Was zieht uns in dieses Bild hinein? Das tiefe Dunkel oder das pudrig fein gemalte Mädchenprofil, das rechts hineinragt? Mit gesenktem Blick, gefälteter Haube und feiner Haut lässt es auf ein junges Dienstmädchen vergangener Zeit schließen. Der Kopf nimmt nur einen geringen Teil der gesamten Bildfläche ein und dominiert doch die Bildwirkung. Schemenhaft öffnet sich erst bei näherem Hinschauen eine Szene im dunklen Hintergrund, in der nur wenig mehr von dem Dienstmädchen zu sehen ist. Und da befindet es sich am linken Bildrand, wo es auf einem noblen Tablett eine feine Porzellantasse, Untertasse und ein weiteres Gefäß serviert. Die Empfängerin in großzügig dekolletierter grüner Corsage lehnt mit Rücken und Armen in einem Stuhl und blickt das Dienstmädchen aufmerksam an.
Das isolierte Profil des Dienstmädchens, ein gespiegeltes Fragment des dunkel durchscheinenden Bildes, sticht hell hervor. Aus dieser Perspektive überschaut das Mädchen mit nahezu geschlossenen Augen die Szene, in der sie der eleganten Dame etwas kredenzt. Im dunklen Hintergrundbild blickt sie nur auf das Tablett, das sie behutsam serviert. Der Künstler hat digital eine Bildebene hinzugefügt und erweitert durch die hybride Präsenz des Mädchenkopfes den Deutungshorizont.
Geht es dem Künstler um einen sozialkritischen Kommentar des Ursprungsbildes, indem er dem Dienstmädchen durch einen perspektivisch erweiterten Blick mehr Reflexionsvermögen zuspricht? Dieser Ansicht widerspricht der Bildtitel insofern, als „Dreamer“ gerade nicht eine denkerische Note anspricht. Ist es nicht vielmehr so, dass das isoliert inserierte Gesicht uns zu einem Schauen anhält, das der im Hintergrund dargestellten Szene in aller Ruhe, aber intensiv nachspürt? Bildrekonstruktion und Spiegelung signalisieren eine analytisch distante Haltung, während die Fokussierung auf das Mädchenprofil eine subjektive Einfühlung eröffnet, die dem taktilen Reiz nachgeht und der Empathie Raum gibt.
Mit den im Titel vorangestellten Initialen „JEL“, wie sie in Ralf Brögs Werkserie üblich sind, gibt der Künstler diskret einen Hinweis zur Ermittlung des ursprünglichen Bildes. Die feine Porzellantasse sowie Kaffee oder Kakao verweisen auf die Begehrlichkeiten der Kolonialzeit. Die dargestellte Mode deutet auf das 18. Jahrhundert, in dem die Pastellmalerei vor allem in Frankreich ihre Hochblüte erlebte. So mag man zu Jean Étienne Liotard finden, der das Pastell „Das Frühstück“ Mitte des 18. Jahrhunderts schuf.
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