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Lauter falsche Frauen

Die biograph Buchbesprechung von Thomas Laux

Was soll man nur halten von diesem Peter Munk, einem Mann Anfang fünfzig, der hier, im Gegensatz zu allen anderen auftretenden Figuren (Frauen vor allem), fast durchgängig mit seinem Nachnamen in Erscheinung tritt? Soll man Mitleid mit ihm haben? Immerhin dreizehn Frauen hat es für ihn in seinem Leben gegeben, alle zu Anfang irgendwie wichtig, keine schlussendlich richtig. Immerzu stand er am Ende wieder als Single da, was ihm lebensphilosophisch allerdings auch ein wenig entgegenkam: Zu keinem Zeitpunkt wollte er heiraten oder Kinder haben, nicht einmal ein Haustier kam in Frage. Freiheit war gleichbedeutend mit der Ablehnung von Verantwortung. Doch nun hat ein plötzlicher Herzinfarkt in einem Zürcher Kaufhaus ihn niedergestreckt und damit eher zwangsläufig eine gedankliche Revision eingeläutet. Munk kommt in eine Reha, und der Chefarzt des Resorts erteilt ihm sogleich die Aufgabe, über die wichtigsten Beziehungen in seinem Leben nachzudenken sowie eine Liste anzufertigen. Dreizehn höchst unterschiedliche Frauen kann er festmachen, Männer kommen interessanterweise nicht vor. Jede Frau wird vorgestellt, gewissermaßen viviseziert und einem Urteil überantwortet. Doch die eigentliche Frage ist: Wie groß ist Munks eigener Anteil am Scheitern dieser Beziehungen? Und haben all diese Frauen beziehungsweise die erlebten Trennungen, ob von ihm nun verursacht oder nicht, zu seinem prekären Gesundheitszustand maßgeblich beigetragen?
Nacheinander geht er sie durch, dem Leser wird keine erspart, keine Andrea, keine Heike, keine Claudia. Es beginnt mit teenagerhaften, unbedingt als lächerlich einzustufenden Kussmarathons mit einer gewissen Judith, und chronologisch geht es weiter. Es zeigt sich: Jede Frau erweist sich für Munk früher oder später als die Falsche, teils, weil von weiblicher Seite versteckte Neurosen etwa in Form unausgesprochener Kinderwünsche mit perfidem Eigeninteresse gepflegt werden und/oder die eine oder andere selbst nicht unbedingt monogam ist, teils auch, weil geistige Unreife zu deutlich aufscheint (bei einer gewissen Anja – sie ist deutlich jünger – kippelt die Beziehung bereits, als sie bemerkt, dass ihm Nasenhaare wachsen, und eine gewisse Heike vergöttert Wolfgang Petry, klar, dass das nicht funktioniert). Immerhin geht ihm ein bisschen Selbstkritik nach so viel Scheitern dann nicht mehr ab: „(…) inzwischen konnte er nicht mehr ausschließen, dass er in Beziehungsdingen eine Schraube locker hatte.“
Jan Weiler (u.a. „Maria, ihm schmeckt’s nicht“ oder „Das Pubertier“ machten ihn über Landesgrenzen bekannt) erzählt die Geschichte durchaus flott, es liest sich leicht. Allerdings gerät der stilistische Anspruch dabei etwas zu kurz und es fällt zudem auf, dass er seine Porträts gern mit redundantem Beiwerk oder zeitgeistrelevantem name–dropping versieht (Al Jarreau, Depeche Mode, ein Aston Martin DB7 u.v.m.). Die jungen Frauen selbst, das zeigt sich ebenso, erfüllen eine Reihe sattsam bekannter Rollenklischees, was zum Teil zwar historischen Rahmenbedingungen geschuldet sein mag, strukturell aber unterkomplex erscheint, Überraschungen sind da nicht vorgesehen. Immerhin gibt es eine recht gelungene Volte am Ende (womit nicht viel verraten wird), als Munk in einer einzigen der dreizehn doch noch eine Art Herzblatt erspäht, er im Netz nach ihr sucht und die Erwählte schließlich todesmutig kontaktiert. Zu verlieren hat er ja nichts. Sie selbst wird diese Avance sinnigerweise dazu nutzen, den Spieß umzudrehen, all die Verflossenen zu kontaktieren, um mit ihnen über Muck zu sprechen oder besser – zu lästern. Späte Rache ist bekanntlich süß.
Fazit: Eine nette Komödie, locker–leicht erzählt, ohne viel Aufhebens angesichts der angedeuteten Schwere im Hintergrund. Geeignet bei schlaflosen Nächten, da problemlos verträglich.
Jan Weiler: Munk. Roman. Heyne Verlag, München 2024, 380 S., 24.-€

aus biograph 12/2024

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