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Die Protected Life Lane wird täglich enger.

Die biograph Ouvertüre Juli 2020

Sollen wir wieder? Oder sollen wir nicht? Ein bisschen Kultur wagen? Eine Lesung? Ein Kinobesuch? Nur draußen? Oder auch drinnen? Da, wo viele sind? Oder besser dort, wo keiner den Weg kreuzt? Oder doch nur das Nötigste erledigen, und dann, husch, husch, zurück ins Körbchen? Ich weiß es doch auch nicht. Ich sage es so: Mal habe ich Mut, mal habe ich keinen. Ich bin da ein bisschen wie Düsseldorf. Man muss mich manchmal vor mir selbst schützen.
Bekanntermaßen spielt Düsseldorf, wenn es um Unentschlossenheit geht, ganz vorne mit. Erste Unentschlossenheitsliga quasi. Düsseldorf will alles und zwar sofort, aber ohne sich so richtig die Hände schmutzig zu machen. Man probiert gerne ein bisschen planlos herum, und wenn es dann Probleme gibt, sagt man: So haben wir das jetzt aber auch nicht gemeint.

Ein schönes Beispiel ist der neue Radweg an der Cecilienallee, der von der Stadtverwaltung in guter heimatsprachlicher Tradition als „Protected Bike Lane“ verkauft wird. We are the world, you know. Letztlich ist doch alles nur ein steter Austausch, sprachlich wie menschlich. Ich kann es schon jetzt kaum erwarten, dabei zu sein, wenn in London der erste „vorübergehend angebrachte, geschützte Radweg“ mit just diesem deutschen Titel eingeweiht wird. Aber zurück an den Rhein. Wir sind nicht London. Trotzdem sind unsere Bike Lanes protected.
Diese Protected Bike Lane an der Cecilienallee wurde nun aber offenbar auch nach dem handelsüblichen Ma-gucken-Prinzip einfach so in die Landschaft gepflanzt. Nichts gegen geschützte Radwege, nichts gegen einen Radweg an dieser Stelle. Es kann gar nicht genug Radwege geben, um den Autos zu zeigen, dass es zu viele von ihnen gibt. Aber es stellt sich schon die Frage, ob man nicht möglicherweise, wenn man Gutes tun will,  erst einmal nachdenken und dann machen sollte.
„Ach was, komm, geh weg! Nachdenken, wer will das denn? Heißt doch nicht umsonst nachdenken. Man denkt also nach der Tat. Sonst hieße es ja vordenken.“
Kaum war die Protected Bike Lane installiert, musste schon nachgebessert werden, und es würde mich nicht wundern, wenn zwischen dem Entstehen dieser Zeilen und der Veröffentlichung schon wieder irgendein Improvement an der Protected Bike Lane place getaken hätte.

Das ist natürlich das Konzept des Ma-gucken-Prinzips. Wäre der liebe Gott bei der Schöpfung so schlampig vorgegangen, könnte man die Menschen nun sicherlich als Spezies definieren, die es schafft, den Ast, auf dem sie sitzt abzusägen. Ach, er ist so schlampig vorgegangen? Und es gibt Menschen, die wissen, was für ein ökologischer Mist urbane Sportpanzer und billiges Schweinefleisch sind und trotzdem glauben, just diesen Mist haben zu müssen? Ja, wer kann denn so etwas ahnen?
Um es mal in Düsseldorfer Amtssprache zu sagen: Die  Protected Life Lane wird täglich enger.

 „Ach was, komm, geh weg! Wir können das noch drehen. Wir haben noch immer alles gedreht bekommen. Erst Mist bauen, dann alles drehen, die rheinische Lösung, you know?“
Wie schwer das mit dem Drehen allerdings werden kann, erlebt die Stadt gerade beim Nazi-Denkmal am Reeser Platz, wo sich gerne mal die Ewiggestrigen versammeln, weil sie sich am rechten Ort wähnen. Denen wollte man es nun aber mal so richtig zeigen. Mit einer rostigen Stahlrampe, die schräg über den hässlichen Nazistein gelegt werden sollte und wirkte wie aus der Deko einer Rammstein-Kulisse gerissen. So sah zumindest der Siegerentwurf eines Wettbewerbs aus, der vorgab die Wirkung des Denkmals massiv zu verändern, weil durch die Stahlrampe angeblich die Zentralachse des Bösen massiv gestört werde.

Es bedurfte erst einiger Künstler, die geharnischten Protest einlegten, bevor es einen Rückzieher gab und die Einsicht wuchs, dass es Neonazis, die sich versammeln wollen, ziemlich wumpe ist, wenn mit jeder Menge guten Willens die Zentralachse eines Nazi-Monuments massiv gestört wird.
Die Intervention kam gerade rechtzeitig, denn nach den Protesten gegen Rassismus, die nicht nur in den USA starken Widerhall fanden, stehen Denkmäler mit zweifelhaftem Hintergrund neu im Fokus. Statuen von Rassisten landeten im Wasser oder wurden beschmiert, weil nicht alle einsehen wollten, dass man per Steinmonument an Sklavenschinder, Menschenquäler und Mörder erinnern muss. Denkmalschutz hin, Denkmalschutz her.

 So langsam macht sich nun auch in Düsseldorf so etwas wie eine Einsicht breit, dass das handelsübliche Laissez-faire-Getue in eine Sackgasse geführt hat, dass man manchmal mit dem Ma-gucken-Prinzip nicht weiter kommt, dass man manchmal wirklich Stellung beziehen muss.
Und um es mal kurz zu sagen. Der Reeser Platz wäre schöner ohne das Nazi-Monument. Es braucht nicht diesen Stein gewordenen Ungeist, um die Lebenden vor sich selbst zu warnen. Von einem erinnerungskulturellen Kassensturz war in der „Süddeutschen Zeitung“ die Rede, und im „Spiegel“ forderte die Geschichts-Professorin Hedwig Richter „Hol den Vorschlaghammer!“. Dem ist wenig hinzuzufügen.

Und übrigens: Die Protected Bike Lane führt auch am Reeser Platz vorbei.

Hans Hoff

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