Also, wenn Sie mich fragen: Ich brauche keine Events mehr. Mir ist das inzwischen Ereignis genug, wenn ich den Tag unfallfrei überstehe und mir die Hexe nicht in den Rücken schießt. Für mich ist Event, wenn Geschäftspartner mal ihre Zusagen einhalten, wenn es am Wochenende mal nicht nieselt, wenn morgens das Licht schön scheint. Mehr Event brauche ich nicht.
Nun kann ich verstehen, dass eine Stadt anders drauf ist als ich. Da gibt es Geschäftsleute, die leben vom Event. Es gibt Eventplaner, Eventbeschicker, Eventdramaturgen. Die profitieren ebenso vom Event wie angeblich jene, die ihre Geschäfte dort öffnen, wo sich das Event ausbreitet. Mehr Event gleich mehr Umsatz, eine einfache Gleichung. Die indes nicht mehr zwangsläufig aufgeht. In Zeiten, da sich das Kaufverhalten massiv verändert, neigen die Menschen dazu, ein Event einfach mitzunehmen und den Kauf dann daheim online zu erledigen. Stress hatte man ja schließlich genug beim Eventgenießen. Da muss man nicht auch noch in die Geschäfte.
Die Zeiten sind also andere als noch vor zehn Jahren. Genau deshalb wäre es möglicherweise ratsam, auch die Vermarktungsstrategie der Stadt anzupassen. Nicht immer größer und gewaltiger, sondern, wenn schon Event, dann immer kleiner und feiner. Events von heute müssen nachhaltig sein, sie dürfen sich nicht in der Erinnerung der Menschen verflüchtigen, sobald das Event vorbei ist. Ein gutes Event bleibt im Gedächtnis, ein schlechtes Event verblasst spätestens, wenn das nächste Event naht.
Genau aus diesem Grunde plädiere ich für eine Entschlackung der heimischen Eventkultur. Es braucht nicht diese sinnlose Aneinanderreihung von Möchtegernereignissen, die sich teilweise gegenseitig Konkurrenz machen. Wer jetzt in der Vorweihnachtszeit ein Event ansetzt, kann es ebenso gut lassen, weil die eine Veranstaltung von der anderen überstrahlt wird.
Schon gar nicht braucht Düsseldorf ein Event wie die Tour de France. Diese früher zu Recht als Apotheken auf Rädern verunglimpfte Veranstaltung bringt der Stadt rein gar nichts. Sie erzeugt allenfalls eine mediale Welle. Die transferieren Stadtvermarkter dann in einen fiktiven Werbewert. Sie rechnen sich jede Nennung von Düsseldorf in überlokalen Medien schön, indem sie kalkulieren, dass man sich dafür eine teure Werbeanzeige ersparen könnte. Das hat schon mit dem Eurovision Song Contest nicht geklappt.
Zudem wäre die Tour de France ein Event, von dem die Menschen direkt vor Ort nichts bis gar nichts haben. Nur mal zum Nachdenken. Radrennen sind vor allem eine Fernsehsportart. Ihre Dramatik, so denn vorhanden, ergibt sich erst, wenn man per Glotze das ganze Bild geliefert bekommt, wenn einem jemand erklärt, wer gerade vorne liegt und wer warum nicht. Steht man indes an der Straße, erlebt man nur einen Pulk von Gestalten, die auf Drahteseln vorbeirauschen und weg sind. Wer führt, wer verliert, bekommt man auf der Straße nicht mit. Da ist nur Gesummse. Mehr ist da nicht. Der ganze Rest ist blingbling.
Dass unser Oberbürgermeister in den letzten Wochen trotzdem so sehr dafür gekämpft hat, darf als ein Anfall von Hybris gewertet werden. Morbus Elbers bestenfalls, eventuell sogar Morbus Erwin. Man tut und plant etwas, nicht weil es sinnvoll ist, sondern weil man es kann, weil man meint, etwas tun zu müssen, weil man besoffen ist von Zahlen, die man sich vorher hat schönrechnen lassen.
Für Thomas Geisel ist die als Tour de Chance verkaufte Tour de France in etwa das, was für Joachim Erwin einst die Arena war: Ein Stolperstein in der Argumentation, ein selbstgespannter Fallstrick, der für tiefen Fall sorgen kann. Erinnert sich niemand mehr an Erwins Worte, die besagten, dass sich die Arena quasi selbst finanziere? Und heute? Steht das monströse Stockumer Viereck die meiste Zeit leer und kostet.
Auch die Tour de France kostet. Sie würde niemals so viel einbringen wie vorgerechnet wurde. Und die herangekarrten Sponsoren würden abspringen, sobald die Veranstaltung wieder in die berechtigte öffentliche Kritik gerät. Zu Recht, denn die Tour de France ist ein Popanz. Das ist reine Blenderei, das sind des Geisels neue Kleider, das ist ein Ausdruck von Großmannssucht.
Es die Zeit gekommen, diesem mit so viel Vorschusslorbeer gestarteten Oberbürgermeister zu misstrauen. Er verhebt sich offenbar gerade und liefert sich Mächten aus, die er später nicht zu beherrschen wissen wird. Es ist zu überprüfen, ob der Mann all die Hoffnung, die einst in ihn gesetzt wurde, noch wert ist. Hat ihn die Profession schon derart deformiert?
Das wahre Event in diesen Tagen ist die Begegnung und nicht etwas, das hinter Absperrungen stattfinden muss. Wo Menschen aufeinandertreffen und sich austauschen, wo sie Herzenswärme miteinander teilen können, wo man noch in Augen blicken darf, da ist das Event von heute. Ich würde dem OB raten an solchen Ereignissen öfter teilzunehmen. Sonst wird er schneller Geschichte als er Tour de France sagen kann.
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