Eine umfassende Ausstellung von Reinhard Mucha war überfällig. Als einer der herausragenden deutschen Künstler der 1980er und 1990er Jahre hat er die jüngste Kunstgeschichte mitgeschrieben und vor allem die Skulptur in die Gegenwart überführt. In Düsseldorf, wo er 1950 geboren wurde, an der Kunstakademie bei Klaus Rinke studiert hat und auch heute lebt, ist auf Dauer im K21 eines seiner Hauptwerke zu erleben: die Installation „Das Deutschlandgerät“, die 1990 als Beitrag zur Biennale Venedig entstanden ist. Der Titel entstammt einer hydraulischen Vorrichtung zum Aufstellen entgleister Schienenfahrzeuge der „Maschinenfabrik Deutschland AG“; auf der Biennale bezog er sich auf den Deutschen Pavillon und die Errichtung der Installation dort. „Das Deutschlandgerät“ enthält wesentliche Aspekte, die bis heute Muchas Werk kennzeichnen: das Verweben der jüngeren deutschen Geschichte mit dem alltäglichen Leben, mit Verweisen auf die Industriegeschichte; die institutionskritische Befragung der Ausstellung und ihrer Orte. Er stapelt und verknüpft Mobiliar zu neuer Bedeutung, im „Deutschlandgerät“ sind es besonders Holzschemel, unterstützt von Maßbändern. Ausgehend von der Idee der Vitrine, die exponiert, schützt und entzieht, setzt er Glasscheiben, die mit Rasterungen versehen sind und in denen sich der Betrachter spiegelt – so auch in seinen Wandvitrinen, die an Regale erinnern und teils mit Filz ausgelegt ist. Und dann erweist sich die Installation als labyrinthische, zunehmend ins Innere des Denkens führende Anordnung. Im Ständehaus sind nun auch ganz frühe, legendäre Mobiliar-Skulpturen sowie jüngere Wandvitrinen ausgestellt, aber auch Installationen, die das Motiv der Eisenbahn mit seinem Streckennetz und seinen Wartesälen vertiefen.
In der Grabbehalle sind dann weitere Ausstellungen Muchas als Installationen neu konzipiert, darunter das Ensemble „Das Figur-Grund Problem in der Architektur des Barock (für dich allein bleibt nur das Grab)“ (1985/2022), das mit Gebrauchsgegenständen, technischen Apparaturen und Museumsmobiliar Kirmes-Attraktionen evoziert und zugleich erstarrt und in furioser Bewegtheit wirkt. Und was bereits im Ständehaus in der Installation „Kopfdiktate“ (1980/1990) ausformuliert ist, wird in der Grabbehalle weiter verfolgt: die akribische Dokumentation der eigenen Biographie und das Aufwachsen in der Bundesrepublik Deutschland mit ihren Mechanismen und Verwaltungsstrukturen. Muchas Ausstellung wirkt vielleicht spröde in ihrer Materialität und Vergangenheit, aber doch ist sie sinnlich und humorvoll, dazu handwerklich bis ins Detail virtuos und voller berührender kollektiver Erfahrungen, aber auch Zitaten auf die Kunstgeschichte: beeindruckend, mit leichter Hand in Szene gesetzt.
Der Mucha.
Ein Anfangsverdacht, bis 22. Januar in K20 und K21 der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf, Grabbeplatz 5 und Ständehausstraße 1
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