Paterson
USA 2016, Laufzeit: 115 Min., FSK 0
Regie: Jim Jarmusch
Darsteller: Adam Driver, Golshifteh Farahani, Kara Hayward, Jared Gilman
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Anmutend, als hätte er ein wenig zu seinem urbanen Debütfilm "Permanent Vacation" zurückgefunden, beobachten wir durch die Augen des unangefochtenen Meisters der sinngeladenen Lakonie einen Verse schmiedenden Busfahrer. Neben der eigentlichen Lyrik findet Jarmusch allerdings noch immer die größte Poesie in seiner charakteristischen Bildsprache, indem er kleineren Alltäglichkeiten Aufmerksamkeit schenkt und ihnen neue Bedeutungsinhalte verleiht. Kleine Gesten, langsamer Gang, kurz angebundene Sprache. Im Wust zeitgenössischer, hektisch zerschnittener Filme ein Kleinod, das selbstbewusst seinem gemütlichen Rhythmus folgt und das Leben ehrt.
Eine Woche in New Jersey. Tag um Tag schlägt Paterson (Adam Driver) die Augen auf, zumeist um kurz nach sechs Uhr morgens. Das schlafende Antlitz seiner Frau Laura (Golshifteh Farahani) ist der erste, und zugegebenermaßen überaus liebreizende, Anblick. Während sie noch im Reich der Träume verbleibt, schlendert er zur Arbeit. Bevor er die tägliche Tour am Steuer seines Busses beginnt, kritzelt er noch ein paar Zeilen in sein Notizbüchlein - Inspiriert von der Streichholzschachtel, die er beim Frühstück in der Hand einer näheren Begutachtung unterzog. Gespräche von Mitfahrenden dringen zu ihm durch. In seiner Route, den obligatorischen Stopps und dem Verlauf der müden Straßen findet Paterson innere Ruhe, in der beschaulich zirkulierenden Routine Frieden. Und genau das ist Jarmuschs Kunststück. In augenscheinlichen Belanglosigkeiten findet er faszinierende Details. Der Rhythmus der Bilder, durch die man das Stadtquartier des Protagonisten kennenlernt, erzeugt ein meditatives Wohlbefinden, derweil man ihn treuherzig auf seinen tagtäglichen Spaziergängen samt seiner Dogge, die für entzückende Running-Gags Sorge trägt, folgt. Schauplätze wie die kleine Bar mit ihrem alten Inhaber, der mit sich selbst Schach spielt, oder ein gescheiterter Schauspieler mit gebrochenem Herzen werden zu alten, gerngesehenen Bekannten. Jarmusch ist ein subtiler Meister darin, selbst in kleinsten Milieus ganze Universen zu kreieren. Und sein schräger Kosmos ist gleichermaßen bevölkert von Träumern und lethargischen Schlafwandlern. So findet er neben der Lyrik des Hauptcharakters, welche das Dargestellte auf eigenwillige Weise untermalt, die eigentliche Lyrik in seinen ausgeklügelten Bildern und seinem repräsentativ lakonischen Humor. Die Welt durch die Augen des von Adam Driver so treffend verkörperten Busfahrers zu betrachten, ist allemal bereichernd. Da verzeiht man, wie er selbst, auch gerne die enervierende Faulenzerei seiner Gattin, die ihre Tage damit zubringt, die Wände des gemeinsamen Heims mit Farbe zu beschmieren, Gitarre zu lernen oder aberhunderte von Muffins zu backen, stets auf der Suche nach dem ureigenen Stil. In sich zurückgezogen beobachtet er die Geschehnisse der Menschen um sich her, beobachtet und schreibt auf.
Jim Jarmusch wird seinem Faible für in sich gekehrte Einzelgänger einmal mehr gerecht und findet mit seinem Hauptdarsteller eines der gefragtesten Charaktergesichter Hollywoods, dessen markantes Gesicht mehr ausdrückt, als es Worte je könnten. Ihm zu folgen ist vergleichbar mit dem Blick in eine Unterwasserlandschaft mit all ihren illustren Bewohnern, die scheinbar schwerelos dahin gaukeln - auf meditative Weise einlullend und wunderschön!
(NATHANAEL BROHAMMER)