Es geht um Malerei. Darum, so betont Jan Albers im Atelier in Flingern, ihre Möglichkeiten in heutiger Zeit auszuloten. „Ich arbeite an den Rändern, an der Peripherie dessen, was gerade noch als Malerei durchgeht“, sagt Albers in einem aktuellen Interview. Seine Maßnahmen sind erstaunlich. So hat er mit der Schichtung von Papierbändern und mit Lochblechen gearbeitet, Wandobjekte aus vertikalen Stahlrohren mit Abzweigungen in unterschiedlicher Beschichtung und aus Metallgittern geschaffen, die allesamt eine vitale Serialität kennzeichnet. Diese konstruktive Rasterung liegt auch den Reliefs aus gegenläufig gekippten Holzkeilen zugrunde. Demgegenüber lassen die neueren Werke aus Styrodur-Blöcken, die Jan Albers noch mit der Kettensäge bearbeitet hat, schründig aufgerissene und zerrissene Oberflächen zurück. Indem er seine Wandarbeiten aber mit Glashauben verschließt, entzieht er sie dem taktilen Zugriff. Und daneben entstehen Wandarbeiten ganz aus Karosserieteilen, die maschinell komprimiert und im homogenen Überzug mit monochromer Farbe weiter abstrahiert sind.
Der Farbauftrag über dem Styrodur und dem Holz wirkt hingegen häufig immateriell und verweht: Albers sprayt die Farbe und erzeugt dabei mittels tonaler Verschiebungen und eines mehrschichtigen Auftrags Effekte von Licht und Schatten; eine Referenz sind die Farbholzschnitte von Hokusai. Andere seiner Bilder tragen die Farbe als pudriges Pigment. Bei einem Relief aus Keilen hat Albers das Schwarz als Graphit so mit dem Pinsel aufgetragen, dass die unterschiedliche Ausrichtung der Schrägen betont ist und der Eindruck dynamischer Bewegung entsteht. Immer aber lösen die meist lebens- oder überlebensgroßen Bilder, die zunächst gegenstandsfrei und teils konstruktiv zu rubrizieren sind, Anklänge an Seherfahrungen aus. Sie lassen an Korallenriffs oder, gesehen wie aus der Vogelperspektive, an gewaltsame Eingriffe in die Erdoberfläche denken. Die changierende Monochromie aus farbigem Licht wiederum evoziert den Raureif im Unterholz und die Lichtspiegelungen der See. In einem anderen Reliefbild, in dem die Keile in verschiedene Richtungen kippen, wirken die Raster wie die Konstruktion einer Stadt: vital, pulsierend und ohne Stillstand. Metropolis - unberührte Landschaft, Technik - Natur sind die Pole, zwischen denen sich die Werke von Jan Albers verhalten. Er selbst verweist auf Seherfahrungen in seiner Jugend in Afrika und heute im Wechsel der Großstädte. „Es geht darum, wie man am Leben teilnimmt, wie Beobachtungen und Erfahrungen zum Stoff werden, der die Arbeit antreibt“, hat Albers gesagt.
Jan Albers wurde 1971 in Wuppertal geboren. Er ist in Namibia aufgewachsen und hat in Düsseldorf an der Kunstakademie bei Jan Dibbets studiert. Institutionelle Ausstellungen fanden zuletzt in der Langen Foundation in Neuss, in der Kunsthalle Gießen und im Leopold-Hoesch-Museum Düren statt. Aktuell bespielt er die Von der Heydt-Kunsthalle in Wuppertal-Barmen. Die Beschränkung auf Werke der letzten drei, vier Jahre lenkt hier den Blick auf einen Aspekt, der für Albers zunehmend an Gewicht gewonnen hat und durch die Präsentation unterstützt wird. Albers arbeitet mit dem Raum und der räumlichen Erfahrung durch den Betrachter. Er bedenkt, wie sich dieser zum Gegenüber des Bildes verhält, sich annähert und vorbei läuft, erst recht in Passagen, in denen der Durchgang verengt ist. In Barmen hat Albers dies durch Einbauten forciert; auch hat er einzelne Wandflächen monochrom streichen lassen und die Titel – ohnehin ein Stück weit Konkrete Poesie – als Print großformatig an der Wand angebracht. Der Raum spiegelt sich in den Glashauben, die ihrerseits den Blick auf die seitlichen Schichtungen der Bildkörper ermöglichen. Malerei wird gänzlich zum Ereignis, in vollendeter Schönheit und brodelnder Unruhe: unbegreiflich zwischen hauchdünner Schicht und massiver Präsenz.
Jan Albers – cOlOnycOlOr
bis 28. Juni in der Von-der-Heydt-Kunsthalle in Wuppertal-Barmen,
Geschwister Scholl Platz 4-6, 0202/563 65 71
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