Es gibt 162 Beiträge von juggernaut
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21.07.2005
Schon wahr, Sandrine Bonnaire gibt immer eine ziemlich imposante Erscheinung auf der Leinwand ab, so auch hier als ?Frau des Leuchtturmwärters?. Aber muss man deswegen jedes Mal das Format der Männerfiguren um sie herum derart reduzieren (Ähnliches war in ihren letzten Filmen ?Intime Fremde? und ?Mademoiselle...? auch schon zu beobachten)? Antoine, dem ?fremden?, eben neu angekommenen Aushilfsleuchtturmwärter mit der zerquetschten Hand, werden gerade mal ca. anderthalb Gesichtausdrücke zugestanden; deren Grundlage aber ist ein immer nur angedeutetes, melancholisches Lächeln, dessen Ursache wiederum in einem unbewältigten Erlebnis aus seiner Vergangenheit im Algerienkrieg liegt. Profi-Leuchtturmwärter Yvon gehört ? im Gegensatz zu seinen alteingesessenen bretonischen Kollegen, die nicht gerade die größten Leuchten zu sein scheinen ? immerhin zur Sorte raue Schale, aber keine hohle Nuss. Wie das halt so ist unter Männern, freundet Yvon sich nach einer ausgedehnten Beschnupperphase mit dem Fremden Antoine dann doch noch an. Der gerät indes in einen schweren inneren Konflikt, als er und Yvons Frau Mabé (Sandrine Bonnaire) ihre aufkeimende Neigung füreinander bemerken, die sie bis auf ein einziges Mal im Zaum halten werden. Und Mabé wird durch die Ankunft des Fremden und die Gefühle, die dadurch langsam in ihr erwachen, auch daran erinnert, dass sie viel mehr aus sich hätte machen können, aber den rechtzeitigen Absprung aus dem bretonischen Provinznest verpasst hat.
Immerhin macht Sandrine Bonnaire aber einiges aus ihrer Rolle in dieser stimmungsvoll vor Meereskulisse fotografierten Dreiecksgeschichte, die, worauf mancherorts schon hingewiesen wurde, in ihrer Struktur sehr Clint Eastwoods ?Die Brücken am Fluss? ähnelt: Handlung beginnt in der Jetztzeit, erwachsenes Kind fährt nach Tod der Mutter noch einmal ins Elternhaus, erhält dort eher zufällig Informationen über das ihr unbekannte (Liebes-)Leben der Mutter, die in einer langen Rückblende offenbart werden und entscheidende Auswirkungen auf die Gegenwart des Kindes haben. Das ist in beiden Fällen auf durchaus ansehnliche Weise gelungen, hängt aber auch stark am Starpotenzial von Bonnaire hier und Eastwood/Streep da.
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21.07.2005
Aus Kurt Scheels samstäglichem Filmtipp in der ?Frankfurter Rundschau? (FR vom 16.7.): ?(...)Man darf nicht länger als drei Sekunden über den Plot nachdenken, sonst bricht dessen Restlogik in sich zusammen; aber komischerweise macht das kaum etwas aus. Denn »Botschafter der Angst » (1962) hat so viele faszinierende Szenen, die mit albtraumhafter Sicherheit die Paranoia des Kalten Krieges ins Bild setzen, dass er zu Recht den Ruf eines Kultfilms gewonnen hat. (...) Heute wird der Film als ?brillante Satire? missverstanden, dabei ist er doch nur ein realistisches Abbild der durchgedrehten fünfziger Jahre, in Gestalt eines Albtraums. »The Manchurian Candidate» ist ein Film, als hätten ihn ein besoffener Hitchcock und ein stocknüchterner Orson Welles gemacht(...).?
Dem ist an sich nichts hinzuzufügen ? außer dem Wunsch, einer der öffentlich-rechtlichen Sender mit Kulturauftrag möge noch einmal das Porträt des Welles/Hitchcock-Hybriden John Frankenheimer wiederholen, das die Filmjournalisten Lars-Olav Beier und Robert Müller unter dem Titel ?Auf den ersten Schuss? kurz vor Frankenheimers Tod 2002 drehten. Darin erklärt der Regisseur, der einer der letzten großen Filmkunsthandwerker Hollywoods war, anhand von herausragenden Sequenzen aus seinem Schaffen eindrucksvoll das Metier, das er so gut beherrschte.
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21.06.2005
Um die Vorlage aus der Choices/Biograph-Kritik gleich aufzunehmen: 1986 war in der Tat vor allem das Jahr, in dem die ?Goldenen Zitronen? ihre erste Single veröffentlichten: ?Am Tag, als Thomas Anders starb?. Hei, war das ein Aufruhr! Zu dieser Zeit war der Tabubruch eben noch kein Gesellschaftsspiel. Die ?Bravo? heulte, die ?Bild? schäumte ? und die Zitronen wurden innerhalb kürzester Zeit so bekannt, dass sie bald ihre erste Langspielplatte (so hieß das damals) aufnehmen und auf große Tour gehen konnten, die sie 1988 auch in einen seinerzeit noch ?Luxor? geheißenen Kölner Club führte, wo sie einen meiner Erinnerung nach ziemlich unterhaltsamen Auftritt hinlegten. Modern-Talking-Hasser und ?Formel Eins?-Gucker, die sich immer Dallas-dienstags um 21 Uhr versammelten, um im Dritten die erste Video-Hitparade im deutschen Fernsehen zu schauen, hatten daran jedenfalls ihren Spaß. Dabei ausgestattet mit, zugegeben, aus heutiger Sicht höchst fragwürdigen Frisuren und wenig geschmackssicher zusammengestellten Klamotten ? aber so sahen die Alternativen zum selbstgestrickten Pullover Mitte der 80er nun mal aus. Und da Genschman, unser damaliger Minister des Äußersten, gerne mit kanariengelben Pullundern durch die Weltpolitik jettete, trägt passenderweise auch der Dorfbürgermeister in ?Am Tag als Bobby Ewing starb? ein solches Kleidungsstück
Wer also 1986 in einer eher unpolitischen Phase seines Lebens steckte, verbindet mit dem doppelten Super-GAU dieses Jahres (Tschernobyl kaputt, Bobby Ewing tot) nicht sehr viel. Dementsprechend wenig hat ?Am Tag als Bobby Ewing starb? bei mir ausgelöst. Sicher, der Film ist wirklich mit viel Liebe zum authentischen Detail ausgestattet, und die Figuren bewegen sich immer nur haarscharf am Rande zur Karikatur. Auf billiges, klischiertes Öko/Müsli-Bashing verzichtet Regisseur Lars Jessen weitgehend. Aber die hier dargestellte Lebenswirklichkeit ist ebenso wie das eigene, persönliche Lebensgefühl dieser Zeit doch schon sehr weit entfernt ? that was then and this is now.
Und nun wird sich also aller Wahrscheinlichkeit nach in irgendeiner Form Geschichte wiederholen. Wenn ab 18.9.2005 das Merkel, ihres Zeichens Physikerin und Kernkraftbefürworterin, das Szepter schwingt, kann man erst mal wieder guten Gewissens und vollen Herzens dagegen sein. Denn an der Berechtigung des Protests gegen die Nutzung der Kernspaltung, Ökos hin, Müslis her, hat sich in all den Jahren nichts geändert. Und: Der Nachteil der fragwürdigen Frisur würde diesmal auf der Gegenseite liegen.
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01.06.2005
Lustig ist das Autorenleben ? auch wenn gerade das komplette, auf einer Diskette abgespeicherte Drehbuch auf Nimmerwiedersehen verschwunden ist. Dann schreibt man eben in fünf Tagen etwas neues für den Produzenten. Bei diesem, natürlich rein fiktionalen, ?kreativen Prozess? dürfen wir Lars von Trier und seinem Koautor Niels Vorsel in diesem Streifen zuschauen. Einige Szenen aus der flugs ersonnenen Geschichte um den Arzt Dr. Mesmer, der eine Epidemie bekämpfen will und sie stattdessen unbewusst selbst weiter verbreitet, werden dazu als Film (im 35mm-Format) im Film (im grobkörnigen 16mm-Format) dargeboten, das alles in schwarz/weiß.
Klingt schon wieder ein bisschen wirr, das Ganze? Keine Sorge, für von-Trier-Verhältnisse ist ?Epidemic? schon regelrecht zugänglich ? und an manchen Stellen sogar witzig ? geraten. Zumindest weiß man nach dem Film, wie bei ?Signal Plus? die roten Streifen in die weiße Zahnpaste kommen, der Meister himself führt es vor. Und eine Art Heimatfilm ist es für uns Kölner auch noch in gewisser Weise, spielen doch einige Szenen auf dem hiesigen Autobahnring, in der Wohnung des Schauspielers Udo Kier und am Aachener Weiher. Aber natürlich ist das kein Wohlfühl-Film, dafür interessiert sich von Trier viel zu sehr für krankhafte Veränderungen, Geschwüre und Viren. Die Pathologieszenen im Krankenhaus und die Kreisch- und Blutorgie am Ende sorgen schon für das typische von-Trier-Feeling.
Allerdings enthält die Rezeptur von ?Epidemic? auch wieder, wie bei von Trier üblich, Unzusammenhängendes und Überflüssiges, wie etwa kurz vor Schluss den viel zu lang ausgewalzten Dialog zwischen Regisseur und Koautor über dessen amerikanische Brieffreundinnen. So etwas fällt für meinen Geschmack unter die Kategorie Film gewordene private jokes. Raus damit! Man darf von Trier nun mal nicht alles abkaufen, was er einem vorsetzt. So manches davon ist weder genialisch noch originell oder inspiriert, sondern einfach nur willkürlich und beliebig.
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01.06.2005
Hier gibt?s was auf die Ohren. Während die Jungs manchmal bis zur Unverständlichkeit nuscheln, schreien die Mädels sich vorzugsweise an. Gegen die in den höchsten und schrillsten Tönen durch- und aufeinander los krakeelenden Jugendlichen in einer tristen Pariser Vorstadt ist die Los-wir-reden-jetzt-alle-gleichzeitig-Runde bei Christiansen ein gesittetes Kaffeekränzchen. Und für einen gerade noch Enddreißiger wie mich stellt es mittlerweile eine regelrechte physische Anstrengung dar, mir minutenlanges ununterbrochenes Keifen auf Französisch anzuhören und dabei gleichzeitig auf die Untertitel achten zu müssen. Denn die sind einfach nötig, obwohl ihr voll-fett-krass-Deutsch manchmal ziemlich hilflos und deplatziert wirkt. Aber es ist vermutlich die einzig mögliche Art der Übertragung ins Deutsche ? wie ein Ausflug in irgendeinen ?sozialen Brennpunkt? hier zu Lande wohl eindrucksvoll untermauern würde. Ich habe jedenfalls keinen Zweifel daran, dass der Sound der Jugend, den uns die bemerkenswert talentierten Akteure und Akteurinnen hier in ?L?esquive? vorführen, authentisch ist. Dass sie aber auch etwas anderes können als Stakkato-Beschimpfungen und z.T. sogar über eine beachtliche Bandbreite an Ausdrucksmöglichkeiten verfügen, zeigen sie in den Theaterszenen, die weniger Film im Film (bzw. Theater im Film) als vielmehr vollwertiger Bestandteil des Ganzen sind. Denn auf dieser zweiten Ebene wird auf geschickte Weise mithilfe von Marivaux? Stück ?Le jeu de l?amour et du hasard? etwas über die Schwierigkeiten mit der Liebe und dem sozialen Rollenspiel mitgeteilt, mit denen sich auch die Filmfiguren im Filmleben herumschlagen müssen. Das heißt allerdings nicht, dass ich ?L?esquive? uneingeschränkt empfehlen möchte. Er ist doch, alles in allem, recht anstrengend. Insofern ist dieser Beitrag auch ein ?esquive? (Ausweichmanöver).
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01.06.2005
Mir ist nicht ganz klar geworden, warum dieser Film ?Palindromes? heißt und warum die Hauptfigur Aviva von acht einander z.T. ähnlich, z.T. extrem unähnlich sehenden Darstellerinnen verkörpert wird. Ich sehe auch nicht, dass man den Film, analog zur Bedeutung von ?Palindrom?, von hinten nach vorne genau so ?lesen? und verstehen könnte wie in der jetzt vorliegenden Szenenanordnung. Aber immerhin ist die letzte Aviva auch wieder dieselbe wie die erste, und ihr in der Auftaktszene geäußerter Kinderwunsch, der in der Folge allerlei teilweise unappetitliche Verwicklungen nach sich zog, ungebrochen. Darin könnte man also so etwas wie eine Kreisbewegung sehen, einen Schluss, der wieder an den Anfang zurückführt, und das Spiel von neuem beginnen ließe usw. usf.
Genug davon, halten wir uns lieber an die ?Inhalte?. ?Palindromes? ist in gewisser Weise die Fortsetzung von ?Happiness? mit etwas anderen Mitteln. Thematisch und in ihrer Machart verbindet beide Filme einiges: Auch hier beschäftigt sich Regisseur Todd Solondz mit amerikanischen Träumen und unterlegt seine Bilder gerne mit süßlicher oder fröhlicher Hintergrundmusik, wenn die Träume gerade dabei sind, zu kollabieren oder in Albträume umzuschlagen. Einen durchgehenden, stringenten Erzählstil wie noch in ?Happiness? versagt er sich allerdings diesmal. Der Film zerfällt in einzelne Episoden, und immer wenn eine neue beginnt, wird auf einen bonbonrosafarbenen Zwischentitel mit dem Namen der jeweiligen Episode (oder der jeweiligen Aviva) geblendet.
Selbstredend gehören zum Personal neben gestörten Teenagern auch ein Pädophiler (wie in ?Happiness?) und ein als pädophil Verdächtigter sowie gute Christenmenschen. Letztere beauftragen den Pädophilen, von dessen Veranlagung sie nichts wissen, einen Abtreibungsarzt zu erschießen, und zwar ausgerechnet jenen, der die Abtreibung bei Aviva verpfuscht hat. Dummerweise trifft der Pädophile (der übrigens ? immerhin ? drei Namen hat, darunter "Bob") dabei nicht nur den Arzt, sondern auch eine von dessen Töchtern.
Es ist mithin ein ziemliches Schreckenskabinett, das Solondz hier versammelt hat. Zum Teil grotesk verzerrte Charaktere, die mit (bewusstem) over-acting verdeutlicht werden, dazu abstoßend gehaltene Sexszenen, und eine veritable, pardon, Freakshow: Die Kinder, die unter der Obhut von ?Ma Sunshine? und ihrem frommen Ehemann stehen, haben alle mehr oder weniger schwere körperliche Behinderungen, was sie aber nicht daran hindert, als ?Sunshine Singers? mit einer Mischung aus Rap, Hiphop und Gospel Hymnen auf Ma & Pa Sunshine oder ihren guten ?Dr. Dan? darzubringen. Dr. Dan ist der, der zusammen mit Pa Sunshine den Mord an seinem Medizinerkollegen, dem Abtreibungsarzt, in Auftrag gibt.
?Palindromes? ist keine leichte Kost, und er gibt dem Publikum deutlich weniger Gelegenheit als noch in ?Happiness?, in das bei ?schwierigen? Filmen ja meist als befreiend oder entspannend empfundene Lachen auszubrechen. Das muss man aushalten können, sonst wird man an diesem Film wenig Gefallen finden können. Mir hat er gut gefallen.
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01.06.2005
Formal gesehen, traditionelles Erzähl- und Emotionskino, das, wie meistens bei Geschichten mit authentischer Vorlage und dem Anschein einer Eins-zu-Eins-Wirklichkeits-Ablichtung, besonders nachdrücklich und eindringlich wirkt. Was nicht zuletzt der sehr starken Vorstellung von Don Cheadle geschuldet ist. Die Musik zum Völkermord hätte dafür in einigen Passagen mit dramatischer Zuspitzung etwas weniger hollywoodesk sein dürfen.
Damit wäre also ein weiterer dunkler Fleck im kollektiven schlechten Gewissen der westlichen Welt filmisch aufgearbeitet. Was, natürlich, folgenlos bleiben wird. Denn über den damals wie heute bestehenden Mangel an Bereitschaft, sich mit den Problemen Afrikas ernst- und dauerhaft zu beschäftigen, macht sich schon im Film der von Nick Nolte gespielte UN-Colonel Oliver keine Illusionen. ?Ihr seid ja nicht mal Nigger. Ihr seid Afrikaner!? sagt er zum Hotelmanager Paul Rusesabagina (Cheadle), als er ihm erklären muss, dass die westlichen Staaten sich nicht darauf einigen konnten, eine starke Schutztruppe nach Ruanda zu schicken, um das Abschlachten der Tutsi durch die Hutu zu beenden. Und der von Joaquin Phoenix gespielte Kameramann setzt den Manager ins Bild darüber, wie die Fernsehzuschauer in den USA und Europa auf die Machetenhiebe und abgetrennten Gliedmaßen reagieren werden: ?Sie werden sagen ?Oh, wie schrecklich?, und dann weiter zu Abend essen.?
Aber ?Hotel Ruanda? zeigt auch, wie ein Einzelner, der eigentlich gar kein Held sein, sondern nur seine Familie durchbringen will, mit List, Bestechung und ein bisschen Glück über tausend Menschen das Leben retten kann. Und natürlich will der Film damit die Botschaft vermitteln: ?Zur Nachahmung empfohlen?. Was sonst?
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18.05.2005
?Herrlich bedeutungslos? kann ich nicht unterschreiben. Bedeutungslos greift zu kurz, und herrlich ? nun ja, ist Geschmackssache. An Bedeutung(en) der unterschiedlichsten Art mangelt es dem Film jedenfalls nicht, handelt er doch jede Menge Versatzstücke aus (Küchen-)Psychologie und (Kalenderblatt-)Philosophie ab, darunter diverse Ismen wie Idealismus, Nihilismus, Relativismus?für ein vollständige Auflistung müsste ich mir den Film mindestens noch ein weiteres Mal anschauen.
Es handelt sich hier wohl eher um eine satirische, filmische Form von ?Bildungsroman? oder ?Entwicklungsroman?, in dem der junge, noch unsichere und daher beeinflussbare ?Held? den verschiedensten, einander widersprechenden geistigen Einflüssen ausgesetzt wird. Dabei unterläuft ?I heart huckabees? zwar konsequent alle gängigen Erwartungen an einen ?Spielfilm? wie etwa einen geordneten ?Handlungsablauf?, aber eine gänzlich sinnfreie, überdrehte Farce wird daraus noch nicht. Eine im Ansatz interessante und originelle, phasenweise wirklich witzige Provokation, die man nicht zu Ernst nehmen sollte, das ja. Aber?ach was, schaut euch den psychologisch-philosophischen Hackepeter einfach selbst an und macht euch euren eigenen Reim drauf.
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16.05.2005
Erkenne dich selbst. In Träumen beginnen Verantwortungen. We shall overcome. Alles ist wichtig, alles hängt mit allem zusammen. Oder auch nicht. Das Leben ist eine Illusion. Nichts hat Bedeutung, alles ist Zufall. Alles, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht. Oder bleibt alles anders? Veränderung ist möglich, ergo auch Rückschritt. Alles fließt, alles ist relativ. Schwarz wird Weiß, Rechts wird Links, Ich werd? Du. Ich denke, also bin ich. Bin ich nicht? Was bin ich?
?Was immer es ist ? ich bin dagegen!?
(Groucho Marx)
?Bin immer nüchtern und besoffen / steh? auf Plastik und Natur / Dass ich so gesund bin, verdank? ich meiner Krankheit / Ich find? euch so beschissen / und hab? euch trotzdem lieb / und lüge euch die Wahrheit in beide Ohren?
(Zeltinger Band, ?Schizophren? (Text: Arno Steffen))
?Ich weiß, dass ich nichts weiß.?
(Sokrates)
?Wissen ist Nacht.?
(Wahlspruch Prof. Abdul Nachtigallers in Walter Moers? ?Die 13 ½ Leben des Käpt?n Blaubär?)
?Und hier der Sinn des Lebens: Essen Sie nicht zu viel fettes Fleisch, seien Sie nett zu Ihren Nachbarn.?
(Monty Python, ?Der Sinn des Lebens?)
Das Schlusswort gebührt dem namenlosen Zenturio aus ?Asterix auf Korsika?: ?Ganz banal, das alles! Da lohnt sich nicht mal ein Bericht.?
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16.05.2005
Kore-eda ist ein Sadist. Er lässt eines der vier Kinder, die er dem Publikum zuvor ausdrücklich ans Herz gelegt hat, sterben. Das ist aus dramaturgischen Gründen vielleicht sogar notwendig, um den Film zu einer finalen Zuspitzung und einem ?runden? Schluss zu bringen. Und es ist ebenso brutal wie effektiv in seiner Schockstarre auslösenden Wirkung. Denn man hat früh im Film angefangen, sich um die vier von ihrer Mutter verlassenen Kinder zu sorgen, und hofft, sie mögen sich irgendwie alleine durchschlagen oder jemanden finden, der sich ihrer annimmt.
Anfangs wirkt es ja noch wie ein Urban-Survival-Spiel unter Anleitung des Ältesten, des 12-jährigen Akira. Doch mit zunehmender Geldnot und zunehmender Verwahrlosung der Geschwister und ihrer Wohnung schlägt es um in ein stilles Drama. Das in größtenteils ruhigen, manchmal auch statischen Bildern erzählt wird und, von der einen oder anderen Länge abgesehen, über die volle Distanz von fast zweieinhalb Stunden fesselt. Was nicht zuletzt auch ein Verdienst der famosen Kinderdarsteller/innen ist.
Ein ?cultural gap?-Problem, das sich bei asiatischen Filmen schon einmal einstellen kann, gibt es in ?Nobody knows? jedenfalls nicht. Von Fremdheit oder Abstand zu den hier abgehandelten Themen keine Spur. Wie auch, konnte man doch beispielsweise vor gar nicht allzu langer Zeit in den hiesigen Medien erfahren, dass Polizisten und Feuerwehrleute in einer völlig verwahrlosten Berliner Wohnung die zusammengekauerte, teilweise verweste Leiche eines zweijährigen Jungen gefunden hatten. Dagegen ist der Kindstod, den Kore-Ida hier auf fast beiläufige, nur andeutende Weise ins Bild setzt, schon regelrecht dezent zu nennen. Trotzdem habe ich mich im Kino gefragt: Musste das jetzt sein? ?Nobody knows? ist in seiner Art, Anteilnahme zu wecken, sehr wirkungsvoll. Und Herr Kore-eda ist ein sehr effektiver, um nicht zu sagen meisterlicher Sadist. Oder einfach nur ein ausgesprochen guter Beobachter und Chronist von alltäglichen Dramen, wie sie sich überall abspielen können. Wenn man so will, ein bisschen wie Charles Dickens auf japanisch, nur ohne dessen anklägerischen Furor.