Alles gut in Düsseldorf? Klar doch, 'türlich, selbstredend! Ja, so ging jahrelang die Rede. Es fluppte in dieser Stadt. Und wenn es nicht fluppte, dann schaffte man es wenigstens, den Anschein eines Gelingens zu wahren. Düsseldorf – die Gelingerstadt.
Und nun, da der Bundestagswahlsalat angerichtet ist und sich die Augen wieder wegbewegen können von der schleimigen Berliner Politposse, wie sieht es da aus im beschaulichen Städtchen, in dem sich die Düssel gleich zwiefach in den Rhein erbricht? Strahlt da noch das kunstvoll gefertigte Mosaik, das in seiner filigranen Vollendung die Gelingerstadt zeigt?
Ist natürlich eine rhetorische Frage, denn jeder, der Augen hat, zu sehen, nimmt wahr, dass das Mosaik bröckelt. An allen Ecken und Enden scheint der Verfall über Aufbruch zu siegen, scheint das Misslingen fröhlich Urständ zu feiern.
Ach, es liegt so viel im Argen in dieser Stadt, dass es beinahe schon wieder eine Lust ist, just dieses zu beklagen. Jahrelang war man doch ausgehungert als professioneller Nörgler, weil jahrelang das rheinische Mantra des „Wird schon“ den klaren Blick aufs missratene Große, aufs desolate Ganze vernebelte. Die Devise lautete: Natürlich gibt es Grund zu klagen, aber letztlich sind das alles doch Kinkerlitzchen.
Man muss nicht einmal die Oper erwähnen, deren Neuplanung im Kleinkarierten zu versanden droht und die Frage nach der Hülle vor die nach dem Inhalt stellt. Man muss auch nicht die zunehmende Verdichtung der Stadt anführen, dieses gierige Verlangen, auch noch das kleinste Fleckchen Grün unter Beton zu begraben. Wo immer Anbau geht, wird Anbau gemacht. Bäng! Nimm das, Freiraum!
Als besonders übles Beispiel kann da die kürzlich aufgekommene Diskussion über die Erweiterung der Kunstakademie erwähnt werden, wo doch tatsächlich darüber nachgedacht wurde, die wunderbar ausladende und Großzügigkeit atmende Nordfassade der Akademie mit einem Vorbau zu entstellen, also den Blick aufs Gesamtgebäude quasi zu amputieren. Platznot hin, Platznot her. Wenn man keine anderen Ideen hat, dieser Platznot zu begegnen, dann fragt sich, wohin der kreative Geist dieser Akademie gezogen ist.
Dazu gesellen sich die hochnotpeinlichen Vorgänge rund um die misslungene Max-Stern-Ausstellung, die beinahe schon an Boshaftigkeit grenzende Tollpatschigkeit in Restitutionsfragen und natürlich die Grundsatzfrage, wer eigentlich dafür sorgt, dass Düsseldorf sich in solchen Belangen dauerhaft blamiert. Ist das nur grenzenlose Dummheit oder doch Sabotage?
Und dann ist da noch die Diskussion um den Zaun auf dem einst schon als visuelle und habituelle Katastrophe geborenen Worringer Platz. Da lässt man einen Gastronomen, ratlose Bezirkspolitiker und zu Recht empörte Initiativenvertreter monatelang streiten um die Frage, ob da ein Zaun zur Behütung der Gastro-Gäste stehen darf oder nicht, ob also genügend Raum bleibt für jene, die sich den Platz als Aufenthaltsort erwählt haben. Obwohl erwählt das falsche Wort ist. Sie wissen schlicht nicht, wohin sie sonst sollen.
Das spielt just jenen in die Karten, die sich nun darüber freuen dürfen, dass niemand fragt, wer denn der Grundverursacher des Konflikts ist, wer dafür gesorgt hat, dass Obdachlose und Junkies sich derzeit keinen besseren Aufenthaltsplatz als den Worringer Platz, den wohl hässlichsten Ort der Stadt, vorstellen können. Es ist eine Politik des konsequenten „Räume dichtmachen“, der hemmungslosen urbanen Verdichtung, der Vernichtung jeglichen Freiraums, die Menschen hierhin treibt und solche Konflikte zwangsläufig macht. Nicht der Zaun ist menschenverachtend, die Zustände sind es.
Am Ende baden Gestrandete und ein in Sachzwänge verwickelter Gastronom aus, was niemand verbockt haben will. Allenfalls ein kollektives Seufzen ist die Folge, so als könne das Problem weg geatmet werden. So funktioniert Stadt nun mal, sagen die Schulterzucker, bieten Prüfungen, Gespräche und runde Tische an und lassen die Menschen auf dem Worringer Platz einen kleinen Stellvertreterkrieg austragen.
Alles gut in Düsseldorf? Neue Antworten bitte. //
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