Die Helden Padgett Powells scheinen oft schwer neurotisiert durch ihre eigene Vita, weshalb sie wohl desöfteren in einem Alkoholnebel gefangen sind und mit Filmrissen, Abstürzen und sonstigen verkaterten Lästigkeiten zu kämpfen haben. Entsprechend reden oder denken sie dann oft auch. Dabei haben sie ihren Stolz (von Würde kann eigentlich weniger die Rede sein) freilich nicht verloren, und es ist beeindruckend, wie sie ihren Alltag doch noch irgendwie, natürlich nur innerhalb ihres ureigenen Systems, auf die Reihe kriegen. Powell (*1953) ist insbesondere einem Insiderzirkel bekannt geworden durch seinen Erstlingsroman „Edisto“ von 1984, die Kritik zog seinerzeit vor allem Parallelen zu Salingers Schulklassiker „Der Fänger im Roggen“. Hierzulande hat sich Harry Rowohlt von Anfang an verdient gemacht mit seinen – man muss es so sagen –zwar allseits hochgelobten, aber unterm Strich auch recht eigenwilligen Übersetzungen Powells; dazu gleich mehr. Die gerade erschienenen „Storys“ sollten jedoch für alle unerfahrenen Powell-Leser mit einem kleinen Warnhinweis versehen sein: Bitte nicht auf Logik achten! Vergessen Sie, was Sie über Handlungsaufbau, Stringenz oder Dramaturgie gelernt haben! Lassen Sie alle Hoffnung auf schlussendliche Schlüssigkeit fahren, lesen Sie einfach! Willkommen also im powellschen Kosmos bzw. wahlweise: in Absurdistan.
Dabei ist die erste Geschichte noch vergleichsweise gradlinig in Plot und Aufbau: Die ältere Mrs. Hollingsworth hat eine – na ja – „Affäre“ mit einem 12-jährigen Jungen, einem „rüschenbeinigen, kleinkriminellen, kürbisköpfigen, überhitzten Rasenbuben“ (er mäht ihr den Rasen mit einem geklauten Rasenmäher, deshalb gibt’s auch Besuch von der Polizei). Vieles hier scheint sich nur in Mrs. Hollingsworths Fantasie abzuspielen, aber „Kuddelmuddelpotential“ gibt es dann doch zuhauf. Scarliotti in der zweiten Story ist vollkommen durchgeknallt, vielleicht aber auch einfach nur krank oder schizophren, er lebt in einem Wohnwagen, hat sich von einem Laster anfahren lassen und wird nun von diversen Mädels medizisch „versorgt“. Wayne (in der dritten Geschichte) wirkt ebenfalls psychisch zerzaust, und für seinen inneren Gemütszustand lohnt hier einfach mal ein Blick auf die rowohltsche Übersetzung: „Wieso etwas Gottgeschaffenes, Natürliches wie die Wüste, die so Santa Fe und das alles und heiliger indianischer Scheiß-Grund und Hopis mit ihren Kacktänzen übler werden konnte als ein Stück Scheiße aus Menschenhand wie die Marine und Subic Bay und dass man sich für zwei Dollar von den kleinen Schwestern magerer Jungs einen blasen ließ, das kapierte Wayne beim besten Willen nicht.“ Wahnvorstellungen haben sie übrigens fast alle, die powellschen Helden, aber dass ihre Probleme einem unter die Haut gehen könnten, lässt sich dann nicht wirklich behaupten. Dazu ist das alles, zumindest im Deutschen, zu sehr ins Lächerliche gezogen. „Das Leben ist Kapok“ heißt es dazu einmal, aber das ist natürlich nur „die Spitze des Eisbergsalats“. Verstanden? Macht nichts. Da es mir nicht möglich war, das amerikanische Original zu konsultieren, muss der Übersetzung Rowohlts erst einmal geglaubt werden. Wobei: Wortungetüme wie „Meschenverdammtnochmalverstand“ oder „Grundlinienparabelseitänzer“ hätte man schon gern mal im Original überprüft. So oder so: als Leser ist man hier eher grundsätzlich gefordert.
Padgett Powell: Schrottplatz der gebrochenen Herzen. Storys. Aus dem amerikanischen Englisch von Harry Rowohlt. Berlin Verlag, Berlin 2013, 299 S., 19.99 €
aus biograph 2/2014
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