Jüngere Leser dieser Kolumne können sich vermutlich gar nicht vorstellen, was in den 1960er/1970er Jahren ein absurdes Gewese gemacht wurde um den Konsum von Haschisch – für die damalige Elterngeneration das Teufelszeug schlechthin, der Dreck, der die Jugend vernebelt – und deshalb auch für die damaligen Kids gleich umso attraktiver. Bob Dylan hielt schon damals knochentrocken fest: The times they are a–changing. Und so ist auch gekommen. Das Rauch gewordene Versprechen auf Freiheit und Abenteuer kann man sich heutzutage quasi ganz legal reinpfeifen. Ey, Hammer! Das Zeug wird sogar therapieaffin gegen Schmerzen eingesetzt (vorausgesetzt, man lässt erkennen, in einem irgendwie finalen Zustand zu sein). Kulturell gesehen ist Haschisch heute vor allem Teil individueller Erinnerung, und damit sind wir beim heute 71–jährigen Bernd Cailloux, einem sogenannten 68–er, der das Phänomen nochmal hübsch erzählerisch beleuchtet.
Cailloux zeigt in seinen eher kurz gehaltenen, insgesamt sehr schräg daherkommenden Geschichten, wie eine gelungene Sozialisation mit (und vor allem trotz) Haschisch möglich gewesen ist, der Stoff liefert sozusagen selbst den Stoff, der die Erzählungen vorantreibt. Dass das höchst unterhaltsam ist, zeigte vor Jahrzehnten schon T.C. Boyle mit seinem Roman „Grün ist die Hoffnung“ – bis heute ein Meilenstein des Genres und von dieser Stelle aus nochmals wärmstens empfohlen. In Cailloux' Drogengeschichten wird der Beweis geführt, dass das Leben im Zustand des Bekifftseins sowohl entspannter als auch spannender ist.
Gleich die erste Geschichte zeigt das. Es sind die frühen 60er Jahre, man erfährt von einer Kindheit im Nordharz, dort hört man, in Ermangelung alternativer Angebote, den britischen Soldatensender BFBS und lernt so die „Biettels“ kennen, der Erzähler – wir müssen davon ausgehen, dass es sich um den Autor handelt – beschreibt seine Freundschaft zu einem gewissen Charly („Wir trafen uns, redeten viel und wussten wenig“). Gezeigt ist eine jugendliche Durchschnittssozialisation – bis der Brief vom Kreiswehrersatzamt hereinflattert und die baldige Musterung die gerade aufscheinende Freiheit nach dem Ende der Schulzeit wieder zu erdrücken droht. Haschisch ist da bereits Maß aller Dinge, Kompensation wie Abenteuer. Charly kommt zur Marine, gelangt auf der „TS Düsseldorf“ bis nach Surabaya – und kehrt mit kiloschweren Stoff von dort zurück; in Hamburg wird das Zeug mit viel Massel am Zoll vorbeigelotst und später an die Freunde in Düsseldorf verteilt.
Eine der durchgeknalltesten Geschichten aber ist „Frau mit Flugplatz“, und diese Frau, Edith, ist Besitzerin eines Mittelklassenhotels und Inhaberin einer Privatpilotenlizenz, sie schafft es mit ihrer Chessna bis nach Tanger – um mit einen Sack Marihuana zurückzukommen. Nach allerlei privaten wie finanziellen Turbulenzen landet sie in den USA, sitzt dort einige Jahre im Knast ein wegen unerlaubten Marihuana–Besitzes und kauft sich, als sie wieder auf freiem Fuß ist, einen kaputten, verlassenen Flugplatz, auf dem seit Jahren keine Maschine mehr gelandet ist. Der vergessene Ort ist, man kann es sich denken, der ideale Ort für ihre Haschischplantage, und das geht auch so lange gut, bis eines Tages doch wieder Hubschrauber dort landen, dumm nur, dass sie von der Bundespolizei geschickt sind.
Die Geschichten dieses kleinen Buches lesen sich bestens als Häppchen zwischendurch. Düsseldorf und das legendäre Szenelokal „Creamcheese“ werden übrigens auch gewürdigt, diese Stadt war einst, man glaubt es kaum, eine bundesrepublikanische Hochburg in Sachen Shit & Bullshit. Goldene Zeiten, Leute.
Bernd Cailloux: Surabaya Gold. Haschischgeschichten. Suhrkamp Verlag, Berlin 2016, 140 S., 10.- €
aus biograph 07/2016
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