Bei seiner Geburt, so heißt es, gab es ein heftiges Gewitter und der Himmel war voller Blitze. Das liest sich bereits fast wie ein Menetekel, weil alles, was mit Strom zu tun hatte, das Leben des Nikola Tesla (1856-1943) bestimmen sollte. Ein echtes Genie war dieser Mann, ein Tausendsassa, der wie sein Zeitgenosse und späterer Konkurrent Thomas Edison ein Leben lang einem staunenden Publikum ein wahres Feuerwerk an Ideen und Erfindungen vor die Nase setzte. In dem neuen Roman von Jean Echenoz, dem Ende einer Trilogie mit erdachten bzw. weitergedachten, auf Anekdoten beruhenden Biographien (in ähnlicher Weise hatte der Franzose zuvor schon die Lebensläufe Maurice Ravels und Emil Zátopeks „erforscht“), heißt der schillernde Ingenieur schlicht Gregor, wohl in der Absicht, das Fiktive des Ganzen zu wahren. Er wird jedenfalls derjenige sein, der „den Strom nutzbar“ macht. Aus Serbien stammend gelangt er in die USA, und seine bahnbrechende Entdeckung dort ist zunächst der Wechselstrom, während genannter Edison sich noch als ebenso glühender wie rückständiger Vertreter des Gleichstroms versteht.
Geschildert ist er bei Echenoz als eine überaus bizarre Figur, als Exzentriker, der sommers wie winters eine Melone auf dem Kopf trägt, als ein Egomane, der in allen Ansätzen zwischenmenschlicher Beziehungen geradezu kläglich scheitert. Sein Erfolg indes, mithin seine Karriere und das damit verbundene Geld, ist unaufhaltsam, und Konkurrent Edison, der krampfhaft und uneinsichtig an seinem Gleichstrom festhält, wird letztendlich das Nachsehen haben. Der Kleinkrieg der beiden Protagonisten ist ein höchst unterhaltsamer Moment dieses Buches. Um sein Monopol zu wahren, lässt Edison beispielsweise in aller Öffentlichkeit, zu Showzwecken und um die Gefährlichkeit des Gegenmodells zu demonstrieren, Hunde und Katzen, später auch Ochsen und Elefanten, an Wechselstrom anschließen und sie elendig zugrunde gehen. Doch er gibt noch einen drauf: er schlägt diversen Gefängnisleitungen vor, auch Verhaftete damit zu traktieren, und Echenoz lässt keinen Zweifel daran, dass hier der Weg direkt zur Erfindung des elektrischen Stuhls führt.
Dennoch wird Gregor, nicht Edison, in Amerika der wahre Star sein, man reißt sich förmlich um ihn. Sein Problem besteht darin, dass er viele Dinge zwar konzipiert, sie dann aber schlichtweg vergisst, dass er seine Patente nicht schützen lässt und es anderen überlässt, sie sich unter den Nagel zu reißen und die Lorbeeren einzuheimsen (etwa bei der Erfindung der Neonröhren). Mit der Zeit wird es immer seltsamer mit Gregor: er arbeitet an einem Radioempfänger und glaubt Botschaften von Marsmenschen zu empfangen. Die Journaille greift es auf und macht sich lustig über ihn, derweil er in seinem Kämmerlein vornehmlich daran denkt, wie und was er den Marsmenschen antworten könnte.
Es ist natürlich eine klassische Parabel von Aufstieg und Niedergang, und Gregors Ende wirkt in der Tat unrühmlich. Er vereinsamt, verschuldet sich, zieht von einem billigen Hotel zum anderen. Was bleibt, sind seine Tauben, denen seine alleinige Liebe gilt.
Bei allen Verschrobenheiten und auch wenn die geschilderten Ticks so etwas nahelegen: Echenoz hat zwar einen leicht ironischen Blick auf diesen Mann, er gibt ihn aber nicht der Lächerlichkeit preis. Man folgt den genialen Verrücktheiten einfach höchst amüsiert.
Jean Echenoz: Blitze. Roman. Aus dem Französischen von Hinrich Schmidt-Henkel. Berlin Verlag, Berlin 2012, 143 S., € 17.99
aus biograph 02/2013
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