Ich kann die Zukunft sehen. Ganz deutlich. Sie ist laut. Sie krakeelt, und sie tut nicht, was sie soll. Wäre ja auch noch schöner, wenn Kinder erledigen würden, was Eltern wollen. Kinder haben ihren eigenen Kopf. In den geht nicht rein, was Eltern zur mentalen Injektion vorgesehen haben. Kinder können wunderbar ignorieren. Akustische Imperative erreichen sie frühestens nach der siebten Wiederholung und dann auch nur als Widerhall. Ob sie dann tun, was ihnen aufgetragen, steht auf einem anderen Blatt. Kinder sind so wunderbar widerständig. Kinder sind die Zukunft.
Ich kann die Zukunft sehen auf unseren Straßen, auf den Spielplätzen, in den Cafés. Kinder sind überall. Kinder sind viele. Ich kennen die aktuelle Geburtsstatistik nicht, aber meine gefühlte sagt mir, dass wieder mehr Kinder geboren werden in dieser Stadt. Möglicherweise wächst gerade eine neue Babyboomer-Generation heran.
Diese Generation hat einen Anspruch darauf, dass wir die Stadt lebenswert gestalten, dass wir sie nicht hemmungslos zubauen, dass wir uns Gedanken machen über künftige Lebensmodelle. Da reicht es nicht, in blinder Bauwut alle Baulücken mit Häusern vollzustopfen. Es reicht auch nicht, große Wohnsilos in die Landschaft zu klatschen und sie dann euphemistisch Höfe zu nennen. Es muss sich auch in den Köpfen was tun.
Die Kinder von heute werden als Erwachsene eine andere Stadt brauchen als jene, die wir jetzt unsere Heimat nennen. Kinder brauchen weniger Autos, weil sie die Stadt haben. Auch die Stadt braucht weniger Autos. Im Prinzip braucht eine Stadt gar keine Autos. Zumindest keine für den Individualverkehr. Wer mal überlegt hat, wie viel Fläche in unseren Straßen mit Parkplätzen belegt sind, kommt rasch auf eine erschreckende Bilanz. Wir haben definitiv mehr Platz für Autos als für Kinder. Das kann so nicht weitergehen.
Es wird Zeit, aufzuräumen, das Blech zu vertreiben und das Kindergeschrei zu fördern. Wenn wir nicht für die Kinder leben, für was dann? Parkt die Blechkisten gefälligst am Stadtrand und baut Spielplätze dorthin, wo jetzt noch die Automassen Raum greifen. Lasst die Stadt noch grüner werden. Schmeißt nicht nur die Diesel raus, auch die dicken Benziner müssen weg. Düsseldorf muss auf lange Sicht autofrei werden. Die Beförderung von A nach B schafft die Rheinbahn leicht, man muss ihr nur den Auftrag geben, dafür zu sorgen. Freie Fahrt für freie Bürger in Bussen und Bahnen. Für die Kinder.
Düsseldorf im Jahre 2040 muss eine Stadt werden, in der man gerne auf die Straße geht, weil man sich dort begegnen kann. Düsseldorf in 23 Jahren muss atmen, muss lebendig sein, muss sich pausenlos verändern, und die Veränderung muss in den Köpfen der Menschen stattfinden nicht in den Häusern, die doch nur Behältnisse sind.
Kinder sind nicht gerne in Häusern. Kinder sind gerne draußen. Sie wollen die Welt erobern, sie wollen die Welt verändern. Schauen wir uns bei den Kindern etwas ab. Lernen wir ein bisschen was von ihrer Kraft, von ihrem unbedingten Willen, von ihrer Phantasie, von der Möglichkeit, Dinge anders zu sehen.
Kürzlich wurde ich Zeuge dieser wunderbaren Wandelkraft. Eine Zweijährige sollte Tschüss sagen, und sie tat das mit den Worten, die ihr angemessen schienen. „Auf Sehenwieder“ sagt sie, und es klang nach blühenden Blumen und einem riesigen Feuerwerk darüber. Genau das ist die Zukunft. Die Zukunft, in der man Dinge einfach mal anders reiht, weil man es kann, weil es nicht schadet, weil es vielleicht sogar nützt.
In dem Sinne: Auf Sehenwieder in 2040.
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