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Jacinto und der Eigensinn

Die biograph Buchbesprechung von Thomas Laux

Um diesen Mann ranken sich seit jeher die Mythen, ungeklärt bis heute sind etwa Fragen zu seiner Herkunft und Nationalität. Fest steht eigentlich nur, dass B. Traven in den 1920er und 30er–Jahren eine Reihe spektakulärer Romane verfasst hat; neben dem „Schatz der Sierra Madre“ (von John Huston mit Bogart verfilmt) gilt „Das Totenschiff“ als sein bekanntestes Werk.
Aus seiner politischen Einstellung machte Traven nie einen Hehl. Er positionierte sich auf Seiten der Unterdrückten, prangerte immer wieder schlechte Arbeitsbedingungen und ausbeuterische Mechanismen an. Genau dieser Aspekt kommt in seinem Roman „Die weiße Rose“ deutlich zum Tragen (ein Name übrigens, der nichts mit der Widerstandsbewegung in WK II zu tun hat). Besagte weiße Rose steht hier für eine mexikanische Hacienda, auf der circa 60 Familien in einer paradiesisch anmutenden Form durchorganisierter Selbstversorgung allen Formen schnöden Konsums entsagen. Indessen weckt die Hacienda Begehrlichkeiten gänzlich anderer Art, die Condor Oil Company mit ihrem Chef Mister Collins an der Spitze hat es darauf abgesehen, die unter ihr liegenden Ölfelder auszubeuten. Der Chef des Anwesens, Jacinto, hält in formvollendeter Sturheit dagegen und lässt sich auch mit keinem noch so verlockendem Angebot zu einem deal erweichen. Er ist grundbescheiden, ein Menschenfreund durch und durch, jegliche niederen Instinkte sind ihm fremd, Geld und Profitdenken gleichsam ohne Bedeutung.
Collins verkörpert das Gegenteil, auch wenn er sich auf seine soziale Einstellung gerne etwas zugutehält. Er will Jacintos Land, koste es, was es wolle (Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind hier rein zufällig). Als Leser wird man nun Zeuge eines arglistigen, mit juristischer Winkelakrobatik verschränkten, kriminellen Plans. Faszinierend zu sehen, wie Collins sich dabei stets als Vorbild zu inszenieren versucht und seine gesellschaftliche Akzeptanz im Auge behält. Tatsächlich wird er bald als „Retter der Nation“ gefeiert, als einer, der der darbenden Industrie unter die Arme greift, wobei er bei jeder geförderten Tonne Kohle den Löwenanteil natürlich selber einsteckt. „Die Kompanie kassierte und kassierte. Sie hatte keine Ausgaben (…). Ausgaben hatte nur das Proletariat“. Collins ist alleiniger Profiteur, und sollte es mal Probleme geben, dann ist da im Zweifelsfalle immer noch eine Armada von Anwälten und willfährigen Zuarbeitern. Jacinto soll schließlich mit einem Trick überlistet werden, es ist ein Lehrstück in Perfidie: Obwohl Collins seine Helfer ausdrücklich davor warnt, Jacinto zu entführen und die Sache mit illegalen Mitteln zu beenden, geschieht genau das, der Mann wird weggelockt, um auf neutralem Boden zur Unterschrift und damit zum Verkauf der Hacienda gebracht zu werden. Diese Unterschrift wird sich natürlich als fake herausstellen, denn der allseits unbedarfte Mann (er wird im Übrigen brutal ermordet) hatte gar nichts unterschrieben – er konnte weder lesen noch schreiben.
Stellenweise räumt Traven vielleicht etwas zu viel Raum ein für arbeitstechnische Dinge wie Stundenlohn, Gewerkschaften, Profit – das Zahlengeklingel vermochte vor hundert Jahren vielleicht zu faszinieren, heute eher nicht. Wahrhaft verstörend erscheint die positive „Lösung“ nach dem Rauswurf der 60 Familien von der Hacienda: „Sie wurden mehr und mehr Menschen, die bewusst in einer großen Welt lebten, in einer größeren Heimat (…). Die Menschen hatten viel verloren und bei dem Verlust viel gewonnen.“ Dieses unnötige, wo nicht pervertierende Happy–End in Form einer aufscheinenden Utopie besseren Lebens, zu dem man im Grunde nur gezwungen werden muss, widerspricht der Kernaussage des Romans; das ansonsten gut informierte Nachwort ordnet es kurioserweise Travens „Humor“ zu.
B. Traven: Die weiße Rose. Roman. Mit einem Nachwort von Jan Brandt. Diogenes Verlag, Zürich 2024, 352 S., 26.-€

aus biograph 03/2025

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