Leuchtendes Blau und Gelb ziehen die Blicke an wie ein strahlendes Kodak-Werbephoto. Klare, industriell anmutende Elemente spiegeln sich in zwei Bildhälften. Vor gelben Blechen ändern gebogene Rohre streckenweise ihre äußere Hülle: Gelackter und blanker, harter Stahl wechselt zu weichem Gummi oder Kunststoff. Die Rohre werfen Schatten, deren logische Natur Rätsel aufgibt. Sie überschneiden sich mit ähnlich gebogenen Formen, deren Himmelblau ganz unerklärlich bleibt. Oberhalb der gelben Bleche treten breite dunkle Streifen diagonal hervor, die an Laufbänder in Untersicht erinnern mögen. Sie starten jeweils in der Bildmitte und scheinen sich bis über den Bildrand hinaus zu strecken. Ihre schmalen seitlichen Begrenzungen reflektieren nur ansatzweise das Gelb der Bleche unter ihnen.
Versucht man, der mentalen DNA des Bildes auf die Schliche zu kommen, entpuppt sich die farbliche und formale Klarheit als keck herausfordernd. Symmetrie, die für Augen und Geist normalerweise Gleichgewicht und Ruhe verspricht, wird hier zum Verwirrspiel. Die Spiegelung der einzelnen dargestellten Teile, die allesamt keine funktionale Bestimmung erkennen lassen, führt zur Wahrnehmung eines außerirdischen Wesens, das Irritation auslöst. Unser Gehirn ist geneigt, ungefähre oder uneindeutige Bilder zu vervollständigen. Wir sehen in Wolken Figuren oder Gesichter, nehmen zwei nebeneinanderliegende Kreise als Augen wahr, eine gerundete Öffnung als Mund… Diese archaische Anlage unseres Gehirns, die zur Selbstvergewisserung in jeglichen Formen Gesichter zu erkennen sucht, wird beim Blick auf das Gemälde aktiv. Industriell verstandene Elemente wie Schrauben werden in der Spiegelung zu Augen, die wie niedrige Geländer der Laufbänder anmutenden Streifen zu Fühlern, die Tropfenform im Zentrum zum Insektenkörper oder weiblichen Unterleib. Das hybride Wesen verweigert sich einem sicheren Zugriff.
Der Bildtitel gibt den Hinweis, eine Göttin zu sehen. So nimmt das Kodakblau eine transzendentale Note an. Menschenähnliche Züge treten hervor und rufen die malerische Gattung des Porträts auf den Plan. Ein Porträt zeigt möglichst wiedererkennbar eine Person und ihren Charakter. Hier aber treibt das dargestellte Wesen seinen Schabernack mit uns, indem es wie eine Maske zwei Ebenen der Realität anbietet. Die Göttin begegnet uns in all ihrer Konstruiertheit als Projektion der Menschen. Und nimmt man die gespiegelte Bildhälfte zur Seite, fällt alle Imagination eines göttlichen Abbilds in sich zusammen. Was bleibt, ist eine technoide Landschaft. Das zweite der zehn Gebote klingt an: „Du sollst Dir kein Bildnis machen“…
Aus der Reihe „Kunst-Stücke“
In dieser Reihe schreiben Studierende der Kunstgeschichte an der H.-Heine-Universität Düsseldorf über Kunstwerke Düsseldorfer Künstler und Künstlerinnen.
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