Sie sind zu klug. Sie merken alles. Der Titel der letzten Ouvertüre „Trinkpäckchen im Panic Room“ sprengte mein Postfach mit Fragezeichen, die es nun in Ausrufezeichen zu verwandeln gilt. Was die kryptische Überschrift bedeuten solle, schrieben mir einige. Ob ich meschugge werde, fragte eine Freundin. Eigentlich hatte ich die Bedeutung des Titels in einem PS unter dem Text erklärt.
Jetzt könnte ich schreiben, dass mein Dackel diesen Zusatz fraß, das wäre aber geschwindelt. In Wahrheit flatterte am Tag der Kolumnen-Abgabe ein Krauskopfpelikan durch die Carlstadt, quetschte seinen Wasservogelleib durch das gekippte Fenster der Redaktion, begrüßte uns auf altfranzösisch, schmierte mir ein Butterbrot und versteckte dabei das Zettelchen, auf dem das PS stand, unter seinem Zylinder, den er zum Abschied nicht lupfte, wie er es zur Begrüßung getan hatte. Das hätte uns stutzig machen müssen. Doch wir mochten ihn zu sehr, um ihm Heimtücke zu unterstellen. Als ich bemerkte, dass meinem Text etwas fehlte, war er längst fort, und die Druckerpresse lief bereits. Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen. Ich hob ab, flog los, bis ich ihn allein auf einem Tandem hockend im Kaspischen Meer fand und zur Rede stellte. Ein beherzter Griff in seinen Unterschnabel brachte mir meine Worte zurück: „‚Trinkpäckchen im Panic Room‘ ist ein Eintrag vom 21. Dezember 2021 in dem Notizbuch, das mit mir im Bett liegt, das morgens die ersten Buchstaben des Tages und die Überbleibsel der Nacht einfängt. Und… ich habe selbst keinen blassen Schimmer, was er bedeutet.“
Da wir das geklärt haben, sollten wir über Beuys sprechen. Oder eher darüber, dass meine Liebe zu ihm ziemlich wenig mit seiner Kunst zu tun hat. Zwar geht es bei dieser Zuneigung irgendwie auch um Fett, aber nicht um Filz, sondern um eine Frau, ein Schloss und das Betuppen meines Vaters.
Als ich ein Vorschulkind war, begann eine Familien-Tradition: Einen Sonntag im Monat würden wir gemeinsam ein Museum besuchen. Wir waren bei Picasso, Dalí, Niki de Saint Phalle… und ich meist mittelschwer gelangweilt. Nach wenigen Monaten bettelte ich darum, ausschließlich zum Museum Schloss Moyland – einem Wasserschloss bei Kleve – zu fahren. Dort befand sich schon damals die weltgrößte Sammlung von Beuys-Werken. Heute ist es außerdem die weltweit einzige Forschungseinrichtung zu ihm. Mein Vater freute sich, stimmte zu und prahlte im Bekanntenkreis: „Das Kind checkt nicht bloß Kunst. Das Kind checkt BEUYS!“ Tatsächlich aber war es so: Während er draußen Hortensienblütenbälle bewunderte und den Skulpturenpark durchquerte, schob die Dame an der Kasse mir zwinkernd einen Marsriegel zu, mit dem ich schmatzend von Arbeit zu Arbeit spazierte. Jedes Mal.
Bis heute schmecken Hasengräber und Eichen für mich nach Karamell und Komplizinnenschaft. Und bis heute verstehe ich mich auf Anhieb blendend mit Museumspersonal. Denn: Diese Besuche haben dafür gesorgt, dass ich Museen als Genussgarant abgespeichert habe. Ich wünsche mir von meinen Eltern jedes Jahr zum Geburtstag die Art:card, eine Jahreskarte, die mir freien Eintritt in alle Düsseldorfer Museen beschert, schlendre jedes Wochenende durch eine Ausstellung in unserer Stadt und mauserte mich vom Marsmädchen zu einer trittsicheren Kulturkanone, obwohl ich mich noch heute jedes verdammte Mal auf der Insel Hombroich verirre.
Dass nach zweijähriger Zwangspause am 11. Juni wieder die Düsseldorfer Nacht der Museen stattfindet, ist deshalb natürlich mein Juni-Highlight. Es ist das 20. Mal, dass wir in unserer Stadt von 19 bis 2 Uhr morgens zahlreiche Kulturinstitute von Aquazoo bis Weltkunstzimmer besuchen können. Ich mach durch. Machen Sie mit?
Sincerely & emphatically
Anne Florack
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