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Nein! Was? Doch! Die Krise als Chance

Die biograph Ouvertüre Mai 2020

Na und? Wir sagen das so wie der Hund in Marc-Uwe Klings wunderbar witziger Kindergeschichte vom Neinhorn, wo der schlecht hörende „Wasbär“ immer „Was?“ fragt und die trotzige „Königsdochter“ auf jeden Einwand mit „Doch!“ antwortet. Es ist ein feines Buch über die Lust am gemeinsamen Bockigsein. Was alleine oft in die Irre führt, macht zusammen richtig Spaß. Genau deshalb schleudern wir der Seuche nun ein kollektives „Doch!“ in die hässliche Fratze.

Doch! Wir machen weiter. Der biograph als Magazin, das normalerweise die ganze Vielfalt unser Kulturlandschaft spiegelt und auf Hunderte von Veranstaltungen hinweist, erscheint, obwohl es kaum Veranstaltungen gibt. Wir sagen „Na und?“ und lassen uns nicht unterkriegen.

Doch! Wir lassen uns nicht entmutigen von all den falschen Entscheidungen, die gerade in NRW, „dem luschig lauen Laschet-Land“ (Originalton Friedrich Küppersbusch), gefällt werden. Wir überhören die Einwürfe unseres Oberbürgermeisters, der nichts Besseres zu tun hatte als nach wenigen Tagen eines gemäßigten Lockdowns schon wieder öffentlich nach Liberalisierung zu rufen und so all jenen den Boden zu bereiten, die lieber heute als morgen wieder ungehemmt konsumieren wollen. Hauptsache, wir haben wieder Spaß und können unsere nervige Brut wieder in den nächsten Kindergarten entsorgen.

Doch! Wir sagen: Doch! Wir sagen das trotz der katastrophalen Lage, in die viele Künstler, Kreative, Veranstalter und Bühnenhelfer geschliddert sind, weil sie halt das Pech hatten, nicht in das Raster zu passen, in das man passen muss, wenn man ein bisschen Hilfe vom Staat will. Da werden sie halt auf die Grundsicherung verwiesen. Hartz 4. So schnell kann das gehen. Gestern noch begehrter Volksbelustiger, heute Sozialfall. Wie hieß es immer so schön von den Freunden der blau-gelben Fraktion: „Der Markt wird das schon regeln.“ Einen Scheiß regelt der Markt.

Na und? Wir halten das aus, wir halten durch. Doch, wir halten durch und freuen uns, dass nicht wenige diesen fordernden Tagen auch positive Seiten abgewinnen können. Nachdem der Keller aufgeräumt war, haben viele, die vom Leben durch eine Festanstellung privilegiert wurden, gemerkt, dass sie nicht all das brauchen, was ihnen nach wie vor aufs Konto fließt. Nicht wenige haben sich entschlossen, dass sie von dem, was sie nach wie vor bekommen, etwas abgeben können. Ein Zehntel, ein Viertel, was immer auch.

Was? Doch! Nie war es so leicht, zu helfen, direkt zu helfen, beim Lieblingsrestaurant zu bestellen, Gutscheine für Kultur zu kaufen, Initiativen zu unterstützen, jenen zu helfen, die anderen helfen. In der Isolation merkt mancher, wie wenig er in Wahrheit braucht und wie viel Freude es bringt, wenn man etwas gegen die Not der anderen tut.

Doch, wir tun was. Wir blinzeln nicht stündlich auf die Uhr, um zu schauen, wann die Beschränkungen aufgehoben werden. Wir richten uns ein im Mangel an direkten Kontakten. Wir pflegen dafür die Kontakte, die uns wichtig sind, wir skypen, zoomen facetimen, was auch immer. Wir kümmern uns, weil wir wollen, dass die Welt, wenn der ganze Mist vorübergegangen ist, eine bessere sein soll. Vielleicht sogar eine andere.

Doch, es gibt die Chance, dass sich etwas ändert, dass wir nicht wieder zurückfallen in den unbedingten Wachstumsglauben, in die Spirale des „Immer-Mehr“. Wir sind nicht reich, wenn wir auf dem Kontoauszug viele Stellen vor dem Komma haben. Wir sind reich, wenn wir Menschen begegnen können, wenn wir raus können. Was nützt all das Geld, wenn man damit nur daheim die Wände tapezieren kann.

Was? Ja, es ist an der Zeit, sich zu besinnen, Bilanz zu ziehen. Selten noch war das wacklige Konzept Stadt besser zu durchschauen und gefährdeter als in den jüngsten Tagen. Wenn es keine Treffpunkte gibt, keine Menschen, denen man begegnen darf, keine Kinos, keine Konzerte, keine Theater, keine Spielplätze, was soll man dann in den Straßenschluchten?

Doch! Stadt muss wieder möglich werden. Da sind wir gerne gemeinsam bockig. Aber bis dahin ist möglicherweise noch ein langer Weg, den eine zweite Welle jederzeit wegspülen kann. Richten wir uns also ein aufs Wenigdürfen. Achten wir trotzdem darauf, dass mit unseren Grundrechten kein Schindluder getrieben wird. Und den Rest ertragen wir einfach.

Doch, wir ertragen den OB, wir ertragen Laschet mit seinen Alles-öffnen-Phantasien und schicken ihm einfach das Neinhorn auf den Hals. Wir lernen außerdem, uns nicht von einer Infektionszahl zur anderen zur hangeln. Nichts wird besser, wenn wir dauernd auf Zahlen starren. Ein paar Tage Infoabstinenz kann in diesen Zeiten auch mal ganz gut tun und der gebeutelten Seele ein wenig inneren Urlaub verschaffen.

Und wenn wir hinterher dann vielleicht alle ein bisschen weniger Geld auf dem Konto, dafür aber unser Miteinander, unsere Kultur im Großen wie im Kleinen gerettet haben, dann nehmen wir auch noch jene in den Arm, die ewiggestrig ihre Dax-Verluste beklagen. Denen beweisen wir unseren neuen Gemeinsinn, drücken sie und fragen ganz frech: „Na und?“ 

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