Düsseldorf leuchtet. Gerade jetzt. Es gibt ja nicht viel Gutes, was man über den Januar sagen kann, diese Zeit zwischen Neujahrskater und noch nicht umgesetzten Vorsätzen. Aber dass der erste Monat die meisten Lichter bietet, steht nunmal fest. Es wird ziemlich früh dunkel und ziemlich spät hell. Dazwischen in der langen Nacht lohnt es sich, die Augen aufzumachen und zu schauen, wo die Lichter blinken. Dazu ist jetzt Gelegenheit, jetzt, da der ganze Weihnachtstinnef mal wieder den Weg alles Irdischen genommen hat und wieder sichtbar macht, was einfach so leuchtet.
Man stelle sich nur mal im Medienhafen auf Höhe des WDR auf und schaue südwärts. Wie die Häuser strahlen. Sie sind weiß, rot, grün, es ist ein Blumenstrauß aus Licht, der sich da präsentiert. Und das Berückende sind nicht einmal die Lichter direkt. Es sind ihre Spiegelungen im Hafenbecken, in Fenstern, auf dem nassen Asphalt. Die wirken wie Projektionen aus einer unsichtbaren Welt. Wenn ein bisschen Wind weht, wenn der Regen fällt, dann verschwimmen sie oder verwehen in die Unkenntlichkeit. Das ist so schön, dass manchmal der Atem stehen bleiben möchte. Man muss halt nur hinsehen.
Das schöne Licht, das diese Stadt in der Nacht bietet, ist eine wunderbare Gelegenheit, zum Jahresanfang wenigstens kurz mal seinen Frieden mit ihr zu machen, also mit der Stadt, nicht mit der Nacht. Die ist ohnehin dein Freund, vor allem wenn du jung bist. Es geht um den Friedensschluss mit der gemeinde, in der man lebt. Don't think of the Uperburgermaster! Forget the U-Bahnbau! Ignore the Schauspielkrise! Schaut in die Gesichter der Menschen und entdecke, wie sich die Lichter in ihren Augen spiegeln. Es gibt nichts Schöneres als jemandem zuzuschauen, der gerade etwas Schönes sieht. Und Düsseldorf ist nunmal schön bei Nacht. Weist einander drauf hin. Entdeckt genau das, was ihr die ganze Zeit auszublenden gelernt habt! Entdeckt das zusätzliche Leuchten im Antlitz eures Partners, wenn er auf sein iPhone schaut. Jawoll, auch Technik kann Romantik kreieren. Schaut einfach genau hin! Ihr tut das sonst zu selten.
Es ist doch so, dass wir alle nicht mehr genau hinschauen. Wir haben uns angewöhnt, nur noch das zu sehen, was uns gefällt, was vertraut wirkt, was irgendwie visuell brauchbar erscheint. Es kommt schon vor, dass Menschen nicht mehr mitbekommen, was sich direkt vor ihren Augen abspielt. Genau deshalb: Bitte innehalten. Mal nach oben schauen. Auf die wunderschöne Reklame auf dem Wilhelm-Marx-Haus, das jemand kürzlich mal genau wegen dieser Reklame Persil-Haus nannte. Sei's drum. Heißt die ehrwürdige Adresse halt Persil-Haus.
Geht man wachen Auges durch die Straßen, dann fließen die Lichtskulpturen ineinander, dann werden aus einzelnen Bildern plötzlich Abläufe. Im besten Fall ein ganzer Film. Düsseldorf im Licht. Licht über Düsseldorf. Düssellicht. Regie: Die Januarnacht.
Es ist dies nicht nur eine optische Angelegenheit, es geht um die Einstellung. Wir haben den prognostizierten Weltuntergang der Maya überstanden, wir waren an Weihnachten kaum mit unserem Seufzen zu hören, so leise klang das. Und Silvester sind wir auch nicht ins Koma gefallen. Es ist also Zeit für eine kleine Erweckung zwischendurch. Labt euch am Licht! Schaut hin! Genießt es! Lasst euch bescheinen! Seht das Positive!
Das Negative kommt von ganz allein zurück.
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