Das Bühnenprogramm des tanzhaus nrw präsentiert aktuelle Entwicklungen in Choreografie und Tanz. Diesem Anliegen bleibt das Haus auch mit der neuen Programmreihe dances of transgression treu. Innerhalb der Kunst ist Transgression kein neuer Begriff: Die Werke der Performancekünstlerin Marina Abramovic können als Beispiele für transgressive Kunst verstanden werden, in der z. B. körperliche Grenzerfahrungen – sei es durch extreme Performances, Selbstverletzung oder provokative Darstellungen von Nacktheit und Körperlichkeit – eine wichtige Rolle spielen. Auf andere Weise transgressiv stellt Marcel Duchamp mit Fountain umfunktionierte Urinale als Kunstobjekte aus und hinterfragt damit gängige Vorstellungen von Kunst.
In unserer Gegenwart, in der gesellschaftliche und kulturelle Normen ständig im Wandel sind, scheint transgressive Kunst wieder eine Schlüsselrolle zu spielen. Sie hinterfragt diese Normen und fordert sie heraus. Themen wie Geschlechterrollen, Sexualität, Machtstrukturen, Identität und die Beziehung zwischen dem Individuum und der Gesellschaft werden zurecht zunehmend diskutiert. Transgressive Kunst provoziert diese Diskussionen und motiviert die Betrachter*innen dazu, sich mit unbequemen Themen auseinanderzusetzen, die oft aus dem Mainstream-Diskurs ausgeschlossen werden. Sie konfrontiert das Publikum mit den düsteren Seiten der Gegenwartsgesellschaft. Transgressive Kunst stellt die Autorität von traditionellen Erzählungen, Institutionen und Wahrheiten infrage. Sie bricht die Grenze zwischen Hoch- und Subkultur und eröffnet einen Raum, in dem das Publikum Annahmen über Kunst, Kultur und Werte überdenken kann.
Das Eröffnungsstück DARK, HAPPY, to the CORE am 1. und 2. November geht auf eine atemberaubende Reise von ritueller Dunkelheit über fröhlichen Hardcore. Das Stück von Malik Nashad Sharpe (Marikiscrycrycry) fragt darin auch nach dem Utopischen – ohne die Sorge, es jemals zu erreichen. Mit einem anschließenden phänomenal intensiven DJ-Set verlagert sich das Stück von der großen Bühne ins Foyer, in dem nicht mehr die Tänzer*innen, sondern das Publikum tanzt. Ebenfalls am Eröffnungswochenende am 2. und 3. November beschäftigt sich Viktor Szeri im Stück fatigue mit verschiedenen Symptomen von Burnout, die sich unbemerkt in den Alltag einschleichen. Der Künstler macht in diesem Solo keinen Hehl aus seiner Apathie, sondern schöpft aus persönlichen Erfahrungen und baut die Choreografie auf Müdigkeit und einem Zustand des Nichts-Wollens auf.
Zum Abschluss des ersten Teils der Reihe lädt Tianzhou Chen am 22. und 23. November ein, sich von der gigantischen Solo-Performance Ocean Cage ergreifen zu lassen. Das Publikum befindet sich mitten auf der Bühne und verfolgt den Tänzer Siko Setyanto, der den Bühnenraum konstant wie auf magische Weise radikal verändert. Schon zu Beginn taucht das Publikum über plätscherndes Wasser und den Geruch von Fischernetzen in den Ort des Geschehens ein: das indonesische Dorf Lamalera. Hautnah wird die Verstrickung zwischen dem Wal, den Fischer*innen und den Ahnen erlebbar. In der Begegnung mit dem Pottwal manifestieren sich die Zusammenhänge eines komplexen Ökosystems und die Basis eines solidarischen Miteinanders.
Die Reihe dances of transgression macht Transgression vor allem über die künstlerische Form der Arbeiten spürbar. Die Stücke laden zu absolut intensiven und hochenergetischen Aufführungserlebnissen ein und lassen im kalten und dunklen November Inseln von Losgelöstheit und Zukunftsutopie entstehen. Nicht verpassen!
Weitere Infos und Tickets unter www.tanzhaus-nrw.de
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