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Wandernde Herzen

Die biograph Buchbesprechung von Thomas Laux

Man stellt sich das Leben der Adligen und Betuchten ja immer so einfach vor, scheinbar sorgenfrei verwalten sie jene alltäglichen Unwägbarkeiten, von denen es im gemeinen Volke dann immer heißt, solcherart Probleme hätte man selber gerne. Womöglich ist das aber zu kurz geblickt. Anhand von Louise de Vilmorins kleinen Roman „Madame de“ (1953 übrigens von Max Ophüls verfilmt, mit Charles Boyer, Vittorio de Sica und Danielle Darrieux in den Hauptrollen) gelangt man unversehens in die schnöden Untiefen eher kleinbürgerlicher Sorgen und Nöte und darf mitansehen, wie das Geld, das den hohen Standard wie selbstverständlich garantieren soll, plötzlich fehlt und wie die moralischen Eckpfeiler – so sie je Standfestigkeit hatten – einer jähen Zersetzung überantwortet sind. Diese Madame ist geschildert als eine allseits bewunderte Frau, ihr Mann anscheinend wohlhabend, doch leider lebt sie trotz bester materieller Voraussetzungen weit über ihren Verhältnisse und sieht sich alsbald gezwungen, heimlich ein Schmuckstück zu veräußern. Es handelt sich dabei um ein paar Brillantenohrringe in Herzform, ausgerechnet das Geschenk des Gatten zur Hochzeit mit ihr. Als der Verlust bzw. das Fehlen der Ohrringe nun auch dem großzügigen Ehemann auffällt und Madame de sich unversehens in ein Gespinst von Lügen und Ausflüchten verstrickt, gerät gleich ein ganzes System aus den Fugen. Die Klunker werden von Monsieur beim Juwelier zurückgekauft, doch jetzt, vorerst der Gipfel der Doppelmoral, schenkt der gekränkte Ehemann sie… seiner Mätresse. Die wiederum wird sie weitab vom Pariser Geschehen an einen Botschafter verkaufen, der seinerseits bald in die Entourage von Madame de gelangt. Er verliebt sich in sie und schenkt ihr eines Tages die Ohrringe, gibt sie sozusagen zurück, obwohl er von der heillosen Verstrickung der ganzen Sache natürlich keinen Schimmer hat. Und so geht es noch einige Male hin und her, der Schmuck wird verkauft und zurückgekauft, mit neuer Bedeutung versehen und geht dabei durch viele Hände.

Das ist zuallererst sehr amüsant, hat zunächst eine deutliche Tendenz zur Komödie, doch trotz der zumeist witzigen und überraschenden Volten – es wird sogar noch in Erwägung gezogen, Kopien der Herzen anzufertigen, was ein schönes Bild der Veruntreuung qua ihrer Reproduzierbarkeit ist – geht die Geschichte am Ende gar nicht glimpflich aus für Madame, nein, sie endet sogar regelrecht tragisch. „Madame de“ erweist sich als ein kleiner Roman mit viel Tiefgang und untergründiger Psychologie, die sich rein aus den Handlungen speist, denn die Protagoisten zeigen sich bei Konfliktlösungen eher wortkarg. Mit der gelebten Leichtfertigkeit im Umgang mit den Insignien der Liebe oder der Treue lotet Louise de Vilmorin (1902-1969) mit wunderbar leichter Feder – Patricia Klobusiczkys Übersetzung ist im übrigen sehr feinsinnig – die Folgen moralischer Erosion aus. Alles erscheint so nett und locker, in Wirklichkeit tun sich da unglaubliche Abgründe auf. Und am Ende wirken alle überrascht, denn das Dilemma ist groß, niemand hat es kommen sehen und schon gar nicht so gewollt. Man wünschte sich eine Neuverfilmung des Romans, am liebsten unter der Regie Woody Allens.

Louise de Vilmorin: Madame de. Roman. Aus dem Französischen neu übersetzt von Patricia Klobusiczky. Dörlemann Verlag, Zürich 2012, 125 S., 15.90 €

(aus biograph 09/2012)

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