Den Franzosen René Laporte (1905-1954) dürfte hierzulande kaum einer kennen, dabei hat er in seinem relativ kurzen Leben ein umfangreiches Werk vorgelegt. Zum ersten Mal auf deutsch erscheint der kleine Roman „Hôtel Solitude“, der, 1942 inmitten der deutschen Besatzung Frankreichs verfasst, in einem kleinen heruntergekommenen Hotel unweit der Côte d'Azur spielt. Ein gewisser Jérôme Bourdaine zieht sich von Monte Carlo angeödet ins Hinterland zurück, um im „La Turbie“ für eine gewisse Zeit bei einem zunächst etwas seltsam und verknittert wirkenden Hotelierspärchen zu logieren. Der Hotelbesitzer schwelgt zumeist nostalgisch in Erinnerungen an die einstmals hier abgestiegenen Stars. Einjeder, ob Prinz oder Normalsterblicher, konnte nur mit der Drahtseilbahn von der Côte aus hier hinauf, einen anderen Zugang gab es nicht. Doch seit einer gewissen „Katastrophe“ – womit nicht die Besatzung seitens der Deutschen o.ä. gemeint ist, sondern ein schwerer Unfall mit besagter Seilbahn – hat das Hotel an Attraktivität verloren, kaum einer lässt sich hier noch blicken. Immerhin taucht bald ein Pärchen auf, das Jérômes Interesse weckt. Vor allem sie, eine gewisse Zoya Sernitch, hat es Jérôme angetan, ihr Mann scheint davon nichts mitzubekommen und glänzt zunächst durch Abwesenheit.
Jérôme ergeht sich nun in Mutmaßungen, geradezu grotesk, was sich da alles in seinem Hirn abspielt, er verliebt sich in diese Frau, und nach einem anfangs eher bemühten Techtelmechtel zeigt sie sich seinen Avancen auch aufgeschlossen und könnte sich ein Abenteuer mit ihm durchaus vorstellen. Unmissverständlich gibt sie aber auch zu verstehen, dass sie ihren Mann niemals verlassen will, denn nur er garantiert ihr die materielle Sicherheit. Dieser Gatte weilt allabendlich also im Casino von Monte Carlo, um ihr dieses vermeintlich gute Leben mit Seidenstrümpfen und allem Drum und Dran bieten zu können. Man lebt von den Casinogewinnen, vollzieht einen kläglichen und jederzeit prekären Hedonismus. Es sind Jongleure am Abgrund, aber Monsieur Sernitch zieht es dennoch vor, pathetisch über das „letzte Gut: die Einsamkeit“ zu schwadronieren. Jérômes Bemühungen wiederum fruchten letztlich nicht: „Nie würde es ihm gelingen, Zoya zu überzeugen, er wusste es, und diese Ohnmacht ließ sein Herz bluten.“ „Zoya“ so heißt es, „war seine Chance. Die letzte Chance des Absoluten, die er verpassen würde.“
Am Ende betrinkt er sich, Realität und Fantasie verwischen zusehends, und bevor es dann doch zu einer gemeinsamen Nacht, einer einzigen, kommt, sind da die wundersam nebulösen Statements, z.B. wenn er Zoya zuflüstert: „Ich bin nicht ganz im Leben, wissen Sie“. Das ist kaum von der Hand zu weisen, denn Jérôme ist eher Bewohner eines Wolkenkuckucksheims.
Wie Laporte hier nonchalant die Schwebe hält zwischen Traum und Wirklichkeit und wie er mit originellen und poetischen Bildern die ohnehin träumerische Atmosphäre immer wieder stimmungsvoll zu verdichten weiß, ist einfach groß. Alle Figuren sind Gefangene ihres Einsamkeitskokons, aus dem sie einer Schnecke gleich nur kurz heraustreten, um sich ganz schnell wieder zurückzuziehen, sie leben, wie es einmal heißt, in „isolierten Gefängnissen“, ihre Kommunikationsangebote gelten nur in den überschaubaren Grenzen ihres Egoismus – der ihnen kurz Vorteile verschafft, der sie am Ende aber nicht retten wird.
René Laporte: Hôtel Solitude. Aus dem Französischen von Gabriela Zehnder. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2014, 119 S., 13.90 €
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