Es wird dereinst der Tag kommen, an dem die aktuelle Stadtregierung Zeugnis darüber ablegen muss, welche Spuren sie denn so hinterlassen hat. Dann werden die Verantwortlichen aufstehen und laut „Umweltspuren“ rufen. Sie werden sich als tapfere Ritter aufspielen, die mit der Verordnungsmachete Schneisen in den urbanen Verkehrsdschungel geschlagen haben. Sie werden darauf verweisen, dass sie immerhin den Mut zu höchst unpopulären Maßnahmen hatten und dass sie anfangs weitgehend stillgehalten haben, als ein veritabler Shitstorm über sie hinweggezogen ist. Sie werden von Standhaftigkeit berichten, müssen aber auch aushalten, dass man ihnen das Falsche ihres Tun immer wieder vorwirft.
Das hängt ein bisschen damit zusammen, dass es in dieser Stadt kein akzeptables Verkehrskonzept gibt, das diesen Namen verdient. Ein paar hingepinselte Radstreifen sind kein Verkehrskonzept, und auch die so genannten Umweltspuren entstanden ja nicht aus reiflicher Überlegung. Vielmehr sind sie der Furcht geschuldet, Gerichte könnten die Stadt zwingen, Straßen, Stadtteile oder gar die ganze Innenstadt zu sperren für bestimmte Autos.
Umweltspuren werden daher zu recht als Zwangsmaßnahmen anzusehen, und genau so schauen sie dann auch aus. Da, wo sie beginnen, haben sich die ganz offensichtlich unbegabtesten Verkehrsplaner der Region krude Wege ausgedacht, wie man heftig anschwellende Automassen in brave Reihung bringt. Der Versuch darf als komplett gescheitert angesehen werden, denn er ähnelt an fast allen Standorten dem Bemühen, die aus einem gebrochenen Staudamm explodierenden Wassermassen per handgroßem Trichter in eine 0,5l-Wasserflasche zu füllen.
Nun ist gegen so genannte Umweltspuren generell nichts einzuwenden. Außer vielleicht die Frage, ob sie wohl so heißen, weil sich auf ihnen Spuren von ehemals vorhandener Umwelt finden lassen. Sie wären sogar als durchaus vernünftige Maßnahme zu werten, würden sie sich als Teil eines durchdachten Konzepts lesen lassen. Da es dieses Konzept aber nicht gibt, sind die auch die Umweltspuren nichts als großer hingewurschtelter Mist. Sie sind der Offenbarungseid einer Stadtregierung, die in verkehrspolitischer Hinsicht schon abgewirtschaftet wirkt, bevor sie überhaupt vernünftig angefangen hat.
Vielleicht wollte sie aber eh nicht anfangen, weil in Düsseldorf jeder, der Dinge in einen größeren Rahmen setzt, gleich der Bedeutungshuberei bezichtigt wird. In einer Stadt, die nicht einmal einen vernünftigen Personentransport nach Fortuna-Spielen hinbekommt, die Menschen direkt nach Spielende aus dem Stadion verjagt, auf dass sie sich zu Massen beim Warten zusammenfinden und einmal nachspüren können, wie sich so ein Viehtransport anfühlt. Werbung für den ÖPNV sieht anders aus.
Natürlich muss das Auto langfristig raus aus der Stadt. Wer meint, überall mit seinem Verbrennungsmotor hin zu müssen, der hat ungefähr so viel Verstand wie jene Minipenisträger, die auf der Kö ihre geleasten Protzkarren aufheulen und ihre Auspuffrohre damit eine mindestens doppelte Dosis Dummheit emittieren lassen. Wie schön wäre es da, wenn die Stadt sich mit Wucht auf die Verbesserung des Nahverkehrs schmisse, wenn sie Radlern wirkliche Priorität einräumte, ihnen auf abgetrennten und nicht nur hingepinselten Wegen Sicherheit gäbe, wenn sie mit Druck darauf dringen würde, dass sich Paketdienste vernetzen und vor der Stadt Pakete austauschen, auf dass nicht mehr ein jeder in die Großstadtschluchten muss. Wenn sie… Ach was!
Was gibt es stattdessen? „Umweltspuren“, die dafür sorgen, dass derselbe Dreck nun anders verteilt wird, dass auch die Anwohner bislang nicht so stark befahrener Straßen etwas vom großen Stau haben. Nein, das reicht nicht. Das ist nicht einmal ein Anfang. Das ist nichts weiter als ganz großer Mist. Düsseldorf eben.
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