Lebensbejahend, vital und selbstbewusst tritt mir das große Querformat entgegen. Eine angedeutete Balkonbrüstung und eine neutral graue Fläche, die ein Tisch sein könnte, verorten mich. So kann mein Blick weiter ins Bild schweifen, in ein unbegrenztes Blau, vor dem allerlei Formen in bunten Farben agieren. Eine dicht schwarze Linie kringelt sich, als wäre sie auf eine Schnur gefädelt. Ihr rechtes Ende rundet sich vor dem Gelb und lässt an einen Schnäuzer denken. Ein darüber eingefügter schwarzer Punkt ergänzt den Eindruck eines Gesichts im Profil. Gleichzeitig aber verweigern die Konturen der gelben Fläche eine solche Identifizierung. Markant rahmt eine schwarze, sperrige Farbfigur die gelbe Fläche und bildet eine Begrenzung der Szene zur Rechten. Zur Linken tänzeln drei rote Dreiecke um die Form, die als Balustrade gedeutet wurde. Streifen melden sich mehrfach zu Wort, ob klar und geometrisch gefasst oder freihändig gemalt. Drei ovale Flächen nehmen sie vor rosa hautfarbenem Grund auf und bilden eine Art Echo zu den drei schwarzen Schlaufen. Die größte erinnert an Linienführungen der Maori-Rindenmalerei. Daneben wirken die parallel schräg verlaufenden Streifen wie ein heraldisches Fragment.
Der Bildträger ist in vier unterschiedlich große Leinwände fragmentiert. Die Künstlerin spielt mit dem gewohnten Rechteck im Querformat, indem sie zwei sehr schmale Querformate und versetzt darunter zwei große Hochformate nebeneinander platziert. So entsteht ein bewegtes Ganzes als Summe seiner Teile.
Das Gemälde ruft einen sonnendurchfluteten Ausblick aufs Meer wach, wie ihn Henri Matisse gern ausgeführt hat. Gleichzeitig melden sich in den schwarzen Bildelementen die abstrakten Kürzel eines Fritz Winter zu Wort. Die Freiheit von Form und Farbe im Zusammenspiel gegenständlicher Bindungen lassen Fernand Léger, Punkt und Linie sowie der Titel lassen Wassily Kandinsky anklingen. Hanna Effen gestaltet ihren Ausblick und individuellen Blick und führt dabei künstlerische Vorfahren an, als wären sie im lebendigen Gespräch miteinander anwesend.
Immer ist im Gegenwärtigen das Vergangene enthalten, ob sichtbar oder versteckt. Der Künstlerin gelingt mit diesem Gemälde ein Kunstgriff, in dem die Präsenz des Vergangenen unübersehbar und zeitlos dynamisch wirkt. Die Künstlerin führt Regie und zeigt sich in der Amalgamierung der zitierten Maler selbst höchst präsent und vital.
„Kunst-Stücke“
In dieser Reihe schreiben Studierende der Kunstgeschichte an der H.-Heine-Universität Düsseldorf über Kunstwerke Düsseldorfer Künstler und Künstlerinnen.
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