Da meint man, quasi alles über Charles Bukowski (1920–1994) zu wissen, und dann das: ein Buch, das dazu angetan ist, etliche Gewissheiten über den „dirty old man“ über den Haufen zu werfen. Man möchte dieses Buch vor allem jenen empfehlen, die eine attestierte Eigenständigkeit, ja Genialität dieses Mannes stets mit rümpfender Nase quittiert haben. Dass „Buk“ literarisch viel breiter aufgestellt war, eine dezidiertere Meinung bspw. zu Kant, Hegel, Faulkner, Hemingway oder Sherwood Anderson hatte – darauf wäre man ja vielleicht auch nicht sofort gekommen. Es gilt also, hinsichtlich des vermeintlichen „Gossendichters“ und „Schrecks der Kanalratten“ (eine Selbstbeschreibung) einiges klarzustellen. Dafür kommt dieser Band gerade recht. Es handelt sich um Briefe, die Buk zu Beginn seiner Schriftstellerei, ab ca. 1946, zunächst an (potentielle) Verleger schrieb, an Herausgeber von Zeitschriften, an Lektoren, Redakteure. Ihnen bot er seine geschriebenen Sachen an, und das waren vor allem Gedichte. Bukowski sah sich nämlich in erster Linie als Dichter (notabene nicht als Lyriker – „Lyriker sind schlecht für die Verdauung“, heißt es hier einmal), seine Prosa, die ihm später ja letztendlich das breite Publikum sicherte, war für ihn selbst weniger wichtig, sie benötigte viel mehr Zeit und Raum, die zu geben er zunächst nicht bereit war. Aber auch hier stellte sich erst einmal kein Erfolg ein: die ersten Gedichte scheinen, in den ersten Jahren zumindest, von den meisten Redaktionen und Verlagen abgelehnt worden zu sein.
Doch darüber geriet er nicht ins Jammern. Man ist, gerade wenn es um seine eigene, notorisch prekäre Situation geht, überrascht von seinem Witz. Der drückt sich auch in den wenigen hier mit abgedruckten Skizzen aus, die mit schnellem Strich aufs Blatt gepinselt sind. Statt vieler Worte zeigt er seine aktuelle Situation, z.B. seine Alkoholabhängigkeit. Dabei führt seine schwierige materielle Lage zu keiner anbiedernden Arschkriecherei in Richtung seiner Gönner, die Briefe zeichnen so ein überaus authentisches Porträt.
Bukowski hat sich einen ureigenen Reim auf die Literatur gemacht, Gedanken zur Literaturästhetik wechseln mit Reflexionen zum Irrsinn der Welt und philosophischen Aperçus.
Er äußert mehrfach seine Bewunderung für den französischen Schriftsteller Céline und stänkert gegen André Gide („Flachwichser“). Dass Buk eine eigene Schreibtheorie hatte, sich auskannte in der (und nicht nur amerikanischen) Literatur und seine Vorlieben und Abneigungen klar auszudrücken vermochte, erweitert das Spektrum seiner Geschichten ungemein. Oftmals in seinen Briefen bietet er seinem Adressaten eine Art Kurzbiografie an (die variiert von Fall zu Fall) und weiß er ein pointiertes Profil von sich zu geben. Einer seiner Hauptverleger war John Martin, der Gründer der Black Sparrow Press, und gerade in den Briefen an ihn zeigt sich die ganze Palette von Begeisterung bis bitterer Enttäuschung, denn Martin konnte Buks Gedichte lange zurückhalten (was den Gehaltfluss empfindlich verzögerte, sodass er seine Gedichte gleich paarweise, zwei für 10 $, anbot und sogar „Mengenrabatt“ versprach), ganz abgesehen davon, dass Martin ungefragt und selbständig Streichungen vornahm, was nicht unbedingt von Respekt zeugt. Die vorliegende Übersetzung von Marcus Ingendaay (sein langjähriger deutscher Übersetzer Carl Weissner verstarb schon vor Jahren) wirkt souverän, trifft die lapidare Buk'sche Schnoddrigkeit auch im Deutschen zielgenau.
Charles Bukowski: Über das Schreiben. Briefe an meine Weggefährten und Gönner. Aus dem amerikanischen Englisch von Marcus Ingendaay. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2017, 279 S., 18.- €
aus biograph 10/2017
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