Eindeutig ein Segelschiff! Mit seinen voll geblähten roten Segeln wirkt es kraftvoll und dynamisch, zumal es an manchen Stellen in den Rahmen ragt und an den äußeren Segeln durch den Bildrand angeschnitten ist. Eine kompakte Wucht, die ‚volle Kraft voraus‘ signalisiert! Oder etwa nicht? Das eindeutige Verstehen relativiert sich beim näheren Betrachten. Paradoxien tun sich auf. Im Bekenntnis zur Gegenständlichkeit als Abbild der Wirklichkeit lässt das Bild Fragen offen. Vielleicht doch eine Meditation über das Medium Bild und seine prinzipielle Projektion?
Blauer Himmel und sonnendurchflutete gelbgrüne Wollwölkchen bilden den Hintergrund, vor dem das Schiff mit seinen ochsenblutroten Segeln vital auftritt. Der Farbton findet ein gedämpftes Echo im abgeschwächten Rotton des Meeres. Die Assoziation Blut ist aus der Farbwahrnehmung kaum wegzudenken. Dabei erscheint das Meer wie ein Stoff, der partiell über den linken und rechten Bildrand gespannt ist. So kennt man das Meer allenfalls als Theaterkulisse. Eine gewisse Heiterkeit artikuliert sich hier und da im Bild. Die hellen Masten sind sonnenbeschienen. Helle Gischt signalisiert Bewegung. Hell strahlt der weiße Streifen am Schiff, in den ein gelber Flügel umrisshaft wie eine Signatur hineinreicht. Grün schließt sich am Rumpf an, der vorn ein Auge in gelben Linien erkennen lässt. Die gesamte Farbkomposition lässt mich an Fassungen alter Bauernschränke denken, mit denen ich festen Stand und erdgebundenes Leben assoziiere. So wirkt das Schiff bei aller Dynamik in einen Rahmen gepfercht, der den mit Blut assoziierten Farbton wiederholt aufnimmt. Bild und Rahmen sind nicht durchgehend klar voneinander getrennt. Selbst das dünn aufgetragene Gelb als innere Rahmenlinie verbindet sich mit dem hinteren Masten, als suchten Rahmen und dargestellter Gegenstand gegenseitige Stabilisierung. Leinen, die die Segel bewegen, enden teils als herabrinnende Farbspuren und erinnern daran, dass wir ein gemaltes Bild vor uns haben.
Menschenleer ist das Schiff, kein Steuermann, nur eine Reling. Entzeitlicht und rätselhaft lenkt das Bild das Betrachten zum Meditieren über Gegensätze wie Stillstand und Bewegung, kompakt und luftig, gegenständlich und artifiziell, logisch und absurd, altertümlich und zeitgenössisch... Stillleben, Seestück oder Selbstporträt? Ambivalenz baut sich auf als zentrales Bildmoment. Jakob Albert verbildlicht Ambiguität und setzt dabei auf eine nur zunächst naiv wirkende Gegenständlichkeit. Die kräftigen Farben und vor allem der irritierend blutrote Farbton erzählen vom Drängen einer vitalen Empfindung.
@jakob_albert
„Kunst-Stücke“
In dieser Reihe schreiben Studierende der Kunstgeschichte an der H.-Heine-Universität Düsseldorf über Kunstwerke Düsseldorfer Künstler und Künstlerinnen.
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