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Taxi driver

Die biograph Buchbesprechung von Thomas Laux

Von dem Exilrussen Gaito Gasdanow (1903–1971) hatte bis vor wenigen Jahren kaum jemand Kenntnis; erst mit dem überraschend aufgelegten und dann sehr erfolgreichen Roman „Das Phantom des Alexander Wolf“ wurde er auch hierzulande einem breiteren Publikum bekannt. Gasdanow lebte ab 1923 in Paris, hier entstanden seine wichtigsten Werke, das vorliegende gehört zweifelsfrei dazu.
Wir erleben einen introvertiert wirkenden Erzähler im Paris der 1920er/1930er Jahre, der Mann macht sich Sorgen um seinen Lebensunterhalt, verdingt sich, nach verschiedenen miesen Gelegenheitsjobs zuvor, nunmehr als Taxifahrer, klappert vorzugsweise nachts die großen Boulevards nach Kunden ab. Seine Gefühlswelt pendelt zwischen Verachtung und Mitleid für die vielen schrägen Figuren, die Betrunkenen und die Hasardeure, die sich bei ihm im Wagen einfinden, darunter übrigens auch Greise und Geistliche, die ins Bordell wollen. „Dieses ganze Leben war mir fremd und weckte in mir nichts als Ekel oder Mitleid, all diese Freunde von Nachtbars oder einschlägigen Etablissements (…), von alldem drehte sich einem der Magen um (...)“. Man kann hier gar nicht anders, als an Scorseses „Taxi driver“ zu denken, an Travis Bickle (Robert de Niro), den all die dekadenten Erscheinungen der Großstadt so nachhaltig anwiderten, dass er seine Abscheu nur noch herauskotzte. Wie Bickle schwadroniert auch der namenlose Ich–Erzähler hier in eigenwillig moralischen Umkehrschlüssen über „kriminelles Pack“ und lässt rassistischen Dampf ab. Zugleich erscheint er einem aber zu intelligent oder sogar zu intellektuell, als dass er es auf derart dumpfen Hasstiraden beruhen lassen könnte. Vermutlich macht ihm einfach das harte Aufeinanderprallen urbaner Extreme zu schaffen. Seine kruden Beschreibungen wechseln mit einer fast poetischen Liebeserklärung an das, was zu bewahren er sich auf die Fahnen geschrieben hat – etwa die Freundschaft zu der alternden Prostituierten Jeanne Raldy, die, einst wohl eine edle Erscheinung, nunmehr verblichen und von Drogen gezeichnet ist; mit ihr verplaudert er gerne seine freie Zeit. Durch Raldy lernt er eine andere Prostituierte kennen, die blutjunge Alice, von deren Schönheit er geblendet ist. Auch Raldy fasst sie ins Auge, will aus ihr eine „Halbweltdame“ machen, was sie wohl als eine Nobilitierung versteht. Da es Alice  an intellektueller Bildung mangelt, muss hier unser belesener Taxifahrer ran; er besorgt ihr Bücher, Weltliteratur, doch abgesehen von diesem Engagement behandelt er sie herablassend, ja schäbig. Mit Raldy wiederum geht es bald bergab, sie hat Herzprobleme und stirbt letztlich ganz allein ihrer Wohnung. Der Erzähler gibt Alice, die sich bald als „Künstlerin“ sieht und als Stripperin arbeitet, eine Mitschuld an Raldys Tod. Diese beiden versprengten Seelen kommen ohnehin nicht zueinander.
Dieses bunte Sammelsurium von Trinkern, pöbelnden Exilrussen und Pennern leidet im Gegensatz zu den widerlichen Zuhältern drumherum immerhin nicht an „moralischer Syphilis“. Es gibt starke Begegnungen mit Typen wie „Platon“, der unter Einfluss von Alkohol allerlei philosophische Statements von sich gibt, die sogar den Erzähler beeindrucken können. Später wird man auch hier Zeuge eines rapiden Verfalls, wie überhaupt Gasdanow sich einer systematischen Darstellung des Untergangs verschreibt. Dieses atmosphärisch dichte, durchweg beeindruckende Buch ist deshalb aber noch kein „Roman des Absurden“, wie das Nachwort behauptet, vielmehr antizipiert es die existenzialistische Lebenseinstellung, wie sie sich erst Jahre später, vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg, europaweit zeigen sollte.

Gaito Gasdanow: Nächtliche Wege. Roman. Deutsch und mit einem Nachwort von Christiane Körner. C. Hanser Verlag, München 2018, 287 S., 23.- €

aus biograph 05/2018

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