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Goldener Bär für Taxi

65. Berlinale 2015

Ein Festivalbericht von Kalle Somnitz & Anne Wotschke

Um als A-Festival bestehen zu können, gilt es zwei Erwartungen zu erfüllen: genügend Stars auf dem Roten Teppich und die Auswahl der weltweit besten Filme. Mit beiden Kritierien hat sich die Berlinale immer schon schwer getan. Zum einen defilieren die großen Stars zur Zeit lieber in Hollywood von einem Oskar-Bankett zum nächsten als in Berlin über den verschneiten Roten Teppich zu staksen, und zum anderen will jeder Regisseur mit seinem Film lieber nach Cannes als nach Berlin. Festivaldirektor Dieter Kosslick hat diese Zwickmühle auch in diesem Jahr mit Zugeständnissen an den Mainstream gelöst, dessen trauriger Höhepunkt die Gala-Premiere von „50 Shades of Grey“ war. Und wenn er schon nicht mit den qualitativ besten Filmen aufwarten kann, dann doch wenig­stens mit politisch anspruchsvollen. So wurde Kosslick auch nicht müde, immer wieder darauf hinzuweisen, welche Katastrophen sich auf der Welt ab­spielen, während wir am Potsdamer Platz feiern, dass sich all dieses Leid aber auch in vielen Filmen widerspiegelt, die die Berlinale zum Ort der Reflexion über das aktuelle Weltgeschehen machen.
In diesem Sinne konnte sich der Festivaldirektor über das Votum seiner Jury freuen, die den Goldenen Bären an Jafar Panahis Film TAXI vergab. Der iranische Regisseur, der bereits mit OFFSIDE den Silbernen Bären gewann und sich der Grünen Revolution anschloss, steht seit 2010 unter Hausarrest und erfährt große internationale Solidarität. Kosslick hatte ihn bereits vor vier Jahren in die Jury berufen, doch sein Stuhl blieb leer, weil er nicht ausreisen durfte, wie auch in diesem Jahr, weshalb der Goldene Bär von seiner kleinen Nichte in Empfang genommen wurde. Das sind emotionale Bilder, die um die Welt gehen.
Trotz des Berufsverbotes ist es Panahi mal wieder gelungen, heimlich einen Film zu drehen und ihn an den Behörden vorbei an ein internationales Festival zu lancieren. In Teheran fährt er ein Taxi, das er mit Kamera und Mikrofon so präpariert hat, dass er seine Fahrgäste aufnehmen kann. So entsteht ein illustres Porträt einer Stadt, in der vieles verboten ist, woran sich aber nur wenige halten. Panahis Film ist erstaunlich unbeschwert, seine Fahrgäste bestehen im weitesten Sinne aus „family & friends“, die uns einen kleinen Einblick in die iranische Gesellschaft geben. Allzu kritisch geht es dabei nicht zu, was den Restrik­tionen geschuldet sein mag, dafür punktet Panahi mit seiner offenherzigen Freund­lichkeit, zeigt, dass die Menschen nach wie vor das Beste aus der Gän­gelei durch das System machen, und versetzt den Zuschauer in eine Situation, die ihn automatisch solidarisch werden lässt. In Berlin kam der Film nicht nur bei der Jury gut an, sondern bewegte auch die Herzen von Presse und Publikum.
Großartiges Schauspielerkino bietet dagegen Um als A-Festival bestehen zu können, gilt es zwei Erwartungen zu erfüllen: genügend Stars auf dem Roten Teppich und die Auswahl der weltweit besten Filme. Mit beiden Kritierien hat sich die Berlinale immer schon schwer getan. Zum einen defilieren die großen Stars zur Zeit lieber in Hollywood von einem Oskar-Bankett zum nächsten als in Berlin über den verschneiten Roten Teppich zu staksen, und zum anderen will jeder Regisseur mit seinem Film lieber nach Cannes als nach Berlin. Festivaldirektor Dieter Kosslick hat diese Zwickmühle auch in diesem Jahr mit Zugeständnissen an den Mainstream gelöst, dessen trauriger Höhepunkt die Gala-Premiere von „50 Shades of Grey“ war. Und wenn er schon nicht mit den qualitativ besten Filmen aufwarten kann, dann doch wenig­stens mit politisch anspruchsvollen. So wurde Kosslick auch nicht müde, immer wieder darauf hinzuweisen, welche Katastrophen sich auf der Welt ab­spielen, während wir am Potsdamer Platz feiern, dass sich all dieses Leid aber auch in vielen Filmen widerspiegelt, die die Berlinale zum Ort der Reflexion über das aktuelle Weltgeschehen machen.
In diesem Sinne konnte sich der Festivaldirektor über das Votum seiner Jury freuen, die den Goldenen Bären an Jafar Panahis Film TAXI vergab. Der iranische Regisseur, der bereits mit OFFSIDE den Silbernen Bären gewann und sich der Grünen Revolution anschloss, steht seit 2010 unter Hausarrest und erfährt große internationale Solidarität. Kosslick hatte ihn bereits vor vier Jahren in die Jury berufen, doch sein Stuhl blieb leer, weil er nicht ausreisen durfte, wie auch in diesem Jahr, weshalb der Goldene Bär von seiner kleinen Nichte in Empfang genommen wurde. Das sind emotionale Bilder, die um die Welt gehen.
Trotz des Berufsverbotes ist es Panahi mal wieder gelungen, heimlich einen Film zu drehen und ihn an den Behörden vorbei an ein internationales Festival zu lancieren. In Teheran fährt er ein Taxi, das er mit Kamera und Mikrofon so präpariert hat, dass er seine Fahrgäste aufnehmen kann. So entsteht ein illustres Porträt einer Stadt, in der vieles verboten ist, woran sich aber nur wenige halten. Panahis Film ist erstaunlich unbeschwert, seine Fahrgäste bestehen im weitesten Sinne aus „family & friends“, die uns einen kleinen Einblick in die iranische Gesellschaft geben. Allzu kritisch geht es dabei nicht zu, was den Restrik­tionen geschuldet sein mag, dafür punktet Panahi mit seiner offenherzigen Freund­lichkeit, zeigt, dass die Menschen nach wie vor das Beste aus der Gän­gelei durch das System machen, und versetzt den Zuschauer in eine Situation, die ihn automatisch solidarisch werden lässt. In Berlin kam der Film nicht nur bei der Jury gut an, sondern bewegte auch die Herzen von Presse und Publikum.
Großartiges Schauspielerkino bietet dagegen 45 YEARS, gekrönt durch den gemeinschaftlichen Darsteller-Bären an Charlotte Rampling und Tom Courtenay. Die beiden spielen das Ehepaar Geoff und Kate, das schon 45 Jahre zusammen ist und sich immer noch gut versteht. Man geht liebevoll miteinander um und ist voll Vorfreude auf das Ehejubiläum, für das eine große Feier mit Freunden und Bekannten geplant ist. Doch die unerwartete Nachricht, dass die Leiche von Geoffs früherer Freundin Katya, die vor Jahrzehnten bei einem Unfall in eine Gletscherspalte gefallen war, gefunden wurde, stiftet Unruhe im harmonischen Eheidyll. Ganz allmählich wird klar, dass Katya einen wichtigeren Platz in Geoffs Leben einnimmt, als Kate geahnt hat und ihr Gefühl, nur als blasse Kopie gedient zu haben, macht ihr enorm zu schaffen. 45 YEARS ist ein Kammerspiel, dem bei aller Melancholie ein stiller Zauber innewohnt, ganz getragen von der Präsenz der beiden Protagonisten Tom Courtenay und ganz besonders Charlotte Ramp­ling, deren Gesicht zu einer Landkarte der Gefühle wird.
Auch Margarete von Trotta war nach Berlin gekommen, im Gepäck ihren neuen Film DIE ABHANDENE WELT, mit dem sie wieder einmal das Schwestern-Thema aufgreift. Doch leider kann das Werk, das zu großen Teilen in Düsseldorf gedreht wurde, nicht überzeugen. Es geht um verdrängte Familiengeheimnisse und die Geschichte hat stark autobiographische Züge – auch von Trotta erfuhr erst nach dem Tod ihrer Mutter, dass sie noch eine Schwester hat. Trotzdem wirkt die Story konstruiert und auch Dialoge und Inszenierung lassen zu wünschen übrig. Schade, wir hätten der Trotta einen ähnlichen Erfolg wie mit ihrer famosen HANNA ARENDT gegönnt. Immerhin kann Katja Riemann erneut ihr Gesangs­talent unter Beweis stellen – in einer schönen Reminiszenz erinnert sie an Ute Lemper, die ebenfalls wie die Protagonistin Caterina Fabiani (Barbara Sukowa) in ihrer Heimat Deutschland geschmäht und dann im Ausland zum Star wurde.
Wim Wenders, ein weiterer Altmeister des Deutschen Films, wurde anlässlich seines in diesem Jahr anstehenden 70. Geburtstages nicht nur eine Werkschau gewidmet, sondern auch der Goldene Ehrenbär für sein Lebenswerk verliehen. Sein neuestes Werk EVERY THING WILL BE FINE lief zwar außer Konkurrenz im Wettbewerb, hätte in diesem aber mit Bravour bestehen können. Ausgangspunkt seiner Handlung ist ein tragischer Unfall. Der Schriftsteller Tomas (James Franco) hat sich nach einer Schreibblockade in eine einsame Hütte im kanadischen Qué­bec zurückgezogen. Als er mit seinem Auto auf einer verschneiten Landstraße unterwegs ist, fährt er nach einer kleinen Unaufmerksamkeit den kleinen Nicolas zu Tode, der ihm vor den Wagen läuft. Fortan ist nicht nur sein Leben auf den Kopf gestellt, sondern auch das von Kate (Charlotte Gainsbourg), der Mutter des Op­fers, und von Christopher, Nicolas’ älterem Bruder. Alle drei hätten zwar besser auf­passen können, doch letztlich trifft keinen wirklich Schuld. Dennoch finden sie nur schwer ins Leben zurück. Der omnipräsente James Franco nimmt sich hier beachtenswert zurück und kann in der Rolle des einsamen, aber auch egoistischen Wolfes brillieren. Wir bemühen uns um eine Vorpremiere in 3D am 30.3. im Atelier!
Ebenfalls außer Konkurrenz war der mit Spannung erwartete ELSER von Oliver Hirschbiegel im Wettbewerb zu sehen. Obwohl das Thema bereits 2009 von Klaus Maria Brandauer (GEORG ELSER) verfilmt wurde, ist Hirschbiegel ein komplett anderer Film gelungen, der dort anfängt, wo der alte aufhört. Während Brandauer die Vorbereitungen auf das Hitler-Attentat im Münchner Bürgerbräukeller minutiös beschreibt, beginnt Hirschbiegel mit der Flucht des Attentäters. Doch schon bald fällt er einer Polizeistreife auf und wird festgenommen. Die mitgeführten Bom­­benbaupläne lassen die Beamten bald Verdacht schöpfen und als sich die Nachricht vom Anschlag verbreitet, macht es wenig Sinn zu leugnen. Doch die Ver­hörer von SS und Gestapo sind mit seinem Schuldbekenntnis nicht zufrieden. Sie wollen die Hintermänner aus ihm rauspressen und glauben ihm nicht die Einzel­täterschaft. In Rückblenden, meist während Folterszenen, erfahren wir mehr über den hochbegabten schwäbischen Jungen, über seine Familie, seine Gelieb­te, das Dorf, in dem er aufgewachsen ist und wie er sich als Musikant und Hilfs­arbeiter durchs Leben schlägt. Auch die politische Entwicklung bleibt nicht außen vor und lässt Elsers Plan reifen, etwas gegen das Naziregime zu tun.
Im Wettbewerb ging Andreas Dresens Romanverfilmung ALS WIR TRÄUM­TEN mit großen Vorschusslorbeeren für Deutschland ins Rennen. Da er schon in diesem Monat in unseren Kinos startet, finden sie nebenstehend unsere Kritik.
Dennoch war aus deutscher Sicht Sebastian Schipper, der bereits mit seinem Erstling ABSOLUTE GIGANTEN einen Achtungserfolg erzielte, der große Gewinner dieser Berlinale. Sein Film VIKTORIA erhielt völlig zu Recht den Silbernen Bär für eine herausragende künstlerische Leistung. Gemeint war damit der Kameramann Sturla Brandth Grovlen, der den ganzen Film in einem Take drehte und damit eine ausgesprochen sportliche Leistung bot. Der standen aber alle anderen Team­mit­glieder und vor allem die Schauspieler nicht nach, denn wenn nur einer einen Fehler machte, konnte das den ganzen Film gefährden. Sicherlich kann ein solcher Film nicht in allen Punkten perfekt sein, aber man geht ja auch nicht in den Zoo, um Tiere aus dem Streichelzoo zu sehen, erklärte Schipper auf der Pressekon­ferenz. „Die wilden Tiere will man sehen!“ und dieses Bild lässt sich ganz gut auf seinen Genre-Film anwenden, der zwar nicht viel mehr als einen Banküberfall und die merkwürdig spontane Freundschaft einer Spanierin zu vier Berliner Jungs erzählt, dabei aber immer zu hundert Prozent unter Strom steht. Adrenalin pur verspricht dieses Kinovergnügen, dessen Prämisse den ganzen Film ohne einen einzigen Schnitt zu drehen, nicht fürs Guinessbuch der Rekorde gedacht war, sondern durchspielt, was sich durch diese Voraussetzung verändert. Ohne festgelegte Dialoge, mit loser Handlung, wird hier improvisiert, was das Zeug hält und alle Beteiligten sind hellwach und spielen am Rande des Nervenzusammenbruchs, wodurch der Film seine atemlose Spannung in den Zuschauerraum verbreitet und zu einem Filmerlebnis führt, was schauspielerisch eine Wahrhaftigkeit wie im Theater aufweist und dennoch alle Vorteile des Kinos nutzt. Für uns war das die Entdeckung der diesjährigen Berlinale. gekrönt durch den gemeinschaftlichen Darsteller-Bären an Charlotte Rampling und Tom Courtenay. Die beiden spielen das Ehepaar Geoff und Kate, das schon 45 Jahre zusammen ist und sich immer noch gut versteht. Man geht liebevoll miteinander um und ist voll Vorfreude auf das Ehejubiläum, für das eine große Feier mit Freunden und Bekannten geplant ist. Doch die unerwartete Nachricht, dass die Leiche von Geoffs früherer Freundin Katya, die vor Jahrzehnten bei einem Unfall in eine Gletscherspalte gefallen war, gefunden wurde, stiftet Unruhe im harmonischen Eheidyll. Ganz allmählich wird klar, dass Katya einen wichtigeren Platz in Geoffs Leben einnimmt, als Kate geahnt hat und ihr Gefühl, nur als blasse Kopie gedient zu haben, macht ihr enorm zu schaffen. 45 YEARS ist ein Kammerspiel, dem bei aller Melancholie ein stiller Zauber innewohnt, ganz getragen von der Präsenz der beiden Protagonisten Tom Courtenay und ganz besonders Charlotte Ramp­ling, deren Gesicht zu einer Landkarte der Gefühle wird.
Auch Margarete von Trotta war nach Berlin gekommen, im Gepäck ihren neuen Film DIE ABHANDENE WELT, mit dem sie wieder einmal das Schwestern-Thema aufgreift. Doch leider kann das Werk, das zu großen Teilen in Düsseldorf gedreht wurde, nicht überzeugen. Es geht um verdrängte Familiengeheimnisse und die Geschichte hat stark autobiographische Züge – auch von Trotta erfuhr erst nach dem Tod ihrer Mutter, dass sie noch eine Schwester hat. Trotzdem wirkt die Story konstruiert und auch Dialoge und Inszenierung lassen zu wünschen übrig. Schade, wir hätten der Trotta einen ähnlichen Erfolg wie mit ihrer famosen HANNA ARENDT gegönnt. Immerhin kann Katja Riemann erneut ihr Gesangs­talent unter Beweis stellen – in einer schönen Reminiszenz erinnert sie an Ute Lemper, die ebenfalls wie die Protagonistin Caterina Fabiani (Barbara Sukowa) in ihrer Heimat Deutschland geschmäht und dann im Ausland zum Star wurde.
Wim Wenders, ein weiterer Altmeister des Deutschen Films, wurde anlässlich seines in diesem Jahr anstehenden 70. Geburtstages nicht nur eine Werkschau gewidmet, sondern auch der Goldene Ehrenbär für sein Lebenswerk verliehen. Sein neuestes Werk EVERY THING WILL BE FINE lief zwar außer Konkurrenz im Wettbewerb, hätte in diesem aber mit Bravour bestehen können. Ausgangspunkt seiner Handlung ist ein tragischer Unfall. Der Schriftsteller Tomas (James Franco) hat sich nach einer Schreibblockade in eine einsame Hütte im kanadischen Qué­bec zurückgezogen. Als er mit seinem Auto auf einer verschneiten Landstraße unterwegs ist, fährt er nach einer kleinen Unaufmerksamkeit den kleinen Nicolas zu Tode, der ihm vor den Wagen läuft. Fortan ist nicht nur sein Leben auf den Kopf gestellt, sondern auch das von Kate (Charlotte Gainsbourg), der Mutter des Op­fers, und von Christopher, Nicolas’ älterem Bruder. Alle drei hätten zwar besser auf­passen können, doch letztlich trifft keinen wirklich Schuld. Dennoch finden sie nur schwer ins Leben zurück. Der omnipräsente James Franco nimmt sich hier beachtenswert zurück und kann in der Rolle des einsamen, aber auch egoistischen Wolfes brillieren. Wir bemühen uns um eine Vorpremiere in 3D am 30.3. im Atelier!
Ebenfalls außer Konkurrenz war der mit Spannung erwartete ELSER von Oliver Hirschbiegel im Wettbewerb zu sehen. Obwohl das Thema bereits 2009 von Klaus Maria Brandauer (GEORG ELSER) verfilmt wurde, ist Hirschbiegel ein komplett anderer Film gelungen, der dort anfängt, wo der alte aufhört. Während Brandauer die Vorbereitungen auf das Hitler-Attentat im Münchner Bürgerbräukeller minutiös beschreibt, beginnt Hirschbiegel mit der Flucht des Attentäters. Doch schon bald fällt er einer Polizeistreife auf und wird festgenommen. Die mitgeführten Bom­­benbaupläne lassen die Beamten bald Verdacht schöpfen und als sich die Nachricht vom Anschlag verbreitet, macht es wenig Sinn zu leugnen. Doch die Ver­hörer von SS und Gestapo sind mit seinem Schuldbekenntnis nicht zufrieden. Sie wollen die Hintermänner aus ihm rauspressen und glauben ihm nicht die Einzel­täterschaft. In Rückblenden, meist während Folterszenen, erfahren wir mehr über den hochbegabten schwäbischen Jungen, über seine Familie, seine Gelieb­te, das Dorf, in dem er aufgewachsen ist und wie er sich als Musikant und Hilfs­arbeiter durchs Leben schlägt. Auch die politische Entwicklung bleibt nicht außen vor und lässt Elsers Plan reifen, etwas gegen das Naziregime zu tun.
Im Wettbewerb ging Andreas Dresens Romanverfilmung ALS WIR TRÄUM­TEN mit großen Vorschusslorbeeren für Deutschland ins Rennen. Da er schon in diesem Monat in unseren Kinos startet, finden sie nebenstehend unsere Kritik.
Dennoch war aus deutscher Sicht Sebastian Schipper, der bereits mit seinem Erstling ABSOLUTE GIGANTEN einen Achtungserfolg erzielte, der große Gewinner dieser Berlinale. Sein Film VIKTORIA erhielt völlig zu Recht den Silbernen Bär für eine herausragende künstlerische Leistung. Gemeint war damit der Kameramann Sturla Brandth Grovlen, der den ganzen Film in einem Take drehte und damit eine ausgesprochen sportliche Leistung bot. Der standen aber alle anderen Team­mit­glieder und vor allem die Schauspieler nicht nach, denn wenn nur einer einen Fehler machte, konnte das den ganzen Film gefährden. Sicherlich kann ein solcher Film nicht in allen Punkten perfekt sein, aber man geht ja auch nicht in den Zoo, um Tiere aus dem Streichelzoo zu sehen, erklärte Schipper auf der Pressekon­ferenz. „Die wilden Tiere will man sehen!“ und dieses Bild lässt sich ganz gut auf seinen Genre-Film anwenden, der zwar nicht viel mehr als einen Banküberfall und die merkwürdig spontane Freundschaft einer Spanierin zu vier Berliner Jungs erzählt, dabei aber immer zu hundert Prozent unter Strom steht. Adrenalin pur verspricht dieses Kinovergnügen, dessen Prämisse den ganzen Film ohne einen einzigen Schnitt zu drehen, nicht fürs Guinessbuch der Rekorde gedacht war, sondern durchspielt, was sich durch diese Voraussetzung verändert. Ohne festgelegte Dialoge, mit loser Handlung, wird hier improvisiert, was das Zeug hält und alle Beteiligten sind hellwach und spielen am Rande des Nervenzusammenbruchs, wodurch der Film seine atemlose Spannung in den Zuschauerraum verbreitet und zu einem Filmerlebnis führt, was schauspielerisch eine Wahrhaftigkeit wie im Theater aufweist und dennoch alle Vorteile des Kinos nutzt. Für uns war das die Entdeckung der diesjährigen Berlinale.

Kalle Somnitz & Anne Wotschke

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