Wer beobachtet wen, inwieweit sind wir öffentlich, gar fremdbestimmt, was ist noch privat im fortgeschrittenen Zeitalter der Neuen Medien? Umgeben von Überwachungskameras, mit der Möglichkeit implantierter Sender und mit dem jederzeit abrufbaren überbordenden Informationsfluss, geht unsere eigene Identität verloren, wird die Schnittstelle zwischen dem Menschen und der Maschine durchlässig, die reale ist von der virtuellen Welt mitunter nicht zu trennen und zu trauen ist ohnehin den bewegten Bildern nicht, die immer häufiger Fake News unterjubeln.
Die Werke der 1941 geborenen US-amerikanischen Medienpionierin Lynn Hershman Leeson, die von Anfang an auf der technologischen, soziologischen und philosophischen Höhe ihrer Zeit waren, haben etwas beunruhigend Wahrhaftiges. Ihre konzentrierte Werkauswahl in der Julia Stoschek Collection weist unmittelbar auf unsere tagtägliche Realität. Dazu wählt sie eine Bildsprache, die etwas Vertrautes trägt. „CybeRoberta“ ist eine Kinderpuppe, die Kameras in ihren Augen hat und den Kopf drehen kann und heimlich ihr Gegenüber filmt und die Aufnahmen live überträgt und speichert. Auch erstellt Hershman Leeson Fotocollagen ganz in der Tradition des Surrealismus, aber mit der Frau in technischer Fremdbestimmung als Roboter oder Cyborg. Die Videos und Spielfilme, Fotocollagen und Medienskulpturen verweisen aufeinander, so bezieht sich die Puppe mit der Perücke etwa auf ihr erstes großes, radikales und feministisches Projekt, auf „Roberta Breitmore“, deren Identität sie erschaffen und von 1974-78 mit ihrem eigenen Leben simuliert hat. Vor einem Jahrzehnt wurde dieses Werk, bei dem Lynn Hershman Leeson von einer Performance spricht, ausführlich im Lehmbruck Museum in Duisburg vorgestellt.
In der Julia Stoschek Foundation in Oberkassel steht ein anderes wichtiges Langzeitprojekt im Mittelpunkt, „The Electronic Diaries of Lynn Hershman Leeson 1984-2019“. Die althergebrachte Tradition des äußerst subjektiven und intimen Tagebuchs wird im Videofilm mit seiner Linearität zeitgenössisch aufgegriffen. Die Künstlerin ist die Protagonistin in den verschiedenen Phasen ihres Lebens, mit einer eigenen Erkrankung, der Geburt ihres Enkelkindes oder in der wissenschaftlichen Arbeit mit Studierenden. Die raschen Perspektivwechsel und Schnitte und, genial in der Stoschek Foundation, das Interagieren der verschiedenen Projektionsflächen in der Reflexion in den Trennscheiben lassen jedoch Zweifel an der Wirklichkeit aufkommen: Die Vergangenheit ist nie vergangen, die Gegenwart ist alles, Ich ist Viele. Nichts ist sicher und schon gar nicht privat.
Lynn Hershman Leeson: Are Our Eyes Targets?
bis Februar 2025 in der Julia Stoschek Foundation, www.jsfoundation.art
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