Neulich träumte ich, wir alle müssten ausschließlich Berufen nachgehen, die mit dem Anfangsbuchstaben unseres Vornamens beginnen. Das weiß ich, weil neben meinem Kopfkissen ein Notizbuch liegt, in dem ich mit einem Druckbleistift Träume notiere. Meist schwebe ich dabei noch zwischen Nacht und Tag. Was auf den Seiten landet, ist oft kryptisches Gekritzel. Dennoch oder gerade deshalb sind Notizbücher für mich das letzte Refugium genuiner Geheimniskultur. Das letzte Refugium genuiner Geheimniskultur? Was für ein Großkotzausdruck. Wird mir soeben auch klar.
Ganz und gar unklar ist allerdings, warum ich das Wort „Kokolores“ so selten verwende. Das steht nämlich in meinem anderen Notizbuch. Ich habe aktuell vier monothematische Notizbücher. Eins für nach der Nacht, eins für gute Wörter (jüngste Einträge: „verplempern“, „Humbug“, „Schabernack“, „Kinkerlitzchen“), eins für ungute Wörter („interessant“, „irgendwie“, „picobello“) und eins für Lieblingstiere, aber das ist eine andere Geschichte. In meiner Vergangenheit gab es durchaus Literatur-, Musik- und Männervorlieben, die ich rückblickend als Irrtum bezeichnen würde. Bei Notizbüchern dagegen bin ich sicher: Sie sind das letzte Refu… es reicht! Eine solide Langzeitliebe. Das sind sie.
Stabil verliebt bin ich außerdem in die Band International Music. Live sah ich sie zuletzt, bevor Wörter wie „Extraktionspuffer“ und „Nasen-Rachenabstrich“ in unseren Alltag fanden. Zwei Freunde und ich fuhren dafür an einem Donnerstagabend mit dem Zug nach Köln. Unter der Decke der dürftig belüfteten Bar sammelte sich Ausdünstungsgewölk, das sich tröpfelnd in die Kaltgetränke mischte, die wir Arm in Arm schlürften. In der Bahn nach Hause biss ich in ein Knoppers, während sich hinter uns jemand in seinen Rucksack erbrach. Ich hatte zu jenem Zeitpunkt keine Ahnung, wie kostbar solche Nächte sind. Wie utopisch sie sich wenige Wochen später anfühlen würden.
Am 11. Mai spielen International Music endlich im zakk in Düsseldorf das Konzert zu ihrer neuen Platte „Ententraum“. Die war damals noch Zukunftsmusik. Es ist nach zwei Jahren strenger Zurückhaltung das erste Konzert, was ich besuchen werde. Wenn ich mir vorstelle, wie beim Song „Raus ausm Zoo“ alle das Megamantra „Ich nehm Dich mit nach Düsseldorf“ wieder und wieder singen, verwandelt sich mein Herz in einen überschwappenden Vorfreude-Kanister.
Jaja. Kennerinnen und Kenner recken längst schnipsend die Finger gen Decke im Bescheidwissenschaftszentrum, und ich kann mir ebenfalls nicht verkneifen zu erwähnen, dass Peter und Pedro, die Gründer von International Music, auch die Köpfe einer anderen fantastischen Band sind, und zwar von niemand Geringerem als: The Düsseldorf Düsterboys.
Damit wir nun keine weiteren Minuten mit meinen Schwärmereien verplempern, tun Sie doch bitte das Gegenteil von Kokolores, senden Sie mir Ihr Lieblingswort an ouverture@biograph.de und wir sehen uns am 11. Mai im zakk. Okay? Picobello!
Sincerely & emphatically
Anne Florack
PS: Ich erzählte meinem Freund Tom von dem Traum mit den Buchstabenberufen. „Was wärst Du wohl?", wollte ich wissen. Seine Antwort kam prompt: „Tanzmariechen."
PPS: „Trinkpäckchen im Panic Room" ist eine Nachtnotiz vom 21. Dezember 2021. Glauben Sie mir, ich habe keinen blassen Schimmer.
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