Ein rudimentärer Rollstuhl eindeutig und selbstbewusst! In einfacher Ausführung in himmelblau gelacktem Stahl hat er die Rückenlehne und die üblichen Beinstützen eingebüßt. Umso präsenter wirken die vorn und seitlich angebrachten Räder, die über Bluetooth gesteuert vor-, seit- und rückwärts fahren. Ihr Antrieb wird über Fahrradketten geleitet, die mit echtem Gold galvanisiert wurden. Sie wirken äußerst verwegen wie machoartig auffälliger Schmuck. Aufmerksamkeit beansprucht der Rollstuhl aber vor allem, wenn er seine Pfauenfedern und die Räder unbeholfen konzertant in Gang setzt. Rhythmisch getaktet wie Uhrzeiger und dann wieder stetig sanft aufsteigend bewegen sich die an einer Halterung hintereinander angebrachten Federn mal zum halben, mal zum vollständigen Rad. Immer erscheint dabei die Radformung, bis sie ihre volle Formation erreicht hat, als gewagtes, fragiles Unterfangen. Mit der Programmierung einer „Performance“, die bis zu zwölf Minuten dauern kann, führen die Bewegungen der Räder und der Federn einen skurrilen Tanz auf.
Der Pfau steht mit seinem Rad aus üppig schillernden Federn seit jeher für Unsterblichkeit ebenso wie für Stolz und Eitelkeit. Die letzten zwei gelten als schwer ausrottbare Eigenschaften, die gern verspottet werden. Doch wer sie sein Eigen nennt, ist ihnen meist blind erlegen. Stereotyp und arttypisch steuern fixierte Handlungsmuster die Menschen, die in ihrem Stolz und ihrer Eitelkeit permanent nach Aufmerksamkeit verlangen. In dieser Unfreiheit bewegen sie sich oft „behindertengerecht“ mit Hilfe von ausgesucht elektronischem und objekthaftem Gerät. Majd Suliman verleiht dem Klischee pfauenartigen Auftretens im ATTRACTION CHAIR süffisant Lebendigkeit. Der maschinenbasierte Hinweis auf das Behindernde dieser menschlichen Schwäche, die als Stärke getarnt auftritt, glänzt subtil in schwarzem Humor.
Die Kombination von Technologie und organischem Material rührt ohnehin an unsere aktuelle menschliche Befindlichkeit mit ihrem toxischen Bedarf an elektronischen Hilfsmitteln wie Handies, Hörhilfen oder medizinisch bedingte Taktgeber. Längst funktionieren wir Menschen als hybride Wesen, die durch maschinelle Unterstützung ihre Lebensqualität zu erhöhen suchen. Zur Selbstoptimierung und Selbstdarstellung nimmt eine brillante Performanz elektronischen Schnickschnacks sogar unabdingbare Qualität an. Majd Suliman nimmt uns da aufs Korn, wo wir es am wenigsten vermuten.
„Kunst-Stücke“
In dieser Reihe schreiben Studierende der Kunstgeschichte an der H.-Heine-Universität Düsseldorf über Kunstwerke Düsseldorfer Künstler und Künstlerinnen.
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