Das respektvoll freundliche Attribut „Grande Dame der Keramik“, mit dem Daniela Antonin als Direktorin Young-Jae Lee im Hetjens Museum begrüßte, sorgte bei dieser eher für Verlegenheit. Und eins noch vorweg: Sie verstehe sich nicht als Künstlerin, sondern als Töpferin und sei im Handwerk zuhause: „Bitte schreiben Sie das“. Sie legt Wert darauf, dass sie mit ihren Händen das Geschirr aus Tonerden auf der Töpferscheibe formt und mit einer von sechs verschiedenen Glasurfarben versieht. In der Keramischen Werkstatt Margaretenhöhe im UNESCO-Kulturerbe Zeche Zollverein Essen arbeiten sie und ihre Mitarbeiter:innen jedes Stück einzeln auf Serie. Die Keramiken verbinden die ostasiatische Tradition mit dem dienenden Gedanken und der geometrischen Formsprache des Bauhauses. Die makellose Einfachheit beruht auf der strengen und ausgewogenen Form, die etwas Zeitloses besitzt. Das Steinzeug als Material werde unterschätzt, sagt Young-Jae Lee. Es entstamme der Menschheitsgeschichte. Es wird bereits seit dem 11. Jahrhundert in China verwendet – mit Japan und Korea eines der großen Länder für Keramik.
Young-Jae Lee wurde 1951 in Seoul geboren; sie hat Kunsterziehung studiert, ehe sie 1972 nach Deutschland übersiedelt ist und in Wiesbaden ein Keramikstudium absolviert hat. Sie erwähnt Heidelberg, wo sie an der Universität Kunstgeschichte belegt und 1978 ganz in der Nähe, in Sandhausen, eine Keramikwerkstatt eröffnet hat. 1986 wurde sie, zunächst gemeinsam mit Margarete Eggemann, zur Leiterin der Keramischen Werkstatt Margaretenhöhe berufen, die im Jahr darauf auf die Zeche Zollverein zog. Young-Jae Lee erwähnt die idyllische Zurückgezogenheit auf der stillgelegten Anlage, umgeben von der Natur mit dem Trompetenbaum, der sie und ihre Kolleg:innen zu Unikaten angeregt hat: „Wir hatten Lust, mithilfe der Blätter dieses Baumes alltagstaugliche Schalen zu machen“. Vor allem aber entstehen Geschirrserien, und damit wurde Young-Jae Lee weltweit mit Ausstellungen und Auszeichnungen geehrt; seit langem wird sie von der Galerie Greve vertreten.
Zum 100-jährigen Bestehen der Keramischen Werkstatt zeigt das Hetjens im Untergeschoss einen historischen Überblick bis in die Gegenwart. Der Festsaal selbst widmet sich Young-Jae Lee, u.a. mit einer Boden-Installation aus Werken von 1976 bis heute, teils mit malerischen Setzungen, in Gruppen, die zueinander Beziehungen aufnehmen: aus Vasen, Schalen, Tellern und Bechern. Im Obergeschoss des Hetjens sind dann Spindelvasen zu sehen, die durch Kühlrisse beschädigt waren und in der Kintsugi-Technik restauriert und mit Goldstaub bearbeitet wurden. Wie ein zerbrochener Krug, sagt Young-Jae Lee, lächelnd: „Vielleicht sind sie doch zu schön?“
100 Jahre Keramische Werkstatt Margaretenhöhe – Young-Jae Lee,
bis 1. September im Hetjens, Deutsches Keramikmuseum, Schulstraße 4
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