The Opera, the Opera, we all like the Opera. Die niederländische Spaßkapelle Dizzy Man’s Band hat das in den Siebzigern sehr spaßig besungen. „And if you wanna have some show I know where you have to go“ haben die Musiker geträllert und damit einen guten Punkt getroffen. Wer damals Show wollte, der musste meist in eins der staatstragenden Kulturhäuser, weil ja nicht jede Woche eine holländische Zottelband für turbulente Unterhaltung sorgte. „In every town's a concert hall where we gonna have a ball“, hieß es weiter, und es stand bei allem Unernst für die damals noch vorhandene Breitenwirkung der Institution Oper. Natürlich ging es traditionell eher steif zu in den subventionierten Trällerbauten. Diesem Umstand zollte die Dizzy Man’s Band Respekt mit der Zeile „It seems a bit official style but we can join it for a while“, und ließ die erste Strophe münden in einer unmissverständlichen Werbebotschaft: „So let's go to the opera and listen to that silly crow.“ Es klang manchem als albernes Krähen, dämliches Jauchzen, aber es gehörte fest dazu, war Teil des kommunalen Kanons.
Diese Botschaft, dass wir alle die Oper lieben, auch wenn sie gelegentlich ein bisschen albern und steif wirkt, wurde vor knapp 50 Jahren in die Welt geschmettert und könnte als Beleg dienen, dass die Kultur einst eine gänzlich andere war, dass die Oper inzwischen erheblich an Erhabenheit und menschenverbindender Wirkung eingebüßt hat. Das fällt besonders auf in einer Zeit, da sich nicht wenige Menschen fragen, ob die Oper noch im Kern der Kultur steht, oder ob sie nicht eher ein Randdasein fristet. Ist in der Oper noch mehr Kultur drin als im Joghurt? Oder sind die Singspiele nurmehr Relikt einer Zeit, in der es nicht die Möglichkeit gab, per elektronischem Dingsbums alle Inhalte, das Schauspiel, den Gesang, den Tineff drumherum jederzeit und allerorten abrufen zu können? Tötet die mediale Netflixisierung auf Dauer die öffentliche Kultur?
Das sind Fragen, die diskutiert werden wollen, wenn es in Düsseldorf um ein neues Opernhaus geht, für das auf jeden Fall ein dreistelliger Millionenbetrag fällig ist. Wo das letztlich steht, ist erst einmal eine eher ästhetische Frage, die von Architekturfreunden und Stadtplanern klug beantwortet sein will. Die Oper am richtigen Platz kann die Stadt schmücken, die Oper am falschen Platz kann ein Störfaktor auf ewig werden. Oder einfach nur nutzlos rumstehen.
Wichtiger als die Standortfrage erscheint indes die eng mit der örtlichen Positionierung verbundene Frage nach dem Inhalt. Was will Oper künftig noch sein? Reicht es, auf ewig die immer gleichen Stücke in aktualisierten Inszenierungen herunterzuleiern, oder muss da nicht mehr her? Eine Öffnung zur Straße vielleicht?
Kürzlich ließ sich jemand zur These hinreißen, dass die Oper am besten auf und in den Hauptbahnhof gehört, so dass alle Menschen, die dort ein- und aussteigen durch die Oper durch müssen, dass sie zwangsläufig direkten Kontakt zur Oper bekommen. Wichtiger noch erscheint mir bei dieser möglicherweise abstrus klingenden These, dass auf diese Weise auch die Oper Kontakt bekäme zu den Menschen, die eigentlich nur von A nach B wollen und deshalb wenig Zeit und Sinn fürs Künstlerische haben.
Die Idee, die dahinter steht, ist natürlich die Theorie von der Rückholung der Oper in die Mitte der Gemeinschaft. Oper darf nicht nur ein Ort für Abonnenten und Kulturpolitiker sein, sie muss attraktive Angebote für eine möglichst breites Publikumsspektrum bieten. So etwas funktioniert eher schlecht, wenn man die Oper in einen Elfenbeinturm hinten im Hafen verbannt. Eine gute Oper muss in die Mitte, sie muss umrahmt werden von attraktiven Angeboten, die das Hingehen und Hinschauen auch jenseits der Vorstellungen reizvoll machen.
Natürlich wäre eine engere Anbindung ans Schauspielhaus wünschenswert, aber nicht nur das. Es wäre eine engere Bindung an alle relevanten Kulturinstitutionen wünschenswert. Der Austausch, den es ja schon in manch lobenswerten Ansätzen gibt, muss dringend intensiviert werden. Oper auf dem Burgplatz? Ein schöner Ansatz. Mehr davon. Warum nicht eine Zakk-Filiale in der neuen Oper einrichten? Und ein Kino?
Oder wie wäre es mit Oper mitten auf der Kö? Die findet indes längst statt. Die Auto-Poser haben sich da eine Bühne geschaffen und lassen sich auch von gelegentlichen Sperrungen nicht abhalten, ihr PS-Spektakel aufzuführen. Natürlich wirkt das hirnlos, wenn aufgeplusterte Boliden laut bollernd den Kö-Graben umrunden und dabei Zeugnis ablegen vom ausbaubaren Intellekt ihrer Lenker. Es ist ein sehr einfältiges Vergnügen, dass da wenige zelebrieren und damit viele belästigen. Für nicht wenige der Inbegriff von Düsseldorfer Protzkotzigkeit, dargestellt von Gästen, die von weit anreisen, um zu zeigen, was sie zu haben glauben. Bis mal wieder ein Poser am Baum landet oder sonst wie zu Schaden kommt. Dann ist großes Drama. Aber es ist auch so etwas wie große Oper, nur dass keiner singt.
Und keiner versteht, was die da wollen. Aber kann es nicht sein, dass in diesen aufgemotzten Karren auch hier und da ein Romeo zu finden ist, und am Straßenrand steht eine Julia? Oder umgekehrt? Als in den 50er-Jahren die „West Side Story“ entstand hat erst auch niemand verstanden, was die jungen Menschen da wollten. Sie wurden als hirnlose Rabauken abgetan. Aber aus dem Konflikt zwischen sich selbst als Rebellen inszenierenden Rowdys ist großes Theater entstanden, das auch schon das Programm der Düsseldorfer Oper bereichert hat. Warum also nicht ideenreich die Brücke schlagen zwischen den Posern auf der Straße und den Posern auf der Bühne? Wie wäre es, wenn eine schnelle Eingreiftruppe der Oper per Flashmob die Poserszene beschallte? Live und auf der Kö?
Reizvoll wäre das auf alle Fälle. Und was kann schon passieren, wenn mal etwas wagt, was aus dem Rahmen der traditionellen Guckkastenbühne herausfällt? Die Oper muss dringend zurück in die Mitte der Gesellschaft, auf dass es morgen wieder heißt: The Opera, the Opera, we all like the Opera.
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