Es gibt 683 Beiträge von Colonia
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23.10.2003
Skeptisch war ich ja schon. Das Buch von Sven Regener hat ungefähr so viel Inhalt wie eine leere Flasche Beck's. Also mehr so ... keinen. Zudem hat mich die Sprache ziemlich genervt und ich konnte in den allgemeinen Lobeshymnenkanon, der sich über "Herr Lehmann" ergoss, so gar nicht einstimmen.
Nun also der Film. Da überrascht als allererstes der Vorspann. Sehr originell! Dann die Bestätigung: Ja, im Film gibt es die unveränderten Originaldialoge aus dem Buch. Aber irgendwie kommen das im Grunde völlig belanglose Gelaber und die unprätentiöse Geschichte hier deutlich besser rüber. Ja, es macht sogar Spaß und ist keine Minute langweilig. Was ist also passiert? Passiert ist, dass Leander Haußmann in seinem zweiten Film alles stimmig und stringent in Szene gesetzt hat und wieder einmal sein größtes Talent, nämlich Schauspieler zu führen, beweist, dass die Kameraführung interessant ist, die Musik sehr gut abgestimmt und dass vor allem das Timing stimmt. Und der Schluss ist - anders als im Buch - etwas versöhnlicher und weniger abrupt.
Bekannte Namen von außerhalb der Schauspieler-Gilde überraschen als Gag (Thomas Brussig, Autor der "Sonnenallee", Regisseur Pepe Danquart, Chanson-Diva Tim Fischer) und durchaus durch Kameratauglichkeit, gestandene Schauspieler spielen zum Teil in winzig kleinen Nebenrollen (Christoph Walz, Michael Gwisdek, Karsten Speck, Sven Martinek). Und das nur Sekunden dauernde Wiedersehen mit Torsten Ranft ("der Olaf aus Dräsdn" in "Sonnenallee") als Ost-Jürgen ist einfach ein schönes Zitat des eigenen Werks.
Die zum 1000. Mal abgefilmte Babelsberg-Kulisse (neulich noch in "Rosenstraße" zu sehen, zuvor auch in "Sonnenallee") hätte nicht sein müssen, das holzhammermäßige Produkt-Placement des Bierherstellers auch nicht. Sonst ist es ein wirklich netter, kurzweiliger Film. Von dem freilich nichts auf Dauer hängen bleiben wird - außer, dass man hier Christian Ulmen (Lehmann) zum ersten Mal als Schauspieler gesehen und Theatermimin Katja Danowski (Köchin Katrin) zum ersten Mal bemerkt hat.
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19.10.2003
Über den Film kann man - wie man hier sieht - sehr geteilter Meinung sein. Über jeden Zweifel erhaben ist dagegen meines Erachtens der Score von Craig Armstrong. Fast sphärisch klingende und asiatisch anmutenden Gesänge, sparsamst eingesetzte Melodien, rhythmusbetont. Das alles zusammen ergibt einen faszinierenden Klangteppich, der mal traurig-melancholisch, mal spannend und hochdramatisch klingt.
Der Schotte Craig Armstrong arbeitete bereits im Jazz- und Pop-Business als Komponist und Musiker (u.a. für Madonna und U2), bevor er seine ersten Soundtracks schrieb. Zu den bekanntesten gehören "Romeo + Juliet" sowie "Moulin Rouge". Aber auch der Texas-Hit "I don't want a lover" stammt aus seiner Feder.
Mein Soundtrack-Tipp!
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07.10.2003
Darf Herr Winkelmann noch eine Tasse Tee? - Wieso sollte Herr Winkelmann denn keinen Tee dürfen? - Naja, ich dachte, wegen der Medikamente... - Mutti, Herr Winkelmann ist nicht bei mir in Behandlung! - Das finde ich sehr vernünftig; meine Tochter macht das ja auch nur so nebenbei. - Mutti, Herr Winkelmann ist überhaupt nicht in Behandlung! - Das finde ich unverantwortlich!!
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05.10.2003
"Ein Pils, zwei Tee, ein Hagebutten, ein normal, ein (!) Cola - ein Kleines - und eine Schlemmerschnitte."
Auch wenn "Ödipussi" im Grunde nur eine Aneinanderreihung von Einzelsketchen ist, so dient der Film doch wie alle Werke Loriots als schier unerschöpflicher und immer wieder gern genommener Zitatschatz im Alltag. Die Schlemmerschnitte ist Kult bei jedem Kneipenbesuch.
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22.09.2003
Antonia ist eine Frau mit Sinn fürs Praktische. Sie zieht nach Ende des II. Weltkrieges mit ihrer Tochter auf den Bauernhof ihrer soeben sterbenden Mutter. Damit beginnt der Film. Und im Folgenden sieht man mehrere Generationen bis hin zu Antonias Urenkelin heranwachsen, im Mittelpunkt immer Antonia, diese starke und patente Frau. Der Hof wird im Lauf der Jahre zu einer Art Oase für die Außenseiter des Dorfes, die Gemeinschaft rund um die Frauen aus Antonias Familie, die allesamt unverheiratet bleiben, wird größer und stärker.
Manchmal kommen große Filme aus einem kleinen Land. "Antonias Welt" ist so einer. Das niederlälndisch-belgische Epos handelt von Geburt und Tod und dem prallen Leben dazwischen, ist voller Witz und Tragik, grandios gefilmt (viele Bilder wirken wie Gemälde) und mit der Musik von Ilona Sekacz wundervoll untermalt. Es ist eine Zeitreise durch die Jahrzehnte und mitten hinein in abgeschiedenes dörfliches Leben samt Inzucht und unüberwindlichen Konfessionsgrenzen, in eine männerdominierte Welt.
Die Figuren sind sehr gut gezeichnet und gespielt, die Maskenbildner haben ganze Arbeit geleistet, die Entwicklung über die Jahrzehnte glaubhaft zu machen. Der Film strahlt insgesamt eine große Wärme, die Hauptdarstellerin ungemeine Vitalität aus. Meine Empfehlung.
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22.09.2003
Sehr gute Ansätze, den Wahnsinn des Kölner Karnevals in einen Film zu verpacken, leider nicht konsequent und drastisch genug. Zumindest nicht für den, der es kennt. Für einen Imi, wie ja auch Protagonist Roman (ausgerechnet "Bützer" mit Nachnamen!) einer ist, mögen die teils surreal anmutenden Szenen schon ausreichen, den zunehmenden Realitätsverlust zu erklären.
Wenn Roman durch die mit Narren überfüllten Straßen zieht, wird das größte Manko des Films deutlich: Technik und Bildqualität. "Narren" ist in der WDR-Reihe "radikal digital" entstanden und eigentlich nicht fürs Kino geeignet. Die Bilder der DV-Kamera sind zu schlecht. Dabei mag es teilweise Absicht sein, dass die Gesichter unscharf und die Personen verschwommen sind, zumal es sich um Szenen aus dem realen Straßenkarneval handelt. Aber um wie viel bedrohlicher hätten die Menschenmassen und Karnevalsfratzen, an denen Roman vorbeitorkelt, gewirkt, hätte man sie deutlich erkennen können.
Herrlich dagegen die Einstellungen mit dem am Strick baumelnden Nubbel vor Romans Fenster, Schmicklers spitzenmäßiger Auftritt als Prinz mit Tinnitus, die Episode in der Kirche, die vergeigte Büttenrede im Fernsehen oder Sprüche wie "Die Heinzelmänner haben Zorro auf dem Gewissen".
Zu loben sind außerdem der interessante Vorspann, die Musik von Ilja Jakob und das Spiel von Christoph Bach als Roman.
Mit den Örtlichkeiten nahm man es nicht so genau, die Szenen wechseln wild zwischen Süd-, Altstadt und Neustadt. Das ist zu verschmerzen. Aber warum bringt man einen solchen Film mitten im September in die Kinos und nicht zu Beginn der Session?
P.S.: Mitgeschunkelt wurde im Kino nicht. Großes Lob ans Kölner Filmhaus-Publikum.
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20.09.2003
Ich saß damals im Kino in Erwartung eines richtig großen Epos'. Die Trailer hatten Hoffnung gemacht. Zudem drehte Spielberg gleich mit einer ganzen Riege großartiger Schauspieler. Der Film fing auch ganz vielversprechend an ... um sich dann irgendwo im Nichts zu verlieren. Trotz des interessanten Themas: Irgendwie verschenkt.
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12.09.2003
... was der größere Mist ist: Der Film oder die Musik zum Film. Letztere (von Hans Zimmer, schon eine Weile auf dem Markt) ist jedenfalls grau-en-haf-ter Mampf.
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10.09.2003
Unbestreitbar einer meiner All Time Favorites. Dieser Film ist - wie es manchmal bei Erstlingswerken vorkommt - genial gut. Hier haben Marc Caro und Jean-Pierre Jeunet (beide Drehbuch und Regie) einfach alles an skurrilen und wahnwitzigen Ideen untergebracht, was sie lange angesammelt hatten. Die Charaktere sind bestens besetzt, die Szenen grotesk auf die Spitze getrieben.
In "Delicatessen" erlebt der Zuschauer ein ideenreiches Endzeit-Szenario, wie es frecher und exzentrischer nicht sein könnte. Immer noch ein Ereignis!
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07.09.2003
Die 80er sind wieder da. Die Retrowelle rollt und rollt. Sie quillt nicht nur aus jedem H&M, sie quillt auch aus dem Radio, aus den Buchläden und spätestens seit "Verschwende deine Jugend" auch aus dem Kino.
Was ich dem Film zugute halten muss, ist, dass er der Handlung des 2000 erschienenen Romans von Frank Goosen (die eine Hälfte des dahingeschiedenen genialen Kabarett-Duos "Tresenlesen") ziemlich genau folgt. Kleinere Änderungen und Kürzungen sind der etwas anderen Erzählstruktur des Kinos und natürlich der Filmlänge geschuldet und nachvollziehbar. Warum der Film jedoch das im Buch sehr große Thema "Musik" relativ in den Hintergrund rückt, wird mir nicht ganz klar. Goosens Romanfigur ist zwar kein Musikbesessener wie der Erzähler in Hornbys "High Fidelity", die passende Musik zur passenden Zeit ist aber auch hier ein ganz wichtiges Element, das drückt nicht zuletzt das als Schallplatte gestaltete Cover der Originalausgabe (Eichborn-Verlag) aus.
Überrascht hat mich ebenso, dass Dialoge des Romans zum Teil wörtlich ins Film-Drehbuch übernommen wurden und dass sie in diesem anderen Medium nicht künstlich wirken.
Ein detailverliebter Wahnsinn ist es, klitzekleine Elemente des Romans auf der Leinwand 1:1 abgebildet zu finden (die Kuhglocke statt Klingel am Bauernhaus von Brittas Eltern; und sie hat sogar den im Buch beschriebenen Keramikgriff!).
Das wars an positiven Überraschungen. Die große Negativerkenntnis ist: Der Roman funktioniert als Film nicht. Der Film ist langweilig und uninteressant, die Figuren sind austauschbar, die Handlung ist banal. Warum ist das so? Ich vermute, es ist der fehlende Subtext. Ohne ihn bleibt alles oberflächlich und sogar die eigentlich guten Schauspieler bleiben blass in ihren Rollen. Eine Enttäuschung auf der ganzen Linie!
Der nächste Film über die 80er steht schon in den Startlöchern: Haußmanns "Herr Lehmann" (nach dem Roman von Sven Regener).