wäre ...
Bruce_Wayne (73), 28.11.2005
Freude des Misanthropen: vielleicht sechs Zuschauer bildeten das Publikum der gestrigen Spätvorstellung im kleinen Bambi.
Mit etwas Glück hat tatsächlich keine der Gurken, die die Ausrottung Dogvilles mit uneingeschränkter Freude und Sympathie bedacht haben, den Film gesehen - die Differenziertheit bisheriger Beiträge lässt darauf hoffen.
Manderlay ist leider deutlich drastischer und plakativer als Dogville, was vermutlich auch mit dem Thema zusammenhängt, das in Manier des ersten Teils bekannt abgeahndelt wird. Die Idee dieses Konzeptes ist nun nicht mehr neu und es waren wesentlich weniger geniale Momente in Manderlay als in Dogville.
Die Sklaverei ist zu verbraucht, als dass sie noch genug Überraschendes hergäbe. Die kleinen und gemeinen Dorfbewohner funktionierten da besser.
Dennoch war ich gut unterhalten und keineswegs enttäuscht vom zweiten Teil. Ich freue mich auf den dritten.
Didaktisch und plakativ
woelffchen (597), 17.11.2005
Nach "Dogville" eine weitere anstrengende Kino-Sitzung, die mir nicht so sehr gefällt, weil sie das Faszinierende des Mediums "Film" - mich auf unterhaltsame Art und Weise in eine andere Welt zu befördern - weitgehend ignoriert. Andreas Borcholte (spiegel.de/kultur) beschreibt es sehr treffend: "Das Medium Film wird beim Dogma-Erfinder von Trier auf brechtsches Minimal-Theater reduziert. (...) Didaktisch, plakativ und mit fiebriger Intensität übermittelt er seine Botschaft an den Zuschauer, ohne sich jedoch um dessen emotionale Verstrickung in den Stoff zu bemühen. Dadurch wird "Manderlay" (...) zur anstrengenden Kino-Sitzung. Ob das sein muß, ist die Frage. Auch Kino, das zum Denken anregen will, darf unterhalten, ohne dabei Anspruch einzubüßen." Dem kann ich im Augenblick nichts mehr hinzufügen.
Amazing Bryce
juggernaut (162), 15.11.2005
Alles Betrug und Selbsttäuschung. Du musst zwar nicht notwendigerweise ein Schwein sein, aber ein guter Mensch sein kannst du in dieser Welt auch nicht. Das hätte Grace (diesmal Bryce Dallas Howard) eigentlich schon nach den Erfahrungen in ?Dogville? klar sein müssen, doch Trotz und Aufbegehren gegen ihren alten Herrn (Willem Dafoe diesmal, immer gerne gesehen) sind stärker. Also versucht sie, auch aus der schlechten Welt von ?Manderlay? eine ideale zu machen. Dabei zieht sich Bryce Dallas Howard mehr als nur achtbar aus der Kidman-Affäre, und der Rest des Ensembles kann durchaus mithalten.
Dass ?Manderlay? insgesamt jedoch im Vergleich zum Vorgänger abfällt, hat mit einem oftmals stark didaktisch wirkenden Tonfall und einer zu schematischen Erzählweise zu tun. Nicht nur Geschichte wiederholt sich, auch so mancher Film-Plot: Stellenweise sieht ?Manderlay? wie ein Remake von ?Dogville? mit einer anderen Hauptdarstellerin aus. Hinzu kommt, dass Theater-Anmutung und filmischer Minimalismus, in ?Dogville? noch ein Überraschungseffekt (und für manche/n eine Zumutung), nun nicht mehr denselben unverbrauchten, experimentellen Reiz haben können. Und es ist auch nicht unbedingt der neueste Kniff der Dramaturgie, die Geschichte in einer Art Kreisbewegung da zu beenden, wo sie angefangen hat, und die Hauptfigur in einer 180-Grad-Drehung das Gegenteil von dem tun zu lassen, weswegen sie ursprünglich voller Idealismus angetreten war. Immerhin hält von Trier noch einige böse Schlusspointen bereit, die für die eine oder andere Länge in den zwei Stunden vorher entschädigen. Wenn beispielsweise Wilhelm (Danny Glover) Grace am Ende über die Entstehung des alten Sklaverei-Grundgesetzes von Manderlay namens ?Mam?s Law? aufklärt, fällt einem unwillkürlich das Parteimotto aus Orwells ?1984? ein: ?Freiheit ist Sklaverei?.
Der nächste große Wurf ist ?Manderlay? gleichwohl nicht geworden. Womöglich handelt es sich hier auch nur um den typischen, geradezu unvermeidlich schwächeren Mittelteil einer Trilogie. Wollen?s hoffen, für Grace und ihren abschließenden Marsch nach ?Washington?.