Erste Reaktionen auf bzw. Rezensionen zu diesem Buch sind demselben bereits mitgegeben, am Ende ist da z.B. zu lesen, was die „Welt“, die „Süddeutsche“, die „RP“ oder die „Junge Welt“ von dieser Publikation halten – das ging ja schnell, denkt man, bei einem Buch, das gerade erst erschienen ist. Ist natürlich, logisch, ein Fake, der allerdings, weil er die Diktion der jeweiligen Zeitung sehr genau trifft, täuschend echt wirkt. Und das sagt gleich auch etwas aus über die gut fünfzig Glossen, die Olaf Clees für das Düsseldorfer Stadtmagazin Fiftyfifty in den letzten Jahren allmonatlich verfasst hat und die jetzt, zusammen mit den auf den ersten Blick bizarr und kryptisch wirkenden Zeichnungen des ehemaligen Liedermachers Dieter Süverkrüp, in einem ästhetisch ansprechenden Band erschienen sind.
Das Erstaunliche ist dabei, dass die zeit(geist)bedingten Glossen bis dato nichts oder bestenfalls nur sehr wenig von ihrer verschmitzten, grundsätzlich abgrundtief ironischen Art verloren haben. Dabei weisen Clees' Glossen zwei Schwerpunkte auf, zum einen nehmen sie, da sie in einem Stadtmagazin erscheinen, die Landeshauptstadt mit ihren lokalen planerischen Besonderheiten (Kö–Bogen) bzw. Peinlichkeiten (Düsseldorf–Grafental: „Kein Platz für Kleinverdienergesocks“) kritisch unter die Lupe, zum anderen kommen sie schon mal beinhart politisch herüber. Sowohl der Düsseldorfer als auch der Berliner Politikbetrieb wird gnadenlos auf die Schippe genommen, das ganze Parteiengelumpp mit seinen oft seltsam verstört wirkenden Protagonisten gerät bei Clees zum selbstreferentiellen Kuriositätenkabinett. Auf einige Figuren hat Clees sich nachhaltig eingeschossen, da sorgt allein schon die Erwähnung der Namen (Pofalla, Dobrindt, Rösler, Altmaier) für Erheiterung. Clees hat leicht erkennbar eine spitze Zunge bzw. Feder, man ist mitunter an das politische Kabarett eines Volker Pispers erinnert, ohne dass hier allerdings auf eine ultimative Pointe gedrängt würde, es reicht, wenn die himmelschreienden Dinge nur schonungslos in ihrer Lächerlichkeit gezeigt werden.
Viele der in dem Band chronologisch in umgekehrter Weise erzählten Glossen (es geht von 2015 rückwärts bis 2009) stimmen einen auch im zeitlichen Abstand noch nachdenklich, weil alles einfach so zermürbend aktuell erscheint, zum Beispiel, wenn Clees über die Abhörattacken amerikanischer Behörden im Jahre 2013 erzählt. Damals wurde das Netz mit fast 400 sogenannten Schlüsselbegriffen durchkämmt. Und was kam dabei heraus? Die Liste erspähte Begriffe wie Taliban, Waffe, Selbstmordattentäter, und klar, das macht Sinn – „(...) pflegen Terroristen einander doch gern Nachrichten zu senden wie: 'Hallo Talibans, morgen geht die Bombe hoch, liebe Grüße, euer Selbstmordattentäter...'“ Doch auch vollkommen unverdächtige Begriffe („krank“, „hitzebeständig“, „Schwein“) können, geschickt kombiniert, dazu führen, dass stante pede eine Akte über einen angelegt wird. Auf solche bedenkliche wie absurde Dinge hinzuweisen ist bei allem kopfschüttelnden Amüsement ein nicht zu unterschätzender Verdienst dieses Buches.
Ein Wort noch zu den Zeichnungen Dieter Süverkrüps: Sein Strich bezieht sich stets auf den jeweiligen Text, verzerrt ihn aber und gibt ihn schließlich in wunderbarer Eigenwilligkeit wieder, mal als Kommentar, mal als ins Surreale gewendete Spielerei. Fest steht jedenfalls: die beiden Männer ergänzen sich komplett, kongenial und überhaupt.
Olaf Clees / Dieter Süverkrüp: Botox für alle. Glossen und Zeichnungen. Fiftyfifty Edition, Düsseldorf 2015, 114 S., 28 €
aus biograph 11/2015
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