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Ein Strand ohne Sand ist ein Strand ohne Sand

Die biograph Ouvertüre August 2019

Es ist Sommer. Es ist zu heiß oder zu kühl oder zu trocken oder zu nass. Oder alles auf einmal. Auf jeden Fall ist Ferienzeit, und Ferienzeit ist für Zurückgebliebene oft langweilig. Langeweile aber ist in der Großstadt dreimal unerträglicher als auf dem Lande, weil ja in der Stadt alle ständig so tun müssen, als seien sie schwer beschäftigt damit, gerade das große Event zu suchen, zu planen, zu genießen. Nur dir ist langweilig. Und mir.
Also lass uns was dagegen tun. Lass uns streiten. Sinnlos streiten. Über irgendwas. Lass dir was Kontroverses einfallen. Es muss keine Bedeutung haben, es muss nur ausreichen, dass wir uns in die Wolle kriegen können ohne Sinn und Verstand. Wir streiten, wir argumentieren, wir brüllen uns an, und danach gehen wir gemeinsam ein Bier trinken oder eine Limonade.
Lass uns streiten über die Container vom „Stadt Strand“. Lass uns streiten um die Frage, ob ein Strand ohne Sand ein Strand ist. Wir haben ja sonst nichts zu tun. Ich sage ja, und du bist dagegen. Oder umgekehrt. Ich sage, dass ein Strand ohne Sand kein Strand ist. Dann sagst du, dass ein Strand ohne Sand kein Strand sein kann. Das sei wissenschaftlich erwiesen, musst du dann sagen. Kümmere dich nicht drum, dass das nie jemand untersucht hat. Behaupte es einfach. So geht Debatte. Man muss immer sagen, dass das eigene Argument wissenschaftlich unterfüttert ist. Wahrheitsgehalt? Wurscht.
Oder lass uns streiten über die E-Roller, die jetzt überall in der Stadt herumstehen. Lass uns Aufregung machen. Lass uns sagen, dass das ja nicht angehen kann, dass die jetzt überall herumstehen. Lass uns nicht auf das Argument eingehen, dass jeder, der so ein Ding fährt, in der Zeit kein Auto fahren kann. Lass uns gegen E-Roller sein.
Und dann streiten wir wieder um die Container. Ich sage, dass sie hässlich sind. Du sagst, dass es in Sichtweite der Container durchaus Hässlicheres gibt. Die Unterseiten der Rheinbrücken beispielsweise. Oder das mit Autos zugepflasterte Rheinufer unterhalb der Tonhalle.

Uns doch egal. Wir wollen streiten wie in den seligen Zeiten, als sich alle in der Stadt aufregten über das Wellenpflaster, das entlang der oberen Rheinpromenade verlegt werden sollte. Davon werde den Menschen übel, warnten wackere Lokalredakteure und machten ihre Leser aufmerksam auf drohende Gleichgewichtsprobleme der Passanten. Heissa, war das ein feiner Streit, der da tsunamigleich durch die Stadt toste.
Wie viele epileptische Anfälle hat das Pflaster seitdem ausgelöst? Ach ja: Null. Aber die Diskussion darum, die hat dafür gesorgt, dass die Menschen in Wallung kamen, dass sie zu tun hatten. Und heute sind es halt die Container. Die sind hässlich und haben keinen Sand, und ohne Sand kein Strand.
Außerdem soll sich gefälligst nichts ändern in der Stadt, nicht im Sommer. Alles soll so bleiben wie es immer war. Und du streitest jetzt gefälligst mit mir! Bitte sei anderer Meinung! Brüll mich an! Sag mir, dass deine Position die einzig richtige ist und meine ja so was von gar nicht gehe. Dann brülle ich zurück so laut ich kann. Und danach gehen wir gemeinsam ein Bier trinken. Am Strand ohne Sand, der doch ein Strand ist, nur eben ohne Sand. Schöner Sommer.

Hans Hoff

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