Wo wirkt eigentlich die Kultur in die Stadt hinein? Wo vernetzen sich die Kreativen miteinander? Wo begegnen sie sich? Fragen an Düsseldorf, die niemand wirklich schlüssig beantworten kann, die vielleicht auch niemand beantworten will, weil die Antworten möglicherweise nicht ganz in die abgelutschte Vorstellung passen vom Schmelztiegel, der alle Strömungen aufnimmt und sie zu etwas Besserem, Größerem verschmilzt.
Solche Vorstellungen speisen sich natürlich aus den seligen 70er und den frühen 80er Jahren, als die Gegend um die Ratinger Straße noch wie ein Magnet wirkte, als der Mythos des Creamcheese nachhallte und im Ratinger Hof ein Amalgam aus junger Rotzigkeit und akademischer Kunst gegossen wurde. Hier kamen Kulturschaffende zusammen, hier traf man sich, hier traf man auch das, von dem man eigentlich nichts wissen wollte, das aber dann doch irgendwie Einfluss bekam auf die folgenden Schaffensprozesse.
Aber das ist Geschichte und inzwischen zu oft erzählt. Genau diese Geschichte, die meist um den Ratinger-Hof-Mythos herum gestrickt wird, klingt inzwischen schal. Da mag sie noch so viele Bücher und Retrospektiven füllen. Die Masse der Rückschau-Versuche kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in der Stadt an Orten fehlt, an denen die Elemente so oft aneinander knallen, dass allein durch die stete Reibung eine frische Eruption entsteht. Woran wird man sich erinnern, wenn man 2058 auf das kulturelle Düsseldorf von heute zurückblickt?
Wo trifft man eigentlich die Menschen aus dem Schauspielhaus, wenn der Vorhang gefallen ist? Wo die aus der Oper? Wo treiben sich die Musiker herum, wenn die wenigen Klubs gerade keine Vorstellung bieten? Wo saugen die musealen Macher phantastische Kraft, wo lassen sie sich beeinflussen?
Die Antwort ist ernüchternd. Es gibt kaum noch Orte, an denen etwas zusammenfließen kann. Jeder kocht sein eigenes Süppchen, keiner will mehr wirklich etwas vom anderen wissen. Natürlich gibt das niemand zu, weil eine weltoffene Attitüde sich gut macht. Leider spricht die Realität eine andere, eine traurige Sprache, die der Vereinzelung, der digitalen Diversifizierung.
Die Begegnung, die Kreative heute zu brauchen meinen, saugen sie viel zu oft allein aus ihren Schlautelefonen. Hat man dessen Möglichkeiten genutzt, bleibt kaum noch Bedarf für reale Begegnung. Natürlich gibt es ehrenwerte Versuche, Kreative verschiedener Richtungen zusammenzuführen. Ein bisschen was passiert im KIT, ein bisschen was im Salon des Amateurs oder bei kleinen klugen Festivals oder irgendwelchen Events in potentiellen Neubaugebieten, die noch nicht direkt von der Planierung bedroht sind.
Aber ansonsten? Bleibt jeder für sich und beraubt sich damit der Möglichkeiten der Konfrontation mit dem Anderen, dem Ungewöhnlichen.
Dabei braucht diese Stadt so dringend eine Kultur der kreativen Reibung. Es muss nicht gleich der Clash Of Cultures sein, aber ein bisschen Wettstreit wäre vielleicht gar nicht schlecht. Warum werden nicht mehr Kulturinstitute verpflichtet, sich zu vernetzen und diese Vernetzung auch in die Öffentlichkeit zu tragen? Ja, es gibt schon Versuche dieser Art, aber sie sind doch viel zu oft eher Randaspekte als Routine im täglichen Schaffen. Sollte es sich nicht jede Einrichtung zur Aufgabe machen, in ihren Räumen mindestens zwei andere Institute oder Strömungen aufeinanderprallen zu lassen? Regelmäßig! Auf dass es auch mal wieder zu Irritationen komme und nicht alle in ihrer ewig lauwarmen Soße köcheln.
Es gibt genügend Museen in der Stadt, die, vorsichtig gesagt, nicht rund um die Uhr Hochbetrieb haben. Kann man die nicht mal dazu auffordern, ihren Tellerrand zu erklimmen und darüber hinauszuschauen? Warum hat noch keine Punkband im Opernhaus gespielt und den Schaumwein der Schöngeister zum Überschwappen gebracht? Warum sehe ich in den Schauspielhaus-Pausen keine bildenden Künstler bei der Arbeit? Könnte nicht irgendjemand mal eine Art kulturelles Tinder entwerfen, eine App, die Strömungen zusammenführt, die eigentlich nicht zusammenkommen wollen?
Düsseldorf braucht in dieser Hinsicht dringend neue Ideen. Sonst wird sich in 40 Jahren niemand an die kulturellen Leistungen dieser Tage erinnern, werden immer noch alle in dicken Coffee Table Books blättern und sich der Goldenen Zeiten von Creamcheese und Ratinger Hof erinnern. Seufz!
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