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Jules und Jim

Paris, 1962 - Chronologie eines Kinojahres

Filmreihe vom 1. – 27.10. im Filmmuseum Düsseldorf

Ende der 1950er-Jahre beginnt in Paris eine Gruppe von Regisseur*innen das französische Kino zu erneuern – eine Reaktion auf das starre und studiogebundene Kino der 1950er-Jahre. Angeführt von François Truffaut und weiteren Kollegen der Filmzeitschrift Cahiers du Cinema entsteht die „Nouvelle Vague“.

Ab 1958 erscheinen zahlreiche Debutfilme neuer Filmschaffender. Das Jahr 1962 markiert dabei einen Wendepunkt: Die meisten Filmemacher*innen der Nouvelle Vague haben ihre ersten Versuche hinter sich gelassen, ihre Filme werden fester Bestandteil der Pariser Kinolandschaft, sie haben sich etabliert. Im Dezember 1962 berichtet die Filmzeitschrift Cahiers du Cinema mit einer Sondernummer erstmalig über die Nouvelle Vague und verankert diese Strömung als elementaren Bestand­teil in der französischen Filmkultur.

Die Filmreihe „Paris 1962“ präsentiert Filme, die in der französischen Hauptstadt gedreht und in diesem prägnanten Jahr in den Pariser Kinos gesehen und rezipiert wurden. Wie haben die Kinogänger*innen dieses Kinojahr erlebt? Welche Um­stände prägten das Filmgeschehen?

Eine der ersten interessanten Pariser Kinoveröffentlichungen im Jahr 1962 ist VIE PRIVÉE von Louis Malle, der ab dem 31. Januar Brigitte Bardot in der Hauptrolle präsentiert und so den Mythos um ihre Person behandelt. Bardot befindet sich auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, sie und ihre Ehe mit dem Schauspieler Jacques Charrier wird von der Boulevard-Presse genau beobachtet und kommentiert. Noch ahnt niemand, dass bereits im Jahr 1963 die Scheidung folgen wird.

Ebenfalls im Januar bringt François Truffaut JULES ET JIM ins Kino. Er und seine Hauptdarstellerin Jeanne Moreau werden noch im selben Jahr mit dem Étoile de Cristal der französischen Filmakademie für den besten französischen Film und die beste Darstellerin ausgezeichnet.

Der Februar 1962 wird zu einem nationalen Trauma: Bevor Frankreich und Algerien im März 1962 in Évian-les-Bains einen Friedensvertrag unterzeichnen, kommen während einer Demonstration gegen den Algerienkrieg an der Metrostation Cha­ronne neun Personen durch Polizeigewalt ums Leben. In Krisensituationen dürstet es den Menschen nach Ablenkung. Jacques Demy dreht seine Filme außerhalb von Paris und ist ein gutes Beispiel für ein bewusst unbeschwertes Kino, das trotz eskapistischem „Gestus“ den Algerienkrieg rückblickend nicht ausklammert. Am 18. März gewinnt Isabelle Aubret in Luxemburg mit dem Lied „Un premier amour“ für Frankreich die siebte Auflage des Eurovision Song Contest. Jacques Demy wird auf sie aufmerksam und sieht sie für eine Hauptrolle in LES PARAPLUIES DE CHERBOURG (1964) vor. Der Plan wird sich nicht umsetzen lassen, da Isabelle Aubret vor Drehbeginn einen schweren Autounfall hat. Jacques Demys Ehefrau Agnès Varda bringt am 11. April 1962 ihren zweiten Spielfilm CLÉO DE 5 À 7 auf die Pariser Leinwände, der sich zum einen ins Private zurückzieht und zum anderen Paris als zweite Hauptdarstellerin inszeniert. Die Filmkritikervereinigung Asso­ciation Française de la Critique de Cinéma kürt den Film zum besten französischen Film des Jahres und zeichnet ihn mit dem Prix Méliès aus. Wenige Tage später, am 16. April, wird Georges Pompidou Premierminister Frankreichs.

Das Jahr 1962 ist eines der fruchtbarsten in der Geschichte des Jazz. Dies macht sich auch in Paris bemerkbar: Charles Aznavour gibt eines seiner legendären Konzerte am 3. April 1962 in Paris und Ray Charles spielt zwischen dem 17. und dem 25. Mai eine Reihe von Konzerten im Olympia. Die Regisseure der Nouvelle Vague inszenieren ihre Filme ebenfalls mit großer Lust an der Improvisation und die aus den USA stammende Populärkultur übt eine große Faszination auf sie aus. Möglicherweise sind Jean-Luc Godard, Louis Malles oder François Truffaut auf einigen der zahlreichen Jazzkonzerte in diesem Jahr in Paris anzutreffen. Am 3. Juni 1962 wird eine Boeing 707-328B der Air France, die sich auf dem Flug nach New York-Idlewild befand, bei einem missglückten Startabbruch auf dem Flughafen Paris-Orly vollständig zerstört. Zu Beginn des Jahres drehte Marker dort noch seinen Fotofilm LA JETÉE. In einem Interview erläutert er rückblickend, er habe eine Geschichte fotografiert, die er selbst nie ganz verstanden habe. Später im Sommer findet die 49. Tour de France statt, die am 24. Juni in Nancy beginnt und am 15. Juli in Paris endet. Jacques Anquetil gewinnt nicht nur das Rennen, sondern stellte mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 37,306 km/h auch einen neuen Geschwindigkeitsrekord auf. Louis Malle dokumentiert das große Sport-Event in seinem Film VIVE LE TOUR. Das gedrehte Material wird Malle allerdings erst Jahre später auf dem Schneidetisch montieren.

Nachdem Romy Schneider auf der Suche nach anspruchsvollen Rollen 1958 nach Paris gegangen war, sind nach Engagements am Theater im Jahr 1962 ihre ersten bedeutenden Filme im Kino zu sehen: BOCACCIO 70, LE PROCÉS und im September Alain Cavaliers LE COMBAT DANS LÎLE. Der Film ist stark von den Ereignissen rund um die rechtsextremistischen Umtriebe der französischen Terrororganisation OAS („Organisation de l‘armée secrète“) beeinflusst, deren mörderische Machen­schaf­ten in den Jahren 1961 und 1962 in Paris ihren Höhe­punkt fanden. Im selben Monat startet VIVRE SA VIE, der bereits vierte Spielfilm von Jean-Luc Godard, in den französischen Kinos. Godard reizt als Essayist mit hohem formalistischen Anspruch den Regelbruch maximal innovativ aus. In der Hauptrolle ist seine damalige Ehefrau Anna Karina zu sehen.

Im Dezember schließt das Kinojahr 1962 mit einer Ausgabe der Filmzeitschrift Cahiers du Cinema, die ausschließlich dem Thema „Nouvelle Vague“ gewidmet ist. Neben Interviews mit Godard, Chabrol und Truffaut werden 162 (!) neue französische Filmschaffende präsentiert, denen bescheinigt wird, durch ihre formal- ästhetischen Qualitäten Teil der Nouvelle Vague zu sein. Ebenso schnell wie die Regisseur*innen der Nouvelle Vague das französische Kino kaperten, erneuerten und weltweilt Einfluss auf das Film- geschehen nahmen, wird auch ihr Ende attestiert. So schrieb der Regisseur (und Kritiker dieser Strömung) Michel Audiard bereits im Jahr 1959 „Die Nouvelle Vague ist tot.“

Im Kurzfilm LE CINÉMATHÈQUE FRANÇAIS gesteht Jean Herman den Pro­ta­go­nisten der Nouvelle Vague einen weitreichenderen Einfluss zu. Bei den Re­gisseuren handele es sich um „junge Männer, die das Kino von morgen in sich tragen.“

PROGRAMMÜBERSICHT

DI 1.10. 20 Uhr | SA 5.10. 21 Uhr
LE PARIS DES MANNEQUINS
F 1962 · 11 min · OmeU · digitalDCP · ab 18 · R: François Reichenbach · K: Jean-Marc Ripert

VIE PRIVÈE · PRIVATLEBEN
F 1962 · 104 min · OmeU · digital1080p · FSK 16 · R: Louis Malle · B: Jean-Paul Rappeneau, Louis Malle, Jean Ferry · K: Henri Decaë · D: Brigitte Bardot, Marcello Mastroianni, Nicolas Bataille, Dirk Sanders u.a.

DO 3.10. 17.30 Uhr | SA 5.10. 18.45 Uhr
LE CINÉMATHÈQUE FRANÇAIS 
F 1962 · 9 min · OmeU · digitalDCP · ab 18 · R/B: Jean Herman · K: Denys Clerval

JULES ET JIM · JULES UND JIM
F 1962 · 105 min · DF · 35mm · FSK 18 R: François Truffaut · B: François Truffaut, Jean Gruault nach einer Vorlage von Henri-hé · K: Raoul Coutard · D: Jeanne Moreau, Oskar Werner, Henri Serre u.a.

SO 6.10. 17 Uhr | SA 12.10. 18.45 Uhr
DANS LE VENT
F 1962 · 8 min · OmeU · digitalDCP · ab 18 · R: Jacques Rozier, William Rozier · B: Denise Dubois-Jallais, Jacques Rozier · K: Willy Kurant

CLÉO DE 5 À 7 · CLEO – MITTWOCH ZWISCHEN 5 UND 7
F 1962 · 90 min · OmeU · 35mm · FSK 16 · R/B: Agnès Varda · K: Paul Bonis, Alain Levent, Jean Rabier · D: Corinne Marchand, Antoine Bourseiller, Dominique Davray u.a.

SA 12.10. 20.30 Uhr | FR 18.10. 18.45 Uhr
VIVE LE TOUR
F 1962 · 18 min · OmU · digitalDCP · FSK 6 · R/B: Louis Malle · K: Ghislain Cloquet, Jacques Ertaud, Louis Malle

LE SIGNE DU LION · IM ZEICHEN DES LÖWEN
F 1962 · 103 min · DF · 35mm · FSK 16 · R/B: Éric Rohmer · K: Nicolas Hayer D: Jess Hahn, Van Doude, Michèle Girardon u.a. • Kinostart: 3. Mai 1962

FR 18.10. 20.45 Uhr | FR 25.10. 18.30 Uhr
LE COMBAT DANS L‘ÎLE · DER KAMPF AUF DER INSEL 
F 1962 · 104 min · DF · digitalDCP · FSK 16 · R: Alain Cavalier · B: Alain Cavalier, Jean-Paul Rappeneau · K: Pierre Lhomme D: Romy Schneider, Jean-Louis Trintignant, Henri Serre u.a.

SA 19.10. 21 Uhr | SO 27.10. 15 Uhr
THÉRÈSE DESQUEYROUX · DIE TAT DER THERESE D. 
F 1962 · 109 min · DF · 35mm · FSK 16 · R: Georges Franju · B: François Mauriac, Claude Mauriac, Georges Franju nach einer Vorlage von Claude Mauriac · K: Christian Matras · D: Emmanuelle Riva, Philippe Noiret, Edith Scob u.a.

SO 20.10. 15 Uhr | FR 25.10. 20.30 Uhr
LA JETÉE · AM RANDE DES ROLLFELDS
F 1962 · 28 min · OmeU · digitalDCP · ab 18 · R/B: Chris Marker · K: Jean Chiabaut, Chris Marker · D: Hélène Châtelain, Davos Hanich, Jacques Ledoux

VIVRE SA VIE · DIE GESCHICHTE DER NANA S.
F 1962 · 83 min · DF · 35mm · FSK 12 · R: Jean-Luc Godard · B: Jean-Luc Godard, Marcel Sacotte · K: Raoul Coutard · D: Anna Karina, Sady Rebbot, André S. u.a.

BLACK BOX – Kino im Filmmuseum der Landeshauptstadt Düsseldorf
Schulstraße 4
40213 Düsseldorf
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Telefon 0211 8 99 22 32
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