Weltverbesserungsmaßnahmen
Deutschland 2004, Laufzeit: 75 Min.
Regie: Jörn Hintzer, Jakob Hüfner
Darsteller: Andreas Nickl, Peer Martiny, Dabe Paschke, Astrid Rashed, Friedericke Koch, Peter Berning, Katja Rosin, Patrick Güldenberg, Torsten Schlosser, Thomas Schmieder, Janina Brankatschk, Heike Ostendorp, Thomas Wendisch, Bernhard Marsch, Christoph Jungmann, Joanne Gläsel, Patrizia Moresco, Peter Berning
Maßnahmenpaket mit Mängeln
juggernaut (162), 03.09.2005
Die hier versammelten ?Weltverbesserungsmaßnahmen? bieten einige hübsche Ideen, denen aber häufig zu schnell die Luft aus- und das Potenzial für eine 10- oder 15-minütige Episode abgeht. Manches wäre als gespielter Witz in Sketchlänge wahrscheinlich besser rübergekommen. Da mangelt es teilweise an Tempo und Timing, teilweise an Einfällen, um aus der durchaus originellen Ausgangskonstellation mehr herauszuholen.
So wird z.B. in einer ?Maßnahme? der betriebswirtschaftliche Modebegriff der ?flachen Hierarchie? in eine menschliche Einheitsgröße von 1,90 Meter übersetzt, was zumindest für ein paar lustig anzuschauende Plateausohlen-Gags gut ist (Eine Episode über einen Einheitssteuersatz gibt es hingegen nicht, das muss wohl selbst den Machern dieser Dokusatire zu albern vorgekommen sein). Die Idee vom (erwachsenen) ?Leihbruder? für Einzelkinder verspricht mehr Witz, als es die Umsetzung halten kann. Die ?Aktive Krankenversicherung?, die mit der hin und wieder bereits satirisch genutzten Vorstellung spielt, dass die Patienten/Versicherten selbst zu Ärzten werden und sich gegenseitig operieren (unter Anleitung durch ein Operationsvideo), entfaltet immerhin einen gewissen morbiden Charme. Eindeutig zu lang geraten ist dagegen die Geschichte um den ?Sorbischen Euro?, der als Mittel gegen die Sparsucht wirken soll (Die Geldscheine ?verwelken? dabei nach einer chemischen Spezialbehandlung innerhalb von Wochen, können somit nicht ewig gehortet werden). Und Parodien auf gruppendynamische Prozesse in Selbsthilfekursen (Episode ?Ampel e.V.?) hat man einfach schon zu oft gesehen.
Gut und überzeugend umgesetzt ist die Idee, medialen Experten-Wahn und Expertensprech dadurch aufs Korn zu nehmen, dass derselbe Schauspieler die in den einzelnen Episoden jeweils zu Wort kommenden Fachmänner spielt, und diese im immer gleichen Tonfall und der immer gleichen Mimik gibt. Konsequenterweise trägt er auch immer denselben Rollennamen ?Dr. Johannes Schleede?, mal als ADAC-Mobilitätsberater, mal als Umwelt-Staatssekretär, mal als Mediziner (dann natürlich befördert zum Prof. Dr. med. ...und mit Filzhut ausgestattet). Allerdings fehlt im Text von Dr. Schleede die derzeitige Experten-Hohlphrase Nr. 1: ?alternativlos?, die hätte man ihn ruhig auch ein paar mal aufsagen lassen dürfen.
Das alles erinnert ein bisschen an den absurden Humor und Slapstick aus den Monty Python-Sketchen und -Filmen (teilweise auch in der grafischen Gestaltung der Zwischenspiele), aber etwas vom Kaliber des ?Ministeriums für alberne Gangarten? ist leider nicht darunter. Insgesamt zu bemüht und für meinen Geschmack auch nicht bissig genug. Es wäre vermutlich eine Verbesserung gewesen, wenn man diese Episodensammlung nicht auf die Spielfilmlänge von 90 Minuten ausgedehnt hätte.
Reformstau
deejay (111), 24.08.2005
Ein Film, ein Deutschland, in dem hemmungslos reformiert wird. Diesmal meist witzig und meist einfallsreicher, als es uns Politiker und Unternehmerverbände zumuten möchten. Nein, mal ehrlich, im Großen und Ganzen fühle ich mich im tatsächlichen Reformstau, im auf hohem Niveau jammernden und regulierten Deutschland ganz wohl. Dies ist ein Film, den sich all die mal anschauen sollten, die uns immer und ewig ihren ewigen Reformierungsdrang als Selbstzweck aufzwingen wollen, ob er uns guttut oder nicht. Wer weiß, wie viele Spinner unter ihnen sind?
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