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Frau Liese wünscht

Von Leuten und Menschen

Schwer fällt es, mit dem Lesen aufzuhören. Das Buch von Anne Berest, „Die Postkarte“ (Berlin Verlag), ist ein so spannender, aufwühlender Familien­roman, der mich tief in die Glanz- und Horrorgeschichten des 20. Jahr­hun­derts bis zum heutigen Tag zieht und mich mit der Frage nach dem MENSCH­SEIN bis zu meinem letzten begleiten wird.

Frau Liese WÜNSCHT sich viele Leser­innen und Leser für diese Geschichte und sie wünscht niemanden mehr die bittere Erfahrung des greisen Urgroßvaters der Autorin: „Es waren so viele Leute und kein einziger Mensch darunter.“

Umso wichtiger finde ich den Platz im Heinrich Heine Haus, Bolkerstr. 53, von dem aus Poesie in die Welt geschickt wird, die wachsam und hellhörig macht „In Zeiten von Krieg und Krise.“(1.-4.9. im Terminkalender) oder „Die Erde steht in den Sternen.“

Den Anfängen wehren wollen offensichtlich auch die Schützen von St. Sebastian. Über die Hammer Dorfstraße erreichte ich die nett geschmückte Mitte von Kappeshamm und staunte: Plakate wiesen auf das beliebte Schützen- und Volksfest vom 2. bis zum 5.9. hin. Auf denen wurde aber auch ein welt­offener Heimatbegriff gebraucht, der sich von RECHTS so gar nicht instrumentalisieren lässt. Ins Auge fällt auf dem schönen Platz „Am Blääk“ ein imposanter Aufsteller, der mit Riesen­lettern das Datum 1933 zeigt und mit dem Untertitel EIN JAHR VERÄNDERT DÜSSEL­DORF auf die noch laufende Sonderausstellung in der Mahn- und Gedenkstätte, Mühlenstr. 29 aufmerksam macht. Bis zum 17.9. noch zu sehen. Fassungslos lernte ich dort das Fürchten. Wie rasend schnell sich in unserer Stadt Gleichschaltung, brutale Ausschaltung und unterwürfige Gehorsamkeit ausbreiten konnten. Und das auch mit Frohsinn im Rosenmontagszug auf lustigen Pappen bejubelt: ONGER ENE HOT. Damals waren die St. Sebastianer mit dabei, denn es war ja KARNEVAL. Heute scheint das anders zu sein und unsere Demokratie gefestigt. Oder?! Mir wurde eiskalt, als mir der Begriff LÜGENPRESSE in der Ausstellung ins Auge fiel. FRAU LIESE WÜNSCHT sich einen regelrechten RUN dorthin.

Wie froh und glücklich mich eine Einladung zur Bar Mitzwah meines jugendlichen Nachbarfreundes in die Synagoge auf der Zietenstraße macht, das können Sie sich denken. Dankbarkeit für mein Hier und Jetzt wechselt mit einer latenten Angst. Und damit meine Seele nicht davon aufgefressen wird, gehe ich feiern. L’chaim! Auf das Leben! Auf die Menschen! Auf die, die wie der Ausnahmemaler Chaim Soutine, GEGEN DEN STROM schwammen und hier in Deutschland weithin unbekannt blieben. Das wird sich mit diesem Festmahl für die Augen ändern. Der leuchtend rot gekleidete Hotelboy, der selbstbewusst und würdevoll über den Grabbeplatz guckt, verrät neben der farblichen Virtuosität auch viel über das Menschenbild des Malers; bei ihm werden die Kleinen groß und stolz gezeigt. In meiner Küche steht die Kunstkarte DER KLEINE KONDITOR. Die Kochmütze sitzt auf dem segelohrigen Jungskopf wie eine hübsche Krone. Frau Liese wünscht der Ausstellung viel Beachtung! Sie geht vom 2.9. bis zum 14.1.24.

Das Ende des Sommers verschmerze ich, weil ich mich sehr auf die neue Kultursaison freue. Schauspielhaus und Oper verraten schon viel auf ihren offenen Festen darüber, wie sie sich mit ihren künstlerischen Möglichkeiten den Themen der Gegenwart stellen. „Den Besuch der alten Dame“ erwarte ich mit Neugier und werde mir in der neuen Spielzeit noch mal die aufregende Inszenierung von Brecht’s DER GUTE MENSCH VON SEZUAN ansehen. Es war aufwühlend, weil es für uns ALLE sehr anstrengend ist, EIN MENSCH zu sein – und dann auch noch GUT.

Mein gegenwärtiger Lieblingsfilm „Das Lehrerzimmer“ verhandelt das Verhältnis von Gerechtigkeit und Selbstgerechtigkeit so genial und bitterböse, dass Frau Liese sich einen OSCAR dafür wünscht.

Wenn sie mich abends auf einer Bank am Rhein sehen, setzen Sie sich gern zu mir, denn ich liebe Gespräche mit MENSCHEN über unsere Stadt. Bis dann mal!

Ingrid Liese

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Frau Liese wünscht.

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