Gab es je einen tristeren November? Eine schlechtere Zeit für alles, was sich Leben nennt? Natürlich ist der November traditionell die Phase im Jahr, in der besonders gerne abgelebt wird. Nicht ohne Grund „feiert“ man in diesem Monat den Volkstrauertag und den Totensonntag. Blätter an den Bäumen erlangen Seltenheitswert. Die meisten modern längst im morastigen Boden unter ihrem einstigen Lebensraum.
Und jetzt liegt auch noch das Haus der Jugend in Schutt und Asche. Es ist vorbei, bye, bye, Novembermond, möchte man singen. Ein Stück Düsseldorfer Musikgeschichte ist dahin. Gone, gone, the damage done. Was könnte besser in diese Zeit passen, in der das Unsichere das einzig Sichere zu bleiben scheint. Die Trümmer der einstigen Kulturstätte stehen als Sinnbild für die allgemeine Lage der Kultur in der Stadt, die nach dem Sommer gerade wieder zu erblühen schien und dann abgewürgt wurde. Ob vom Virus allein oder doch von allzu hastig die Bedrohungslage pauschalierenden Bürokraten, das muss sich noch erweisen.
Natürlich wird das Haus der Jugend wieder aufgebaut, ist alles längst geplant. Aber wer ehrlich ist, muss wissen, dass an der Lacombletstraße nichts mehr so sein wird, wie es mal war. Der morbide Charme, der das Geschehen im Haus der Jugend mit einer ganz eigenen Patina adelte, lässt sich nicht wiederaufbauen, der ist futsch forever.
Da ist es schön zu hören, dass wenigstens ein bisschen Phantasie übrig geblieben ist. Die rankt sich um den Gedanken einer Reanimation des Ratinger Hofs. Der steht bekanntlich leer, komplett entkernt, nackt wie ihn der umgebende Beton schuf. Wer diesem Gemäuer neues Leben einhauchen will, der muss mit Herkuleskraft rangehen. Theke, Mobiliar, Technik, alles muss neu erschaffen werden, und dann gibt es immer noch keine Garantie, dass der Hof als neue alte Konzertstätte je wieder funktionieren wird.
Natürlich schafft das kein Privatmensch. Gerade in den aktuellen Zeiten wäre ein jeder mit dem Klammerbeutel gepudert, der sich da engagierte. Gefragt ist die öffentliche Hand. Die könnte jene Vereine unterstützen, die sich schon ein paar Gedanken über die Zukunft des Hofs gemacht haben.
Vieles ist schon angedacht worden. Es könnten natürlich Konzerte stattfinden. Etablierte Bands würden dabei heimische Talente ins Schlepptau nehmen. Der CityBeats-Wettbewerb hätte eine neue Heimat, und in der spielfreien Zeit sind Seminare oder Workshops denkbar. Und warum sollte man nicht direkt aus dem Ratinger Hof streamen? Von der Altstadt in die ganze Welt. Und wenn man dann noch Größen wie Campino, Doro und Jürgen Engler als musikalische Trümmerfrauen gewinnen könnte...
Nein, es werden damit nicht die alten Zeiten beschworen. Der alte Ratinger Hof ist ebenso Geschichte wie das Creamcheese museal ist. Beides waren aber erste Adressen für Aufbruch und Innovation. Und genau dieses Signal könnte auch vom neuen Ratinger Hof ausgehen. Die Botschaft, dass auch in schwierigen Zeiten noch etwas geht, sollte in ungeschriebenen Buchstaben über dem Eingang stehen. Insofern ist die Politik gefragt, rasch einen Hoffnungsstreifen an den Horizont zu malen. Vielleicht lässt sich da schon im November etwas einleiten. Es würde zumindest diesen Trauerkloß von Monat erträglicher machen.
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