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Alt gleich gut und neu gleich bedrohlich?

Die biograph Ouvertüre Dezember 2016

Ich bin ja normalerweise jemand, der gerne an Altem festhält. Die Tradition sei ein Wert an sich, hieß es einst. Das hat mir eingeleuchtet. Außerdem bin ich selbst alt und habe schon zweifach die Grenze übersprungen jenseits derer man niemandem mehr trauen sollte. Sagte man jedenfalls in den Sechzigern. Es sind also quasi naturgegebene Gründe, die mich zum Verharren im Vertrauten veranlassen.

Manchmal jedoch kommt das Gefüge meiner Werte ins Wanken. Dann höre ich gute Argumente, und wenn mein erster „Auf keinen Fall“-Reflex abgeklungen ist, scheinen sie mir durchaus bedenkenswert. Die Argumente begleiten mich dann eine ziemliche Weile. Es ist nicht so, dass sie mich direkt eroberten, aber weggehen mögen sie irgendwie auch nicht.

Es war ein junger bärtiger Mensch, der mich kürzlich fragte, ob immer nur das Alte gut und immer nur das Neue schlecht sei. Das war natürlich eine rhetorische Frage, eine, die mich ins Grübeln bringen sollte. Ich wusste genau, welcher Meinung der Frager war. Er plädierte in Wahrheit für einen besonderen  Fortschrittsglauben. Er ist kein Wachstumseuphoriker, der nur im ewigen Immer-mehr sein Heil sieht. Er ist ein durchaus bedachter Mensch, der wohl weiß, dass wir mit Ressourcen nicht so umgehen können wie wir das in den vergangenen 50 Jahren getan haben.

Just dieser junge Bärtige stellte mir nun die Frage, ob meine Kritik an neuen Bauvorhaben wirklich gerechtfertigt sei, ob die Kritik nicht vielleicht allein meinem Hang zur Besitzstandswahrung entspringe, auf der naiven Gleichung beruhe, dass alt gleich gut und neu gleich bedrohlich sei. Er fragte mich, ob ich dem Neuen nicht einfach mal eine Chance geben wolle. Er erinnerte mich an den Streit um den Bau des Rheinufertunnels, um die Befürchtungen, das blaue Wellenpflaster könne die Menschen am Rhein in den Wahnsinn treiben. Er fragte mich, ob ich den neuen Vorhaben, die sich Kö-Bogen nennen, nicht erst einmal eine langfristige Chance geben wolle.

Natürlich habe ich ihn ausgelacht und habe ihm erzählt, wie oft die Bürger der Stadt schon verschaukelt wurden mit großen Versprechen und winzigen Einlösungen. Ich sagte ihm also, er solle sich davon machen mit seinen Fragen. Ich für meine Person bliebe lieber beim Gewohnten.

Er ging, aber schon als er mich da stehen ließ, spürte ich, dass etwas nicht richtig ist, dass sich meine schroffe Ablehnung schal anfühlt. Ich wollte ihm nachrufen, dass mein Widerstand ihm dereinst zu Gute kommen werde. Schließlich müsse er all die zweifelhaften Neuerungen noch ertragen, wenn ich längst Geschichte bin. Ich rief ihm nicht nach, weil ich auf einmal merkte, dass das, was er da vorgetragen hatte, durchaus auch seinen Gehalt hat. Und wer bin ich, die jungen Menschen bevormunden zu wollen. Die müssen mit der Zukunft leben, ich nicht mehr. Sollte ich nicht also ihnen überlassen, wie sie damit umgehen?

Ich stelle mir seitdem viele Fragen und betrachte viele Proteste in einem etwas anderen Licht. Ich bin noch in keinem Fall zu einer endgültigen Meinung gekommen. Wenn etwa die neuen Kö-Leuchten ein modernes Design aufweisen, kommt Protest. Lieber möchten die Menschen offenbar die alten Leuchten weiter nutzen. Es sind die Leuchten, an die sie sich gewöhnt haben. Mir gibt zu denken, dass die alten Leuchten, würden sie heute neu vorgestellt, umgehend als so hässlich abqualifiziert werden würden wie sie eigentlich sind.

Oder die Gaslaternen, die umgerüstet werden sollen auf LED. Ist das so schändlich, wie es die Bewahrer behaupten? Und die neuen Brücken-Gitter an der Karolingerstraße, sind die wirklich einen Aufschrei wert? Dann noch das Ingenhoven-Tal vor dem Schauspielhaus. Braucht das irgendwer? Wird das nicht wieder nur ein Mahnmal der hemmungslosen Investorenpflege? Gestern habe ich spontan ja gesagt, heute denke ich darüber neu nach. Nicht dass ich auf einmal den Düsseldorfer Sonnenkönig alias OB in mein Herz geschlossen hätte. Ich finde nur einfach Gefallen am Nachdenken, an der Vermeidung des schnellen Nein-Reflexes. Auch wenn wir tausend Mal betrogen wurden, sollten wir doch unsere Fähigkeit zu vertrauen, nicht verlieren. Auch auf die Gefahr hin, wieder betrogen zu werden.

Wir sollten lernen, länger zu denken, auch Gegenargumente zu hören. Wir sollten lernen, mit jenen zu reden, die anders denken als wir. Gerade in Zeiten, da die Welt offenbar giert nach einfachen Lösungen für komplexe Probleme, sollten wir den schwierigen Weg wählen, sollten wir darauf vertrauen, dass wir andersdenkende Mitbürger überzeugen können. Mit wahren Worten und unserem warmen Wesen. Und wenn wir das nicht schaffen, sollten wir überprüfen, ob unsere Worte so wahr und unser Wesen so warm ist, wie wir denken.

Nichts ist wie es scheint. Schon gar nicht auf den ersten Blick. Alles sollte überdacht werden. Gemeinsam. Wir können reden. Wir müssen reden. Gerade jetzt. Fröhliche Weihnachten, Düsseldorf.

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