Kinder- und Jugendtheater sind eine sehr wichtige Angelegenheit, da liegt es nahe, Stefan Fischer-Fels, den Leiter des Jungen Schauspiels, nach seiner Arbeit zu fragen.
biograph: Das Junge Schauspiel spielt eine wichtige Rolle bei der Integration von Ausländern. Wie ist es dazu gekommen, wie kommt es damit zurecht?
Stefan Fischer-Fels: Das Junge Schauspiel hat federführend 2016 unter der neuen Intendanz von Wilfried Schulz das „Café Eden“ gegründet. Wir haben gesagt, auch die Kulturinstitute tragen gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Wir öffnen unser Theater an jedem Montag. Wir haben das Café Eden auf drei Säulen gebaut, einerseits Begegnung, Spiel, zweitens auch Diskussion, Beratung - Integration kann ja auch ein konfliktreicher Prozess sein, wir wollten dafür eine besonders warmherzige und freundliche Atmosphäre anbieten! Die dritte Säule ist das, was wir am besten können, Kunst und Kultur, wir haben Jazz, wir haben Theaterprojekte und vieles mehr gemacht. Wir haben verschiedene Communities von Migranten, aber auch die Ur-Düsseldorfer angesprochen. In den zwei Jahren, die wir das machen, haben wir über 12.000 Menschen erreicht.
Für mich ist das ein neues Rückgrat des Jungen Schauspiels geworden, wir haben neue Menschen gewonnen. Es ist ein Traum für uns als Theatermacher, für viele, möglichst für alle zu spielen. Das ist auch der Grund, warum wir Kinder- und Jugendtheater machen, weil wir da ganz gut an alle Schichten und Kulturen herankommen.
biograph: Sie haben ja von Haus aus reichlich Erfahrung mit entwurzelten Menschen, weil sie Theater für Pubertierende machen, Menschen die aus der Kindheit in die Welt der Erwachsenen migrieren.
Stefan Fischer-Fels: Das ist eine ganz interessante Frage, ich denke über diesen Zusammenhang das erste Mal nach. Ich arbeite vor allem deswegen so gern mit Kindern und Jugendlichen, weil die alles das erste Mal erleben, auch das Theater. Für sie ist die Welt voller neuer Entdeckungen und Abenteuer – kein Abenteuerspielplatz, denn Kindheit und Jugend sind nicht immer ein Paradiesgärtlein, sondern manchmal sogar die Hölle. Es ist nicht nur die Pubertät, sondern es sind oft Institutionen, Armut, die Eltern und viele andere Umstände, die Kindern das Leben sehr schwer machen. Das nehme ich sehr, sehr ernst. Ich sehe nicht nur die Probleme, sondern immer die Potenziale. Ich habe es oft erlebt, dass Erwachsene zu mir kommen und sich bei mir bedanken, für das, was sie bei uns im Theater erleben konnten. Ich sehe in jedem Kind den Entscheidungsträger, den Zukunftsgestalter von morgen, ebenso in jedem Migranten. Ich bin viel in der Welt herumgekommen und hatte viele Gelegenheiten, um meine Vorurteile abzubauen, teils auch in offizieller Mission als Vorstandsmitglied der Assitej, des Verbandes der Kinder- und Jugendtheater weltweit.
Für mich sind auch Migranten erst einmal Menschen, die mit großen Potenzialen und mit großen Hoffnungen zu uns kommen. Wir wären mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir diese Potenziale nicht nutzen würden. Das Café Eden ist der Ort, an dem wir jeden Montag aufs Neue erleben, dass, wenn wir Menschen freundlich begegnen, wir Freundlichkeit zurückbekommen. Und wenn wir Menschen produktiv begegnen, bekommen wir Produktivität zurück. Das ist ein Aspekt, der in dieser verschrobenen Diskussion um Flüchtlinge sträflich vernachlässigt wird.
biograph: Auf welche Projekte sind Sie besonders stolz?
Stefan Fischer-Fels: Worauf ich besonders stolz bin? Darauf, dass wir uns in der Stadt immer mehr vernetzen, immer mehr Wurzeln schlagen. Wir haben mittlerweile in der Stadt 74 Theaterfieber-Partner-Schulen, das sind Schulen, die sich verpflichten, mit allen Klassen ins Theater zu gehen. Dann haben wir Theater-Paten, das sind Erwachsene, die Kinder bei der Hand nehmen und mit ihnen Theaterbesuche machen. Damit sie später, als Entscheidungsträger, Theater als Grundnahrungsmittel erlebt haben und nicht versuchen, aus Theatern Kaufhäuser oder Kongresszentren zu machen. Die Paten bekommen eine Art Klubkarte, sie schnappen sich ein Kind aus ihrer Umgebung und gehen mit ihm dreimal ins Theater, dann ist der vierte Besuch kostenlos. Damit wollen wir den Erwachsenen sagen: Es ist unsere, auch deine Verantwortung, Kinder ans Theater heranzuführen.
Und als drittes haben wir Theater auf Rezept, das ist eine Aktion mit den Düsseldorfer Kinder- und Jugendärzten, die bei den Vorsorgeuntersuchungen Theaterbesuche auf Rezept verschreiben. Man muss einfach einmal im Jahr als junger Mensch ins Junge Schauspiel gehen, um gesund zu bleiben! Das mit der Gesundheitsprävention durch Kultur ist sogar wissenschaftlich belegt. Wir werden dieses Projekt 2019 wieder aufnehmen. Dann hatten wir einen Jugendkongress mit dem Titel „Future (t)here“ mit deutschen und indischen Jugendlichen zusammen, zum Thema „Nachhaltigkeit“, um zu zeigen, dass es verschiedene Seiten gibt, die Welt zu betrachten. Eine zauberhafte interkulturelle Begegnung.
Der Kern unserer Arbeit sind natürlich unsere Stücke. Wir hatten einen großen Erfolg mit der „Schneekönigin“, das war unser Familienstück zur Weihnachtszeit, das mehr als 20.000 Menschen gesehen haben. Und hier in der Münsterstraße hatten wir zum Beispiel eine Inszenierung von Andreas Steinhöfels Roman „Die Mitte der Welt“. Darin geht es um eine erste Liebe, die erste homosexuelle Liebe eines jungen Mannes. Es geht um Zärtlichkeit und große Gefühle. Das Stück war ein gigantischer Erfolg, war meistens ausverkauft, sogar abends, auch wenn es ein paar verstörte Erwachsene gab, die das schwierig fanden, dass man über dieses Thema redet. Wir sind sehr stolz auf diese Arbeit und haben unendlich viel positive Rückmeldung dazu bekommen.
Dann wäre da noch „Der kleine Angsthase“, ein Stück für die ganz kleinen Kinder. Für manche Erwachsene ist es ein Anti-AfD-Stück, für die Kinder ein Stück über Angsthaben und Angstmacher. Das ist ja das großartige am Theater, man kann alle Probleme dieser Welt aufgreifen und für Kinder eine spannende parabelartige Geschichte daraus machen.
In der kommenden Spielzeit eröffnen wir mit „Jugend ohne Gott“ nach Ödön von Horváth. Das ist übrigens ein Lieblingsroman von mir, der eine ungeheure Aktualität hat. Es geht darin um eine präfaschistische Zeit, in der junge Menschen zur Unmenschlichkeit erzogen werden. Und um einen Lehrer, der um Haltung ringt. Dann machen wir „Like me“. Das ist für alle ab Zehn und beschäftigt sich mit allen Aspekten der aufregenden Fragen nach Peinlichkeit und Scham. Klingt anstrengend, wird aber sehr lustig. Überhaupt: Humor ist bei den schweren Themen die wichtigste Waffe! Wir machen den neuen „Räuber Hotzenplotz“, den vierten Band, der im Nachlass von Otfried Preußler gefunden wurde. Und im November machen wir mein heimliches Lieblingsstück, das ist von Carsten Brandau und trägt den großartigen Titel: „Sagt der Thunfisch zum Walfisch“. Wieder ein Stück für die ganz Kleinen. Aber diesmal gehen wir auf die große Bühne und die Kinder dürfen auf der Bühne sitzen und erleben eine Freundschaftsgeschichte, die auch eine Arche-Noah-Geschichte wird. Sehr poetisch. Das tollste ist: All diese Stücke sind natürlich auch, aber nicht nur, für Erwachsene geeignet.
biograph: Vielen Dank für das Gespräch!
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