Das Werk von Jörg Paul Janka basiert weitgehend, mit hohem konzeptuellem Anteil, auf den neuen Medien, besonders auf der Fotografie, in den letzten Jahren zunehmend auch auf Video und der filmischen Animation. Und er erstellt – vereinzelt, aber immer wieder – Skulpturen und Collagen, die von vorgefundenen urbanen Szenerien ausgehen. Er erzeugt mit der Beleuchtung und Verschattung und mit dem Verrücken des Blickes, der aber doch nicht in alle Ecken schauen kann, Künstlichkeit. Sein Werk beschäftigt sich primär mit Zuständen der Architektur, hinterfragt unsere Sensibilisierung für den öffentlichen Raum und dessen Inventar und unser Verhalten in diesem mittels Fokussierung, Entfremdung und Irritationen, Täuschung der Wahrnehmung und der Erkenntnis davon. Es handelt – der ursprünglichen Intention der neuen Medien folgend – mit dem Impuls der Dokumentation und unterläuft diese doch gerade. Es schafft eine eigene Realität, die atmosphärisch aufgeladen ist, Assoziationen auslöst, aber doch hermetisch bleibt. Dazu baut Janka die Räume und Kulissen für seine Videos selbst im Atelier in Oberbilk, für die am Computer animierte Serie „Studio Theatre“, die peu a peu seit 2013 entsteht. Die digitale Konstruktion und die damit verbundenen Arbeitsschritte nimmt er anschließend am Computer vor.
Daneben entstehen fotografische Werkgruppen. Die Serie „Resident Alien“ (2007-2013) besteht aus moderaten Farbaufnahmen, die – frontal, aus der Nähe fotografiert – geschlossene Haus- und Gebäudeeingänge mit ihren Treppenaufgängen und Rampen zeigen. Mitunter sind die Glastüren transparent, oder der Blick prallt ab und die Umgebung wird gespiegelt. Menschen sind bei diesen Architekturausschnitten, die (erkennbar an peripheren Schildern) in Osteuropa fotografiert wurden, nicht zu sehen. Im Gegenteil stellt sich der Eindruck des Verlassenen ein, verstärkt dann bei den fotografischen „Szenen“ (2005-09), die Hallen und Rohbauten, Treppenhäuser und Innenhöfe festhalten. Kabel hängen lose herab oder besetzen mit Bauschutt den Boden, Folien liegen herum oder verdecken aufgerichtet die Sicht in die Tiefe, und bei all dem stellt sich ein ausgeprägtes skulpturales Empfinden ein. Zu verstehen ist es im Sinne von Bewegung, der Erfahrung von dreidimensionalen Konstruktionen, die man am liebsten umkreisen möchte und des Gewahr-Werdens von Schwerpunkten im Raum, und all das als Bewusstmachung urbaner Befindlichkeit. Wie nimmt man einen fremden Raum wahr, der vielleicht gerade geräumt wurde und nun erstmal leer bleibt? Welche Räume ordnen wir der Vergangenheit zu – mit ihrem Gebrauch und ihrer Verfasstheit – und welche tragen den futuristischen Ton des Anonymen, dem zugleich etwas Labyrinthisches eigen ist, erst recht wenn es sich um Flure und verwinkelte Konstruktionen handelt und die Raumausschnitte eng gefasst und in farbiges Kunstlicht gehüllt sind, umfangen von tiefem Schwarz …
Jörg Paul Janka wurde 1965 geboren, er ist im Ruhrgebiet aufgewachsen und hat an der Kunstakademie Düsseldorf in der Fotoklasse bei Bernd und Hilla Becher studiert. Wichtig, so betont er, war für ihn aber ebenso ab 1991 das Gaststudium bei dem Medienphilosophen Vilém Flusser an der Ruhr-Universität Bochum, der eine andere Sicht auf die Fotografie und den Umgang mit ihr lehrte. Die Auseinandersetzung mit vorgefundenen und nun ausgewählten fotografischen und filmischen Bildern äußert sich im Anschluss an das Studium in seiner Mitwirkung am Foto- und Videomagazin „Ohio“. Gegründet 1995 gemeinsam mit Uschi Huber, Stefan Schneider und Hans Peter Feldmann, sichtet „Ohio“ fotografische und filmische Archive und wählt aus diesem Found Footage seine Reproduktionen aus. Seit 1999 führen es Huber und Janka alleine fort; zuletzt ist 2013 ein Magazin erschienen. Es sei aber nicht ausgeschlossen, dass bald ein weiteres folge, ergänzt Janka im Gespräch.
Daneben entsteht die eigene Arbeit. Größere Beachtung erhielt sein Buch „Liegen Lassen – Arbeiterzeichnungen“ im Kölner Salon Verlag (2004). Janka hat dazu aus dem Bestand an Industriefotografien im Ruhrmuseum Essen s/w-Auf nahmen von den späten 1940er bis zu den frühen 1970er Jahren zur Stahlproduktion ausgewählt, die Buchstaben, Schrift und Ziffern in weißer Kreide z.B. auf den rauen Stahlblöcken zeigen. Er hat daraus Ausschnitte genommen, welche die Kreidestriche als Zeichnungen im Hell-Dunkel-Kontrast weiter betonen, und diese Darstellungen – immer zwei Querformate übereinander – als Abfolge im Buch organisiert. Vielleicht deutet sich hier schon das maßgebliche Programm seiner Kunst bis heute an: das Mysteriöse schon im Ausschnitt, das noch in die Vergangenheit als Geschichte unserer Zivilisation weist, die atmosphärische Verdichtung und die Annäherung von verschiedenen perspektivischen Seiten, zumal als Kontinuum in Variation. Seine fotografischen und filmischen Werke wenden sich vom Menschen geschaffenen Orten und Situationen zu. Sie enthalten gekachelte Wände, Gerüste und Gestänge, die an Mauern lehnen, oder Unrat auf dem Boden. Oder auch Kleidungsstücke, wie in dem animierten Video „Die Hosenzentrale“, das 2019 in der Gruppenausstellung „d-polytop“ in der Kunsthalle am Grabbeplatz (passend mit Werken u.a. von Christine Erhard, Ulrich Hensel, Michel Sauer, Joseph Sappler) zu sehen war, darunter auch welche vom Galeristen Peter Tedden, bei dem er gemeinsam mit Christian Konrad ausgestellt hat. In einer Einstellung sanken, stiegen und schwebten die Kleidungsstücke als dreidimensionale Konstruktionen vor einer rohen, dadurch flächigen Mauer, wirkten darin artifiziell und doch so nah am Leben und wurden zugleich zu Vorhängen auf einer Bühne. „Eine frei erfundene Schaufenster-Kulisse wird über eine Hebeeinrichtung mit einer übergroßen Kleider-Kollektion bestückt. Alle Artikel sind gebraucht und durchaus noch in Verwendung“, schreibt Janka auf vimeo.
Bei Martin Leyer-Pritzkow wird nun – als aktuelle 3-D Videoanimation aus der Reihe der „Studio Theatres“ – „Quadrat- Ichendorf“ zu sehen sein, ein Loop mit einer Dauer von fünf Minuten. In gewisser Weise ist das Quadrat buchstäblich zu verstehen, schon in der Rasterung des Bodens, der sich in der Decke spiegelt oder ebenfalls dort installiert ist. Der Zuschauer blickt in ein verwinkeltes, durch Scheiben oder Spiegel unterteiltes Film- und Fotostudio, das im lichthellen Violett mit dem smaragdgrün erleuchteten Aufnahmebereich verführerisch und surreal entrückt wirkt, zumal etwa ein weißer Autoreifen und eine antik anmutende Nippes-Skulptur herumstehen. Der fließende Wechsel der Ansichten führt zu immer neuen Einblicken und Erkenntnissen zur Raumstruktur, vermittelt im Fortgang der Zeit. „Über langsame Bewegungen sollten die verwendeten Materialien als entworfenes Bühnenbild in den Raum skizziert werden. Es entstehen Kulissen zwischen Realität und Unwahrscheinlichkeit.“ (J.P.J., online) Zur Irritation tragen die Spiegel bei, die sich in den Weg stellen, in denen sich aber nichts spiegelt. Und dann taucht man selbst in das innere Zentrum der Konstruktion ein. „Die Arbeit […] wird zu einem temporären Foto- und Filmstudio, das von Privatnutzer*innen gemietet werden kann. Diese können sich in einer dafür installierten Kulisse ein ‚Neues Ich‘ erstellen lassen.“ (ebd.): Ein Konzept, das er demnächst auch in seiner neuesten filmischen 3-D-Videoanimation fortführt, die mit insgesamt 32 sich immer wieder begegnenden und auseinandergehenden Ich’s seiner Person in den (zu großen oder zu kleinen, aber repräsentativ standardisierten) Kleidungsstücken von Freunden inmitten einer typischen Bar in Oberbilk spielt und in seiner Handlung einen Tagesablauf aufführt. Die Subjektivität, mit der wir uns als kollektive Individuen durch unser Leben und die kleinen Geschichten in den eigenen und fremden Räumen bewegen, ist Grundlage für die Bewusstwerdung in einer Gesellschaft, die mehr und mehr fragil, täuschend echt und kaum noch überschaubar ist.
Jörg Paul Janka – Die Vermessung des Unsichtbaren
Bis 22.12. bei Martin Leyer-Pritzkow, Grupellostr. 8, 40210 Düsseldorf,
Besuch nach Vereinbarung: mlp@mlpart.com
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