Wir befinden uns im Jahre 2031, und die Oberbürgermeisterin hat gerade die autofreie Stadt eingeweiht. Zwischen Südring und Nordfriedhof ist nun Platz für – ja was denn nun? - Mmmmhhhh. Oh ja, Platz für Menschen. Viel Platz.
Durch den Wegfall aller Parkplätze im Innenstadtbereich und die Umwidmung aller Verkehrswege zu Spielstraßen ist plötzlich ein riesiger Begegnungsraum entstanden. Schüchtern tasten sich die Anwohner vor auf jene Flächen, die bislang dem rasenden Rollverkehr vorbehalten waren.
Überall sind Bautrupps aktiv, um Asphaltflächen aufzureißen, zu entfernen und die so entstandenen Areale zu begrünen. Düsseldorf ist nun autofrei. Wer in die City will, muss auf den öffentlichen Nahverkehr ausweichen. Auch die Versorgung mit Gütern erledigt inzwischen die komplett neu aufgestellte Rheinbahn, der die Lieferdienste ihre Pakete auf der letzten Meile anvertrauen. Nur ganz wenige Güter müssen noch per Lkw angeliefert werden. Allerdings dürfen diese nur mit Sondergenehmigung in der Zeit zwischen sieben und neun Uhr in die Innenstadt.
Aus allen Teilen der Welt sind Reporter angereist, um das Wunder mit eigenen Augen zu begutachten. Das hat man noch nicht gesehen, dass eine Stadtregierung so entschlossen gegen die Vermüllung mit rollenden Blechkisten vorgeht. Der von nicht wenigen zum Menschenrecht erkorene Anspruch auf Park- und Rollraum ist endlich wieder das, was es von Anfang an war: Ein Hirngespinst.
Die Umwelthilfe resigniert und schließt wegen Nutzlosigkeit ihr Düsseldorfer Büro, während sich die Kämmererin über kräftige Einnahmen freut. Die stammen aus dem Verkauf von Luftreinhaltungszertifikaten, die Düsseldorf als klimapositive grüne Lunge des Rheinlands nunmehr an jene Gemeinden veräußert, die sich bislang nicht trauten, es mit der Verkehrsvermeidung ähnlich radikal anzugehen.
Gleichzeitig verabschiedet der Rat eine Diversity-Richtlinie, die sicherstellen soll, dass alle Bürgerinnen, egal welcher Hautfarbe, welcher Konfession, welchen Geschlechts, welcher Einkommensklasse auch immer, gleich behandelt werden.
Aus der profitorientierten Großkommune wird ein Ort der Möglichkeiten. Nicht länger zählt der Kontostand als Ausweis der individuellen Besonderheit, vielmehr mühen sich die Menschen umeinander, alte für junge, junge für alte. Gesellschaftliches Engagement entwickelt sich zum Distinktionsmerkmal.
Arbeitszeiten wurden längst diversifiziert. Vorbei die Zeiten, da alle zur selben Zeit ihrem Büro zustrebten. Rush Hour? Fremdwort. Längst arbeitet der Großteil der Menschen dann, wenn es ihm passt. Live-Konferenzen sind seit den unseligen Zeiten von Corona eh abgeschafft und durch intelligent-effiziente Minitalks ersetzt worden.
Alles gefördert durch eine Stadtverwaltung, die in den vergangenen Jahren mit Verve so perfekt reorganisiert wurde, dass sie jüngst den Preis für die stärksten digitalen Impulse einheimsen konnte. Wer in Düsseldorf lebt, hat das schnellste Netz, den besten Empfang, die besten Chancen auf Teilhabe.
Vorbildlich kümmert sich die Stadt um Menschen, die Schwierigkeiten haben, mit der rasanten Entwicklung Schritt zu halten. Jeder soll mit auf die Reise zur besseren Stadt kommen, jeder soll Teil dieser phantastischen Kommune werden.
Und das Beste: Sogar in die Friedrichstraße soll demnächst wieder geschäftiges Leben kommen, und der Worringer Platz bewirbt sich mit Chancen im Wettbewerb um den hübschesten urbanen Freiraum.
2031 - ein wunderbares Jahr für Düsseldorf.
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