Düster sind die Romane, Erzählungen und Reportagen des amerikanischen Schriftstellers Denis Johnson, sie knüpfen sich gerne die vergessenen oder nicht zur Kenntnis genommenen Schauplätze der Welt vor, dort, wo alltäglich Gewalt und versteckte Kriege wüten, über die man in der Presse eher wenig erfährt. Vor Jahren etwa war er den Bürgerkriegen in Afrika auf der Spur, seine Berichte (unter dem Titel „In der Hölle“) über einzelne Diktaturen des schwarzen Kontinents waren aufsehenerregend. In seinem neuen Roman hat er sich wieder nach Afrika begeben, genau gesagt nach Freetown, Sierra Leone, wo er seinen Helden, den abgehalfterten dänischen Hauptmann Roland Nair, aufschlagen lässt. Nair soll im Auftrag der NATO einen gewissen Michael Adriko ausfindig machen, einen Mann, gebürtig aus Uganda, der sich von seiner Truppe abgesetzt hat. Man will wissen, was er genau vorhat, denn er ist kein unbeschriebenes Blatt. Adriko hatte früher schon mit Diamanten gedealt, illegal, versteht sich, diesmal geht es für den selbsterklärten „Auftragsrambo“ aber um viel Brisanteres – um angereichertes Uran. Angeblich ist der israelische Geheimdienst Mossad scharf darauf, in den Besitz dieses „U–235“ zu kommen.
Nair findet Adriko ziemlich schnell, sie kennen sich von früher, waren einst mal befreundet, jetzt ist das Verhältnis deutlich abgekühlt, dünnhäutig, zeitweise auch feindselig. Nair weiß vor allem, dass er dem Mann nicht trauen kann: „Michael gab aus seinem Vorrat an Falschinformationen Fakten zum Besten, die keine waren.“ Noch so ein vermeintlicher Fachmann der neuerdings sich breit machenden „alternativen Fakten“ also.
Johnson präsentiert uns eine Geschichte mit vielen Wendungen und Überraschungen, jongliert geschickt mit den Elementen des Spionagekrimis – falschen Fährten, gezinkten Karten, kriminellen Absprachen. Denn auch Nair spielt falsch, will selbst von dem von Michael eingefädelten Deal profitieren; was er konkret anzubieten hat, sollte die Sache irgendwie schief laufen, sind Karten vom Glasfasernetz der US–Armee und eine Liste mit GPS–Koordinaten. Verrat ist also durchaus immer eine Option. Die Frage ist vielmehr, ob er mit seinem eigenen Gepokere den neu aufscheinenden Dimensionen gewachsen ist, bisher mauschelte auch er vornehmlich in den subalternen Bereichen von Diamanten und Drogen. Nair ist nie so cool, wie er tut, vor allem stehen ihm seine Gefühle im Weg. Er unterrichtet, wann immer er online sein kann, seine Geliebte Tina (eine Geheimdienstlerin) über seine Aktivitäten, verliebt sich aber ausgerechnet in Michaels Verlobte, Dividia, eine aufsehenerregend schöne schwarze Erscheinung. Da sind die Komplikationen schon mit einprogrammiert.
Letztlich ist nichts, wie es scheint: Wie sich herausstellt, ist das Uran, das Michael auf seinem Hotelzimmer präsentiert, ein Fake, es ist gar nicht angereichert, genauso wie später das Gold der NATO, mit dem bezahlt werden soll, um in den Besitz der gefährlichen Ware zu kommen, lediglich mit etwas Gold beschichtetes Blei ist – keine Seite lässt sich hier die Butter vom Brot nehmen.
Und immer wieder sorgen spektakuläre Szenen, etwa eine Autofahrt im Jeep mit einem durchgeknallten Michael am Steuer quer durch den Kongo, wilde Schießereien von Clans und Scheinhinrichtungen, für eine hintergründige Spannung. Die ganze Szenerie gerät zusehends surreal. Es ist, als ob dieser Kontinent die Protagonisten zu Entscheidungen triebe, die sie nie und nimmer auf dem Schirm hatten und einen Wahnsinn unterstützt, den keine der auftretenden Parteien mehr kontrollieren kann.
Denis Johnson: Die lachenden Ungeheuer. Roman. Aus dem Englischen von Bettina Abarbanell. Rowohlt Verlag, Reinbek 2017, 267 S., 22.95 €
aus biograph 3/2017
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