Der Bilker Bunker als Ausstellungsinstitut würdigt Harald Naegeli zum 85. Geburtstag an seinem langjährigen Wohnort – und das Gebäude mit seiner rauen Atmosphäre hinter dicken, dämpfenden und konservierenden Mauern passt vorzüglich zu diesem unangepassten, tatsächlich feinen zeichnerischen Werk. Harald Naegeli ist ein Pionier der Streetart und der Graffiti-Kunst. Bekannt wurde er als Phantom mit überwiegend schwarzen Strichfiguren, die auch Fische und Skelette darstellen und in rasanter Geschwindigkeit bei Nacht gesprayt sind und auf städtebauliche und ökologische Missstände zunächst in der Schweiz aufmerksam gemacht haben. Ab 1978/79 wurde er als „Sprayer von Zürich“ vom dortigen Polizeiapparat wie ein Schwerverbrecher gejagt und über Umwege verhaftet. Mittels internationaler Unterstützung konnte er schließlich nach Deutschland ausreisen und hat sich, unterstützt von Joseph Beuys, ab 1984/85 in Düsseldorf niedergelassen. Hier lebte er bis 2020, ehe er in seine Heimat zurückkehrte.
Die Sprayfiguren, ihre legendäre Story und öffentliche Präsenz überdecken etwas, dass er vor allem Zeichner auf Papier ist, der an der Kunstgewerbeschule in Zürich ausgebildet wurde. Seine gegenständlichen und abstrakten Ereignisse setzen sich aus knappen filigranen, dabei beweglichen Federstrichen zusammen und sind teils mit Weiß gehöht. Sie sind skizzenhaft und doch präzise, mithin sorgsame Beobachtungen oder atmosphärische Verdichtungen und apokalyptische Visionen: Tiere, karge Landschaften mit tiefem Horizont, Totentänze, Kreuzigungsszenen, Blitze oder – die großformatigsten Werke – „Urwolken“, welche seit den 1980er Jahren entstanden sind. Selbst kommunizierte Naegeli mit seinen Freunden als „Wolke“: per E-Mails in Rundschreiben, der „Wolkenpost“, die gesellschaftskritisch, listig, poetisch war und spielerisch und aufbrausend zugleich sein konnte.
Alles macht an der Ausstellung in der Aachener Straße Sinn: Um die Ecke in der Karolingerstraße hat Naegeli gewohnt; wenige Fahrrad-Minuten weiter in einem Hinterhof der Hildebrandtstrasse befand sich sein Atelier. Sein Stamm-Café war das Knülle, in dem er sich traf und mitunter in seinem Skizzenbuch, unbeachtet von den anderen Gästen, zeichnete und porträtierte. In Bilk selbst haben sich auch einige seiner Sprayaktionen erhalten. Nun also wird er im Bilker Bunker an der Aachener Straße mit dokumentarischem Material (Filmen, Fotos seiner ortsbezogenen Sprayfiguren) und zum Glück auch mit seinen Zeichnungen vorgestellt. Auch die „Urwolken“ sind in ihrer Vielfalt vertreten und schweben zitternd im Raum: Ein Fest für Düsseldorf und besonders Bilk, vom und für den verehrten Künstler.
Harald Naegeli – Zeichnungen eines Sprayers, bis 2. April im Bilker Bunker, Aachener Straße 39 in Düsseldorf, www.bilkerbunker.de
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