Irgendwie hat alles angefangen mit den Coen-Brothers. Damals, 1994, hatte ich gerade mein Chemie-Studium abgeschlossen und es drohte ein Job bei Bayer Leverkusen. Doch der 2. Golfkrieg hatte gerade eine Wirtschaftskrise ausgelöst und (nicht nur) in der chemischen Industrie herrschte Einstellungsstopp. Ich hatte schon vor zehn Jahren das Studentenkino an der Heinrich-Heine-Universität mitbegründet und plötzlich gab es eine Möglichkeit, ein leerstehendes Kino zu übernehmen. Ein Jahr nach der Wiedereröffnung des Café Muggels war auch das Kino wieder spielfertig, und tatsächlich bekam ich den Zuschlag. Ganz zum Verdruss meines Vaters, der mich lieber bei Bayer mit einem sicheren Job gesehen hätte.
Die Wiedereröffnung war famos, alle wollten sehen, wie das neue Souterrain aussieht. Doppelt so viele Plätze, getrennte Toiletten und eine Lüftungsanlage, aber immer noch Raucherlaubnis. Doch auf die erfolgreiche Eröffnung folgte ein Jahrhundertsommer, wie wir ihn heute fast jährlich haben. Die Temperaturen stiegen und die Zuschauerzahlen fielen. So saß ich beinahe jeden Abend in meinem neuen Kino (Personal konnte ich mir noch nicht leisten) und hatte viel Zeit, darüber nachzudenken, ob mein Vater nicht doch Recht gehabt hatte.
Wir spielten meinen damaligen Lieblingsfilm: THE HUDSUCKER PROXY von den Coen Brothers, den ich mir jeden Abend mit einer Handvoll Zuschauer oder auch mal alleine anschaute. Ich kann mich noch gut an das elektronische Billboard (wie am Flughafen) erinnern, nur dass es freie Stellen anzeigte und in der letzten Spalte wie viele Jahre Berufserfahrung man haben musste, um sich auf sie bewerben zu können. Genau meine damalige Situation.
Nun, heute weiß ich, dass der Sommer fürs Kino saure Gurkenzeit ist, und tatsächlich wurden die Zahlen im Herbst wieder besser. Als im Februar die Berlinale anstand, bekam ich von der 20th Century Fox eine Einladung zur Premiere des neuen Coen-Films. THE BIG LEBOWSKI war ein Mordsspaß, und anschließend ging es ins Bowling-Center auf dem Kudamm, zum Bowlen mit den Coen-Brother und John Turturro, der jeden von uns herausfordern wollte. Leider war John Goodman nicht dabei, aber dafür gab es White Russian, soviel man wollte.
Das war dann wohl die Zeit, wo ich mir selbst attestierte, mit der Berufswahl doch alles richtig gemacht zu haben. Heute, fast 30 Jahre später, haben mich viele gebeten, einen letzten Film für das Souterrain auszusuchen. Und wieder musste ich an die Coens denken: NO COUNTRY FOR OLD MAN kam mir in den Sinn. Tommy Lee Jones war immer schon einer meiner Lieblingsschauspieler, mit dessen Rollen ich mich meist leicht identifizieren konnte. Hier spielt er einen in die Jahre gekommenen Sheriff. Eigentlich hätte er den Job auf Ewigkeiten weitermachen können, aber die Welt um ihn herum ändert sich in unvorhersehbarer Weise und mit immer größerem Tempo. Am Ende muss er feststellen, dass er eine gute Zeit hatte, aber wohl nicht mehr hierher gehört.
Wir zeigen den Film am 30.6.2023 um 20 Uhr und bieten danach die Möglichkeit, den Abend und die Ära Souterrain an der Bar ausklingen zu lassen. Noch ein letztes Mal kann man sich im Souterrain treffen, gemeinsam einen Film schauen und noch bei einem Glas Wein über Vergangenes und Zukünftiges schwadronieren.
Am 29.6. um 18 Uhr
Jim Jarmusch-Double-Feature zum Abschied:
DEAD MAN
USA, Deutschland 1995 - 121 Min. - s/w – OmU - Regie: Jim Jarmusch. Mit Johnny Depp, Gary Farmer, Crispin Glover u.a.
Am 29.6. um 21 Uhr
GHOST DOG
USA 1999 - 116 Min. - OmU - Regie: Jim Jarmusch. Mit Forest Whitaker, Isaach de Bankole, John Tormey, Cliff Gorman u.a.
Am 30.6. um 20 Uhr
NO COUNTRY FOR OLD MEN
USA 2007 - 122 Min. - Cannes 2007, 2 Golden Globes 2008, 4 Oscars 2008 - Regie & Drehbuch: Joel & Ethan Coen. Mit Josh Brolin, Javier Bardem, Tommy Lee Jones, Woody Harrelson u.a.
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